Präsidentschaftswahl in Polen: Prügeln für ein „starkes Polen“
Die liberale Opposition ist in der Krise und tauscht ihre bisherige Kandidatin gegen einen „Fighter“ aus. Nun soll Warschaus OB Andrzej Duda bezwingen.
Kidawa-Blonska hatte als „große alte Dame der polnischen Politik“ bislang einen dreckigen Wahlkampf unter den zehn Kandidaten verhindert. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt machte sie ein undurchdringliches Pokerface, als der noch immer jugendlich wirkende Trzaskowski lauthals ankündigte, sich um ein „starkes Polen“ prügeln zu wollen. So bekommen die Polinnen und Polen in den nächsten Monaten das, was sie sich laut Umfragen von ihren Politikern wünschen: „Brot und Spiele“. Oder mit anderen Worten: einen schmutzigen Wahlkampf, in dem die Fetzen fliegen und die Gegner des glorreichen Siegers am Ende k.o.-geschlagen am Boden liegen.
Auch Parteichef Borys Budka rechtfertigte den Kandidatenwechsel mit den niedrigen Umfragewerten für Kidawa-Blonska, die nach ihrem Wahlboykott-Aufruf den Wahlkampf weitgehend eingestellt hatte, aber auf Anraten der Partei nicht zurückgetreten war. „Die Polen wollen einen ‚Fighter‘ sehen!“, sagte er in mehreren Interviews. Während Kidawa-Blonska in der „nicht zu gewinnenden Mai-Wahl“ angetreten sei, würden nun die Karten neu verteilt. Trzaskowski habe sich bereits vor anderthalb Jahren in der Oberbürgerwahl für Warschau bestens geschlagen, und werde dies auch bei der Präsidentenwahl 2020 tun.
Wann die Wahl nach der gescheiterten Mai-Wahl stattfinden soll, in der es laut Staatlicher Wahlkommission „keine Möglichkeit gab, für einen Kandidaten zu stimmen“, steht noch nicht fest. Zunächst muss das Parlament das neue Wahlgesetz billigen. Erst dann kann Elzbieta Witek, die Vorsitzende des polnischen Abgeordnetenhauses, den neuen Wahltermin festsetzen. Experten gehen davon aus, dass der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, sich dieses Mal nicht einen ganzen Monat Zeit nehmen wird, um das Wahlgesetz zu beraten. Denn inzwischen haben sich alle damit abgefunden, dass auch die für Juni oder Juli angesetzten Wahl verfassungswidrig sein wird, da ein neues Wahlgesetz mindestens sechs Monate vor den nächsten Wahlen in Kraft treten muss.
Zehn ausschließlich männliche Kandidaten
Doch am 6. August läuft die fünfjährige Amtszeit von Präsident Duda ab. Vorher sollte – ob nun verfassungskonform oder nicht – eine Neuwahl stattfinden. Experten gehen davon aus, dass der Senat seine überarbeitete Wahlgesetzfassung in den nächsten zwei Wochen an den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, zurückverweisen wird, der Sejm es dann sofort mit der absoluten Stimmenmehrheit der PiS genehmigen und an Präsident Duda übergeben wird, der es noch unterschreiben muss.
Erst dann kann Elzbieta Witek (PiS) den neuen Wahltermin und alle einzuhaltenden Fristen bekannt geben, erst dann können die zehn inzwischen ausschließlich männlichen Kandidaten ihre Wahlkomitees registrieren lassen, Geld in die Wahlkasse überweisen und den Wahlkampf beginnen.
Aber im Falle des PiS-regierten Polens ist geltendes Recht nur für die Opposition verbindlich. Die PiS, die ja aufgrund der absoluten Stimmenmehrheit im Sejm das Recht Polens ganz nach Belieben verändern kann, glaubt fest an das Recht des Stärkeren. So kanzelte der PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski schon vor dem PO-Kandidatenwechsel Rafal Trzaskowski als „völlig ungeeignet“ ab. Seine Kandidatur widerspreche „dem Interesse Polens“, werde den „polnischen Staat lähmen“ und „sehr ernste Konflikte“ hervorrufen. Von einem „Krieg an der Spitze“ spricht gar Radoslaw Fogiel, der stellvertretende PiS-Pressesprecher.
Dieser werde unvermeidbar ausbrechen, sollte ein Kandidat der Opposition die Präsidentschaftswahl gewinnen. Auch das inoffizielle PiS-Parteiblatt Gazeta Polska Codzienne gibt schon einen Vorgeschmack auf den kommenden Wahlkampf: Auf der Titelseite marschiert Trzaskowski auf die Leserinnen und Leser zu – in einem gammelig wirkenden Anzug und neben der Schlagzeile „Der Ökokatastrophen-Täter ist Kandidat der Platforma“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja