piwik no script img

Porträt Martin SchulzDer neue Hoffnungsträger

Der erfahrene Europapolitiker ist als SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat vorgesehen. Bei der Bevölkerung kommt er besser an als Sigmar Gabriel.

Der freudige Nachfolger Foto: dpa

Berlin taz | Martin Schulz soll es machen. Am Dienstag steht Nochparteichef Sigmar Gabriel gegen 15.15 Uhr im Fraktionssaal der SPD. Gerade hat er den Genossen seinen Rückzug erklärt, jetzt schlägt er ihnen seinen Nachfolger vor: Der ehemalige Präsident des EU-Parlaments soll den SPD-Vorsitz übernehmen und bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel antreten. „Jetzt werden wir uns hinter Martin Schulz versammeln“, twittert der Abgeordnete Burkhard Lischka aus der laufenden Fraktionssitzung. „Ich freue mich auf Martin Schulz“, schreibt sein Kollege Sönke Rix. „Schulz ist ein guter und würdiger Kandidat für die SPD“, postet der Chef des sächsischen Landesverbands, Martin Dulig. Widerworte? Vorerst keine.

In der SPD baut man auf die Beliebtheit des Europapolitikers. In einer Infratest-Umfrage aus dem Dezember gaben 57 Prozent der Befragten an, mit dessen Arbeit zufrieden zu sein – in dieser Frage schnitt er genauso gut ab wie Merkel und weit besser als Gabriel.

Warum ist der Rheinländer so populär? Schulz, nach Schulabbruch und Arbeitslosigkeit zunächst Buchhändler, später Bürgermeister seiner Heimatstadt Würselen, seit 1994 dann für die SPD im Europäischen Parlament, kommt jovial rüber. Er kann emotional reden und warmherzig plaudern. Das kommt an. Zudem hatte Schulz noch nie ein Amt in der Bundespolitik. Im Wahlkampf werden ihm die Konkurrenten daher zwar mangelnde Erfahrung vorwerfen. Dafür verbinden die Wähler bislang kaum negative Erinnerungen mit ihm – für die meisten ist die Europapolitik schließlich weit weg.

Wofür steht der designierte SPD-Chef aber inhaltlich? In der Europapolitik plädiert er dafür, die EU-Kommission zu einer richtigen Regierung umzubauen und das EU-Parlament als Kontrollorgan zu stärken. Außerdem will er durch Investitionen das Wachstum auf dem Kontinent fördern.

Innenpolitisch ist Schulz, der seine Kandidatur für den Bundestag schon im Dezember ankündigte, weniger greifbar. Durch konkrete bundespolitische Vorschläge ist er bislang nicht aufgefallen. Innerhalb der SPD gehört er dem rechten Flügel an. Am Dienstagabend wollte er aber auch erstmals ein Gespräch der Parteilinken zu Rot-Rot-Grün besuchen. Dieser Auftritt wurde allerdings schon am Montag abgesagt – „aufgrund einer kurzfristigen Terminkollision“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Wie schrieb der Postillion heute so schön zu Schulz:

     

    Hat gegenüber Sigmar Gabriel den großen Vorteil, dass er nicht Sigmar Gabriel ist.

     

    So ist es und das ist - leider - der einzige Vorteil, der mir einfiele. Alter Wein in (gar nicht so) neuen Schläuchen.

    • @Nachtvogel:

      ;-)

  • Falsche Rubrik.

    Das ist eindeutig WAHRHEIT

  • Ok - auf Siggi-Plopp - exPop-Beauftragter -

    ´ne Öscher Printe - Mr. Dreiländereck

    kurz - "look before you kuck!

    (by Heino Jaeger -;)

    • @Lowandorder:

      :-) :-) :-)

  • "Bei der Bevölkerung kommt er besser an als Sigmar Gabriel."

     

    als Hoffnungsträger?

     

    Vielleicht auf ein paar Prozent mehr Stimmen für die SPD, aber wohl kaum für eine Lösung der gesellschaftlichen Probleme dieser unserer Republik. Merkel wird Kanzler bleiben mit allem was uns lieb und teuer ist.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Man sollte sich nicht mit fremden Federn schmücken, aber besser (und unterhaltsamer) als ein Kommentator der "Telepolis" hätte ich es auch nicht schreiben können:

    https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Hilft-Gabriels-Rueckzug-der-SPD/Schulz-der-Weltbuerger-Ein-weiterer-Schandfleck-auf-der-Weste-der-SPD/posting-29836580/show/

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Danke für den Link.

      Besser kann man es nicht sagen.

  • "Dafür verbinden die Wähler bislang kaum negative Erinnerungen mit ihm..."

     

    Schulz steht für die Klüngeleien in Brüsseler Hinterzimmern. Das wird im Wahlkampf noch eine Rolle spielen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Nicht nur für die Klüngelei um den Posten des Parlamentspräsidenten sondern auch für den darauf folgenden Wortbruch ist Schulz mitverantwortlich. Seine Unterschrift steht unter der von der S&D nicht eingehaltenen Vereinbarung.

      • @jhwh:

        Welche ominösen alternativen Wahrheiten sprechen Sie da mit "von der S&D nicht eingehaltenen Vereinbarung." an?

        • @Rudolf Fissner:

          ... nur eine. Und die ist konventionell: https://www.tagesschau.de/ausland/eu-weber-101.html

           

          S&D ist das engl. Kürzel für die "Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament"

        • @Rudolf Fissner:

          Huh? Das ist doch eig. recht bekannt und akzeptierter Fakt, auch wenn Hinterzimmer vielleicht was weit gefasst ist.

           

          Es gab schon länger die Absprache zwischen der Konservativen und der Sozialdemokratischen Fraktion im EU Parlament in der Mitte der Legislatur den Parlamentspräsidenten zu tauschen, so das beide Fraktionen je 2 Jahre ihn stellten (und ja niemals jemand anders), allerdings wollte sich diesmal die S&D nach den 2 Jahren Schulz nicht daran halten, wodraufhin die Konservativen die sonst eher unter der Hand gehaltene Vereinbarung rausposaunt haben. Brüssel halt.

  • Das Problem der SPD ist nicht unbedingt eines des Personals.

    Es ist das Problem des Programm.

    Wären sie tatsächlich sozial und würden den kleinen Leuten

    beistehen, dann wären sie in absehbarer Zeit auch wieder weiter

    vorne stehen.

    Rentenerhöhungen für alle, insbes. f.d. Geringrentner, Wegfall H4,

    drastische Steuersenkungen für normale Arbeitnehmer, Steuern rauf

    für Kapitalisten und Kapitalgesellschaften u.v.a. mehr.

    So leidet auch die FDP. Sie hat keine soziale Komponente im Programm um

    auch weitere Wählerschichten zu gewinnne.

    Es ist doch so einfach, wenn die Politik denken könnte.

    • @P-et-r-a:

      jep. so isses

  • "Innerhalb der SPD gehört er dem rechten Flügel an."

     

    Also "Seeheimer Kreis" und Agenda Befürworter. Wer soll den denn wählen und vor allem warum?!

    • @Jens Frisch:

      Niemand!

       

      Das ist wirklich der rechte Rand des rechten SPD-Flügels ... man kann sich ernsthaft fragen ob er eigentlich nicht quasi schon rechts von Mutti Merkel steht.

       

      Ein weiterer Beleg für die Austauschbarkeit dieser ganzen Parteien um die "Mitte" herum. Die Wahlzettel für den September könnte man eigentlich recht einfach halten und (fast) alle Parteien zusammenfassen:

       

      () DIE LINKE - Hat nochmal Glück gehabt: Sahras Truppe stellt sich zuweilen grenzdebil an, aber geht zumindest noch als ein Partei durch, die sowas wie eine Identität hat.

       

      () NEP - Neoliberale EinheitsPartei, formerly known as SPD/Grüne/FDP/CDU

       

      () GDWU - Großdeutsche WutwichtelUnion, formerly known as AFD/CSU/NPD/PEGIDA

       

      Und fertig ist die Laube! Die Unterschiede sind doch mittlerweile so marginal, daß man nicht mehr von eigenständigen Parteien sprechen kann. Wir haben in diesem Land zudem keine sozialdemokratische Partei mehr und das ist eine Katastrophe, die politische Balance in der Parteienlandschaft ist längst verloren gegangen.

       

      Demokratie (und die eigentlich damit zu erwartende verbundene Palette an Parteien verschiedenster Coleur) ... sieht anders aus.

  • Ein derart Konservativer um es einmal gelinde auszudrücken als Hoffnungsträger

    zu bezeichnen halte ich für falsch und gefährlich.

    Wofür er steht und i.d. EU gestanden hat, lässt sich ganz fix erkennen.

    Auch aufgrund seiner Person, seiner Denkweise und seiner ihm nachgesagten Spaltung der Völker aufgrund seiner Politik i.d. EU ist eine SPD für mich unwählbar.