piwik no script img

Positives Flüchtlingsbild in DeutschlandEigentlich schaffen wir das ganz gut

Die Stimmung gegenüber Flüchtlingen ist positiv in Deutschland, zeigt das neue Integrationsbarometer. Männer und Ostdeutsche sind skeptischer.

Die Mehrheit sieht Flüchtlinge als Bereicherung: somalischer Geflüchteter arbeitet an einer Maschine Foto: dpa

Wer die öffentliche Debatte über die Integration von Geflüchteten verfolgt, der kann eigentlich keine positive Stimmung im Land vermuten. Zuwanderung als Zumutung – das scheint die Haltung in weiten Teilen Deutschlands zu sein. Doch die Mehrheit der Bevölkerung steht dem Thema aufgeschlossen gegenüber. Das geht jedenfalls aus dem neuen „Integrationsbarometer“ des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration hervor. „Das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft wird überwiegend positiv wahrgenommen“, lautet das Resümee der Sachverständigen.

So sind 60 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund dafür, weiterhin Flüchtlinge aufzunehmen – auch wenn Deutschland das einzige Aufnahmeland in der EU wäre, so ein Ergebnis der zweiten empirischen Erhebung des Inte­gra­tions­klimas seit 2015. Unter Türkischstämmigen liegt die Zustimmung sogar noch etwas höher als bei der Mehrheitsbevölkerung.

Nur etwa 28 Prozent der Mehr­heitsbevölkerung sehen ihren Wohlstand durch Zuwanderung bedroht. Unter Spätaussiedlern ist diese Angst mit rund 45 Prozent dagegen ausgeprägter. Aber: In allen Herkunftsgruppen geht die Mehrheit davon aus, dass Flüchtlinge Deutschland kulturell wie wirtschaftlich bereichern.

Befragt wurden Menschen unterschiedlicher Herkunft: Menschen mit und ohne Migrationserfahrung, Spätaussiedler, Türkischstämmige und Zuwanderer aus der EU sowie aus der „übrigen Welt“. Aus den Antworten berechnen die Wissenschaftler den Integrationsklima-Index (IKI). Werte über 50 bedeuten eine tendenziell positive Wahrnehmung, unter 50 eine tendenziell negative.

63,8 von 100 möglichen Punkten erreichten die Deutschen in diesem Jahr, 2015 waren es mit 65,4 noch etwas mehr. Ein Wert von über 60 Prozent im Integrationsindex ist kein Ausdruck von Euphorie, aber immerhin für freundliche Wahrnehmung. „Die Alltagserfahrungen sind besser, als der mediale Diskurs erwarten lässt“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats Thomas Bauer. Seine Erklärung: Wer kulturelle Vielfalt im Alltag erlebe, der stehe Zuwanderung positiv gegenüber. Wo das nicht der Fall sei, falle die Stimmung hinsichtlich der Einwanderer schlechter aus, so in Ostdeutschland.

Frauen haben weniger Angst

Ostdeutsche erreichen einen IKI-Wert von 55, Westdeutsche von 66 Punkten. Gleichzeitig leben im Osten wesentlich weniger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. ­Abgesehen von Berlin liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im Osten durchgehend unter 8 Prozent. Zum Vergleich: In Bremen haben 32 Prozent einen Migrationshintergrund.

Für die Verschlechterung des IKI gegenüber 2015 sorgten auch die Männer. Ihr Wert liegt bei rund 61 Prozent, die Frauen kommen auf 67 Prozent. Den Forschern ist das nicht neu: Frauen engagieren sich mehr und entkräften damit eher ihre Ängste.

Annette Widmann-Mauz (CDU), die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, spricht anlässlich der Ergebnisse von „einem guten Zeichen“. „Das Barometer ist ein Gradmesser der Integration und zeigt, dass es einen Unterschied zwischen direktem Erleben und der Wahrnehmung des Themas über die sozialen Medien gibt.“ Die Studie mache deutlich: Die Stimmung ist besser als der Diskurs.

Auf eine Frage der Journalisten wussten die Wissenschaftler keine Antwort: Wenn doch Männer skeptischer sind gegenüber Zuwanderung, ist es dann ratsam, dass überwiegend Männer in dieser Fragen die Entscheidungen treffen?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • "Nur etwa 28 Prozent der Mehr­heitsbevölkerung sehen ihren Wohlstand durch Zuwanderung bedroht."

    Um welchen Teil der Bevölkerung es sich da wohl handelt?

    Bestimmt alles Bonzen und gut bezahlte Beamte und Akademiker...

  • die meisten ostdeutschen mit zuwanderungsgeschichte (...) leben im westen! in zeiten des kalten krieges waren sie willkommen weil antikommunistisch und pro westlich eingestellt...

  • Ernst Lage,



    war das eine Stil-Übung. Wer imitiert die Rechten am blödesten?

  • "Für das Integrationsbarometer 2018 wurden zwischen Juli 2017 und Januar 2018 insgesamt 9.298 Personen bundesweit telefonisch über Mobil- und Festnetznummern befragt. Davon waren 2.720 Menschen ohne Migrationshintergrund, 1.438 Spätaussiedler, 1.479 Türkischstämmige sowie 1.532 Zuwanderer aus einem EU-Land und 1.760 aus einem anderen Land."

    Somit stellen Deutsche ohne Migrationshintergrung rund 30% der Befragten dar.

    • @h3h3y0:

      "Somit stellen Deutsche ohne Migrationshintergrung rund 30% der Befragten dar." ... und "nur etwa 28 Prozent der Mehr­heitsbevölkerung sehen ihren Wohlstand durch Zuwanderung bedroht". Damit blieben 2% ohne Migrationshintergrund & ohne Ängste - kann das sein?

  • Wie schade! Schade, meine ich, dass „Eigentlich schaffen wir das ganz gut“ keine Nachricht im engeren Sinne ist. Jedenfalls keine, von der sich der durchschnittliche Verlagsleiter und die durchschnittliche Redaktions-Konferenz eine Umsatzsteigerung versprechen.

    Schade ist das insbesondere deswegen, weil jene „Männer und Ostdeutsche“, die „skeptischer“ sind in Bezug auf die integrativen Fähigkeiten unserer Gesellschaft, schon länger gar keine Zeitungen mehr lesen. Sie ansprechen zu wollen mit einem ebenso tradierten wie gepflegten Alarmismus, ist also reine Zeitverschwendung. In der ererbten Rolle des (Stammtisch-)Erklärers, -Mahners und -Rächers lassen sich „Männer und Ostdeutsche“ inzwischen lieber von der AfD bestärken oder von Internetforen. Die machen das irgendwie glaubwürdiger. Wenn auch nur deswegen, weil sie noch keine große Gelegenheit hatte, sich abschließend zu blamieren.

    Wie dem auch sei. Wäre doch gelacht, wenn sich an der Tatsache, dass „die Mehrheit der Bevölkerung […] dem Thema aufgeschlossen gegenüber [steht]“, nicht doch noch etwas ändern lassen würde mittels Presse-Berichterstattung. Das nächste „Integrationsbarometer“ kommt bestimmt, und dann können eitle Journalisten und Verleger daran wahrscheinlich immerhin ihre verbliebene Relevanz ablesen.

  • Es ist höchste Zeit, dass die Wahrnehmung revidiert wird: klare fremdenfeindliche und rechtsstattsfeindliche Gefahr vom Ethnonationalismus statt angeblicher kultureller, wirtschaflicher und sexueller Einwanderungsgefahr.

  • Eine selektive, indoktrinierende Studie dieser Art hat nur ein Resultat, sie wird der AFD massenweise Wähler zuspielen - und dieses, dank unserer Qualitätsmedien wie taz ...etc. die Statistiken der gleichgeschalteten Presseargenturen interpretationsfrei durchreicht.



    Ziel des Ganzen:



    1. Eine rechte Positionierung und Stabilisierung von "rechter Gesinnung" der Bevölkerung und Politik?



    2. Eine Vorbereitung auf den von unseren Qualitätsmedien ignorierten Migrationspakt?

    Lückenpresse!

    • @Ernst Lage:

      " Eine Vorbereitung auf den von unseren Qualitätsmedien ignorierten Migrationspakt?"

      Sprechen Sie von der Konferenz in Marokko im Dezember?

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Ernst Lage:

      Jawoll! Und darauf einen Aluhut! Muss mensch doch noch sagen dürfen, auch wenns Schwachsinn ist! :D

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Ernst Lage:

      Die rechtsverseuchte Lügenpresse hat Begriffe wie "besorgte Bürger" unhinterfragt den Rechtradikalen als Eigenbeschreibung überlassen.

      Die Medien stehen nicht links!

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @6474 (Profil gelöscht):

        "Die Medien" haben den Begriff übernommen, aber das "Framing" war zumindest nach meiner Wahrnehmung in der Regel negativ. Hier mal ein Extrembeispiel.



        "An Euch besorgte Bürger



        An Euch Heimatschützer, Patrioten, Biedermänner, Brandstifter, Kleingeister, Zukurzgekommene , Verständnisheuchler"

  • Wieso ist es eigentlich so schlimm wenn es Menschen gibt die skeptisch sind? Als Ausländer bin auch ich skeptisch, wie naiv manche bei diesem Thema sind. Es gibt einfach keine Garantie dass das alles so gut oder schlecht laufen wird. Ein gesunder kritischer Blick hat noch nie einem geschadet.

    • @Sincere:

      Sehe ich auch so.



      Mich stört’s weniger, wenn Leute naiv sind, oder skeptischer als ich. Solange sie mit sich reden lassen. Schlimm finde ich, wie indiskutabel das ganze Thema bei vielen ist.

    • @Sincere:

      Womit Sie recht haben.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Okay, die Wagenknecht, Sahra und der Palmer, Boris können nun verbal abrüsten, auf rassistische und ausländerfeindliche Parolen verzichten und sich echten Problemen zuwenden. Die AfD, Sachsen-Kretschmer und der Seehofer, Hotte mögen weitermachen. Die CSU bekommt für ihren bräunlichen Kurs in ein paar Wochen die Quittung.



    Und dann kommt der turn around.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @60440 (Profil gelöscht):

      Darauf hoffe ich ja: Bayernwahl vergeigt, danach wieder andere Themen im Bundestag relevant. Aber das ist auch arg unrealistisch, die nächste Landtagswahl kommt bestimmt... *seufz*

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @60440 (Profil gelöscht):

      Und was sagt die Bewegung dazu?

      Wahrscheinlich wie üblich, nichts.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        „#Aufstehen“: Sie machen sich nicht ehrlich



        Den bissigsten Spott aber zog die Tatsache auf sich, dass die Bewegung lediglich aus einer Webseite mit ein paar Videoclips besteht. Gerade dieser Einwand zeigt allerdings die ganze Überheblichkeit und Inkompetenz der Kritiker. (…) Die Webseite aufstehen.de ist nämlich der Dreh- und Angelpunkt der Bewegung. Sie erzeugt das wichtigste Instrument einer Polit-Kampagne: die Datenbank. Eine gute Datenbank ist das A und O von „Online-Movements“. Die Washingtoner Digital-Agentur „Revolution Messaging“, die 2008 Barack Obamas und 2016 Bernie Sanders’ Kampagne steuerte, hat die Blaupause für moderne linke Bewegungen geschaffen: Solche Bewegungen entwickeln sich im Netz, gehen aber anschließend – bestens organisiert – auf die Straße. Wer auf der Webseite von „Revolution Messaging“ die „Bernie-2016-Kampagne“ anklickt, liest als Erstes den Satz: „Building a movement online“: „Wie man eine Bewegung online erzeugt“.



        Die Webseiten politischer Initiativen analysieren die Daten der Nutzer, die sich auf ihnen registrieren. Sie speichern, wer welche Links im Newsletter anklickt, wer welches Video auf der Webseite wie lange anschaut, wer welches Material bestellt, wer welchen Geldbetrag spendet. Diese Informationen bilden das Grundgerüst für die spätere Kampagne. Denn die Unterstützer gehen erst auf die Straße oder klopfen an den Türen potenzieller Wähler, wenn die Datenbank groß genug ist, um aussagekräftige Aktivistenprofile zu liefern und Unterstützer wirklich effektiv einsetzen zu können.



        Quelle: Der Freitag



        www.freitag.de/aut...sich-nicht-ehrlich

        A b w a r t e n .

        • @Frau Kirschgrün:

          Und das ganze kombiniert mit Daten aus anderen „sozialen“ Auftritten, Amazon, ... ergibt einen fetten Menschenberg auf den man seine politische Werbung zielgenau abschissen kann.

          Die Software dazu nennt sich BSD Tools (siehe Seite Datenschutz bei aufstehen.de). Die Softwarefirma dazu hat bereits m amerikanischen Wahlkampf 2004 mitgemischt. en.wikipedia.org/w...Blue_State_Digital

          Anmeldefragebögen und Postings sind als Daten Gold wert, insbesondere für eine politische Partei. Das da irgendwelche Beschlüsse demokratisch gefällt werden ist illusorisches Beiwerk.

  • „Das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft wird überwiegend positiv wahrgenommen“, lautet das Resümee der Sachverständigen“ – „wo direkte Kontakte in der Nachbarschaft, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz bestehen"



    Da kann ich aus eigener Erfahrung zustimmen.



    Ich habe viele Jahre in Gelsenkirchen gearbeitet, wo geschätzt mehr 50% Menschen mit ausländischer Abstammung und unterschiedlicher Religionszugehörigkeit lebten. Ich habe dort keinen Ärger erlebt und was Familienfreundlichkeit, Nachbarschaft und Höflichkeit betrifft, könnte sich manch Deutscher eine Scheibe von abschneiden. Im Gegensatz zu manchem (dummen) Gerede von gewissen Parteien/Medien/Usern traute ich mich auch nachts ohne Angst auf die Straße.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @D-h. Beckmann:

      Ärger gibts nur mit Nazis, den besorgten Bürgern und Anwohnern und ihren Apologeten von Gauland, Höcke, Seehofer bis Wagenknecht und



      Palmer ...

  • "So sind 60 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund dafür, weiterhin Flüchtlinge aufzunehmen – auch wenn Deutschland das einzige Aufnahmeland in der EU wäre..."

    Da fehlt "wünscht sich aber Begrenzung [der Zuwanderung]"

    www.svr-migration....presse-svr/ib2018/

    BTW, die Sudien von den auf einem bestimmten Bereich tätigen Organisationen sind mit Vorsicht zu genießen.

    • @agerwiese:

      Warum? Bedeutet es nicht eher, dass eine spezialisierte Gruppe sich in ihrem Bereich besonders gut auskennt?