Poroschenko löst Parlament auf: Neuwahl in der Ukraine
Während die Kämpfe im Osten des Landes unverändert andauern, hat der Präsident das Parlament aufgelöst. Eine Neuwahl muss innerhalb von 60 Tage stattfinden.
KIEW/MINSK rtr/dpa | Die Ukraine steuert inmitten der Kämpfe gegen prorussische Separatisten auf Neuwahlen zu. Präsident Petro Poroschenko beschloss am Montagabend die Auflösung des Parlaments per Dekret. „Ich habe entschieden, die Befugnisse der Parlaments vorzeitig zu beenden“, erklärte Poroschenko auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Nach dem Gesetz müssen Neuwahlen nun innerhalb von 60 Tagen abgehalten werden. Ein Sprecher des Präsidenten teilte mit, dass dies für den 26. Oktober vorgesehen sei.
Im Juli hatten zwei kleine Parteien das Regierungsbündnis verlassen, um Neuwahlen zu erzwingen und auf diesem Weg prorussische Kräfte zu schwächen. Zudem hatte Wirtschaftsminister Pawlo Scheremeta am Donnerstag seinen Rücktritt eingereicht. Er wolle nicht länger „gegen das System von gestern“ kämpfen, schrieb er auf seiner Facebook-Seite zur Begründung.
Der Wirtschaftswissenschaftler hatte nach dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sein Amt mit der Ankündigung angetreten, Reformen durchzusetzen und die Korruption zu bekämpfen, die das Land an den Rand des Ruins getrieben habe. Allerdings konnte er im Parlament, in dem noch viele Janukowitsch-Gefolgsleute sitzen, keine größeren Vorhaben durchsetzen. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hatte am Mittwoch erklärt, er sei unzufrieden mit Tempo und Umfang der Reformen.
Durch die Kämpfe im Osten der Ukraine sind wichtige Teile der Infrastruktur wie Schienennetz, Brücken und Kraftwerke stark beschädigt worden. Zahlreiche Unternehmen in dem Industriezentrum des Landes können nicht mehr normal produzieren. Im Frühjahr war die Wirtschaft binnen Jahresfrist um 4,7 Prozent geschrumpft. Da die Industrieproduktion im Juli um zwölf Prozent einbrach, sind die Konjunkturaussichten auch für das dritte Quartal sehr trüb.
Staatschefs und Spitzenpolitiker aus Russland, der Ukraine und der Europäischen Union sprechen am Dienstag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk über die Ukraine-Krise. Im Mittelpunkt des Gipfeltreffens sollen Gespräche des Kremlchefs Wladimir Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko stehen. In Kiew gab es Kritik an Poroschenkos Reise nach Minsk. Er solle sich nicht mit dem „zynischen Aggressor“ Putin treffen, forderte etwa der ehemalige Verteidigungsminister Anatoli Grizenko. Beim Treffen der Eurasischen Zollunion in Minsk werden auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, Energiekommissar Günther Oettinger und Handelskommissar Karel de Gucht erwartet. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte die Teilnehmer davor, in Minsk Ultimaten zu stellen. Stattdessen erwarte er Gespräche über die humanitäre Lage in der Ostukraine. (dpa)
Der Internationale Währungsfonds hat für das Land ein Hilfspaket von 17 Milliarden Dollar geschnürt, macht dies aber von Reformen abhängig. Poroschenko und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin treffen am Dienstag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk aufeinander (siehe Textkasten). Beide nehmen an einer Konferenz der von Russland geführten Zollunion teil.
Neuer Konvoi
Pläne Russlands für neue Hilfslieferungen für die Krisenregion verschärften den Konflikt jedoch kurz vor dem Gipfel. Trotz internationaler Kritik an einer ersten Lastwagenkolonne Russlands für die Ostukraine wolle Moskau noch in dieser Woche einen zweiten Konvoi losschicken, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Die Bundesregierung forderte dafür eine enge Abstimmung mit der Ukraine und dem Roten Kreuz. Mit Problemen wie beim ersten Hilfskonvoi rechne er nicht. Russland sei zu „vollkommener Transparenz“ bereit.
Die prorussischen Aufständischen rechnen damit, dass der neue Konvoi die umkämpfte Großstadt Donezk ansteuern wird. „Wir sind zu Begleitschutz bereit“, sagte der Separatistenführer Andrej Purgin. Über Russlands Pläne sprach Poroschenko mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in einem Telefonat, wie das Präsidialamt mitteilte. Die Verteilung der Ladung des ersten umstrittenen Konvois sollte nach Lawrows Worten noch am Dienstag beginnen. Die Ukraine hatte die eigenmächtige Grenzüberquerung als „Invasion“ kritisiert.
Berichte über neue mutmaßliche Waffenlieferungen aus Russland an die Aufständischen sorgten derweil in Kiew für Aufruhr. Etwa 50 gepanzerte Fahrzeuge sollen nach ukrainischen Militärangaben im Südosten über die Grenze eingedrungen sein. Das Militär äußerte die Vermutung, dass damit eine „zweite Front“ bei Mariupol geschaffen werden soll. Die Separatisten wie auch Moskau wiesen die Vorwürfe zurück. Die Region Mariupol ist die Landverbindung zwischen Russland und der von Moskau im März einverleibten Halbinsel Krim.
Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, erklärte in der Nacht zum Dienstag im //twitter.com/AmbassadorRice:Kurznachrichtendienst Twitter, das wiederholte russische Eindringen in die Ukraine stelle eine erhebliche Eskalation dar. Bei Kämpfen des Militärs mit den Aufständischen starben innerhalb von 24 Stunden mindestens vier Soldaten. 31 Armeeangehörige seien verletzt worden, teilte der Sicherheitsrat in Kiew mit. Die Separatisten berichteten von heftigem Beschuss der Großstadt Donezk. Auch in Lugansk wurde demnach gekämpft.
Leser*innenkommentare
90191 (Profil gelöscht)
Gast
Die Russen werden diese Wahl schon zu beeinträchtigen und zu stören wissen.
Der_Peter
Im übrigen wurden am Sonntag abend zwei Journalisten von der Krim, die Reporterin Ewgenija Koroljowa und der Photograph Maksim Wasylenko, von Kräften des Rechten Sektors festgenommen und werden seitdem festgehalten. Zwischenzeitliche Meldungen von ihrer Freilassung bewahrheiteten sich bis jetzt nicht.
Tja, und der russische Photograph Andrej Stenin ist seit dem 5. August vermißt. Schlimm.
antares56
@Der_Peter Ich hatte zwar einen Kommentar geschrieben, aber die taz veröffentlicht ihn nicht. Da kann ich nichts gegen machen.
9076 (Profil gelöscht)
Gast
Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen.
Ein Artikel, heute erschienen bei TELEPOLIS.
http://www.heise.de/tp/artikel/42/42618/1.html
flex
wie man das werten soll wenn das vom CFR kommt..Manöver?..mhm..
Bei der, mitunter historischen Mitgliederliste:
http://tomjefferson1976.wordpress.com/2013/08/07/council-on-foreign-relations-membership-chart/
flex
Steht eigentlich alles drin was sonst sog. Putinversteher seit Monaten posten. Na die vom CFR, die die US-Politik seit Generationen mitbestimmen wissen schon was sie abziehen. Mehr als die halbe Bushregierung bestand aus CFR-Leuten. Trotzdem wird die deutsche Presse weiter ihren Dienst tun...
"But this account is wrong: the United States and its European allies share most of the responsibility for the crisis. The taproot of the trouble is NATO enlargement, the central element of a larger strategy to move Ukraine out of Russia’s orbit and integrate it into the West. At the same time, the EU’s expansion eastward and the West’s backing of the pro-democracy movement in Ukraine -- beginning with the Orange Revolution in 2004 -- were critical elements, too."
Der_Peter
Danke für den Tip! Hier mal ein Link zum Original-Artikel:
http://www.foreignaffairs.com/articles/141769/john-j-mearsheimer/why-the-ukraine-crisis-is-the-wests-fault
Unter dem eigentlichen Aufsatz findet sich auch noch eine Diskussion mit z.T. interessanten Beiträgen.
Joe Montana
Sie glauben sicherlich auch der neuesten Nachricht aus Moskau, dass die Soldaten "aus Versehen" die Grenze überschritten hätten. Hatten wohl Donezk mit Donezk verwechselt.
Und statt Krim wollten sie eigentlich zu einer Truppenübung nach Tschetschenien - aber Kompass war kaputt...
flex
@Joe Montana ach Sie glauben immer noch, dass Kiew einen russichen Panzerkonvoi zusammen geschossen habe?
Der_Peter
Ähem - was hat die Bemerkung über die Soldaten mit dem Eingangspost zu tun? Ob man denen nun glaubt, oder nicht, kann jeder für sich entscheiden. Zumindest ist dies das erste Mal, daß die Ukraine die vielen von ihr behaupteten Grenzverletzungen auch beweisen konnte.
Insgesamt wären gemischte ukrainisch-russische Grenzpatrouillen wahrscheinlich ein guter Weg, um mehr Stabilität und Vertrauen herzustellen. Und dann würde sich auch niemand mehr so schnell verlaufen. ;-)
Joe Montana
@Der_Peter Stimmt, das mit den gemeinsamen Grenzkontrollen hat ja beim "Hilfskonvoi" auch schon gut geklappt.
flex
@Joe Montana ja genau, die Russen haben alles unternommen zu kooperieren, damit Hilfsgüter zu den Bedürftigen gelangen. Wenn da nicht die Ukraine und die Westpresse wäre...
Micha Mille
@Antares56
So langsam scheint Ihnen die Kappe wohl die Blutzufuhr abzuschnüren. Völlig haltlose Behauptung.
antares56
Frau Merkel hat den Putschisten und Faschisten in der Ukraine viel Hilfe beim "Neuaufbau" der Ostukraine zugesagt - den Bürgern, die dort leben und die Putschisten ablehnen, hat sie nie Hilfe zugesagt!
Kommentar gekürzt. Bitt vermeiden Sie Unterstellungen.
Joe Montana
Jaja, die Faschisten...
Ich bin immer noch glücklich, dass Polen nach den letzten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern nicht einmarschiert ist - nach ihrer Argumentation wäre es ja legitim gewesen.
antares56
@antares56 Ach, der Beschuss ostukrainischer Städte und der Menschen darin ist also eine Unterstellung? Und es sind nicht die "ukrainischen Truppen", die dieses Gebiet beschiessen? Wahrscheinlich wollen sie mit ihren Granaten nur "Hilfe" bringen?
antares56
@antares56 P.S.: Und mit einer Frau Le Pen wird Frau Merkel sicher gut zusammenarbeiten!
ingrid werner
@antares56 nach meiner Info mag die aber viel lieber mit Wladimir gehen. Grüße nach Moskau.
Der_Peter
@ingrid werner Wie gut kennen Sie denn Frau Le Pen?
antares56
antares56
@antares56 Ich hatte vergessen, dass die taz mit ihrer Chefredakteurin natürlich nie zulässt Frau Merkel in die Nähe von Faschisten zu rücken. Das hat mit Netiquette zwar nichts zu tun sondern mit ihrer Politik - aber unsere Medien wollen ihre Kanzlerin doch nicht schlecht dastehen lassen. Auch wenn viele Bürger das inzwischen so sehen.
Sid
Ich glaube einfach sie tut nur das, was Washington von ihr verlangt und nimmt
dabei auch den Tod vieler unschuldiger
Menschen in Kauf.Wenn das faschistoid ist,gebe ich ihnen Recht.
http://www.heise.de/tp/artikel/42/42618/1.html
90191 (Profil gelöscht)
Gast
Privater Thin Tank, wenn ich so was schon lese...
Irgendwelche Typen, die wahrscheinlich mit Putin Geschäfte machen, sehen in ihm natürlich den Unschuldsengel. Relevanz = 0.
Gregor Hecker
Die faschistoide Hetze der "prowestlichen" Medien im oligarchischen Auftrag hat schon die beste Voraussetzungen gemacht, dass nur die richtigen, "proukrainischen" Kräfte in die Rada kommen werden.
Wie zuletzt in den Nachrichten - Der ukrainische Sicherheitsdienst habe Mitglieder der Kommunistischen Partei verhaftet und sie gestehen Terrorismus schon.
Es wird also im politischen System der Ukraine demnächst nur zwei Parteien geben - Die Ukrainer und die Terroristen.
Und damit die ewige faschistoide Mobilmachung des Kampfes bis das Land depressiv zusammenbricht.