piwik no script img

Polizeimaßnahmen gegen ZDF-TeamHoffen auf Aufklärung

Nach dem Polizeieinsatz bei einer Anti-Merkel-Demo in Sachsen gibt es Klärungsbedarf. Der Ministerpräsident will die Diskussion versachlichen.

„Die Vorgänge in Sachsen sind besorgniserregend“, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley Foto: imago/Paul Sander

Berlin taz | Der Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts (LKA), der am letzten Donnerstag als Pegida-Demonstrant den viel kritisierten Polizeieinsatz gegen ein Journalistenteam des ZDF ausgelöst hat, ist offenbar im Ermittlungsdezernat für Wirtschaftskriminalität tätig. Dies habe der sächsische Polizeipräsident am Donnerstagmittag während einer nicht-öffentlichen Sitzung des sächsischen Innenausschuss bekanntgegeben, sagte der sächsische Innenpolitiker Enrico Stange (Linke) gegenüber der taz.

Der Mitarbeiter habe dort auch Zugriff auf Ermittlungsunterlagen aus dem Bereich Wirtschaftskriminalität. Dass er auch auf Akten aus weiteren Bereichen Zugriff haben könnte, könne der Polizeipräsident nicht ausschließen, so Stange. Laut Welt schreibt der Mann Gutachten für das LKA und tritt auch in Gerichtsprozessen für die Behörde auf. Mit Verweis auf die „Fürsorgepflicht gegenüber Mitarbeitern“ wollte sich das sächsische Innenministerium am Donnerstag nicht zur genauen Tätigkeit des Mannes äußern.

Das Ministerium hatte am Mittwochabend bekannt gegeben, dass es sich bei dem Pegida-Demonstranten mit Deutschlandhut, der dem ZDF-Team lautstark verboten hatte, ihn zu filmen, um einen „Tarifangestellten“ des sächsischen LKA handele. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte noch am Nachmittag auf Twitter erklärt, der Hashtag #Pegizei, der eine Nähe zwischen Polizei und Pegida suggeriert und bereits seit Tagen zu diesem Fall verwendet wurde, sei „unverantwortlich“.

„Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden“, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) am Donnerstagmorgen. Am Nachmittag erklärte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Ich will mich da ausdrücklich zur Pressefreiheit bekennen. Jeder, der an einer Demonstration teilnimmt, muss wissen, dass er Objekt dieser Pressefreiheit ist.“

„Klare rote Linie“

In der sächsischen Landsregierung gibt es offenbar unterschiedliche Einschätzungen zum richtigen Umgang mit dem Fall. Kretschmer warnte am Donnerstagvormittag vor Vorurteilen gegenüber der sächsischen Polizei: „Hier werden viele Dinge vermengt, die so nicht zusammengehören“, sagte er der Deutschen Presseagentur. Ihm sei daran gelegen, „die Situation zu versachlichen und mit Ruhe zu bewerten“. Kretschmer bekräftigte sein Vertrauen in die sächsische Polizei, diese leiste eine „ganz wichtige Arbeit“.

Die sächsische Staatsministerin für Kunst und Wissenschaft, Eva-Maria Stange (SPD), setzte am Mittag vor Journalisten einen anderen Schwerpunkt: Das, was den Journalisten geschehen sei, bereite ihr Sorgen. „Wir sind nun offenbar in der Situation, die Meinungs- und Pressefreiheit verteidigen zu müssen“, so Stange.

Mit Blick auf die Äußerungen der sächsischen CDU sagte Stange, sie sei „sehr beunruhigt, dass wir momentan offenbar nicht mit einer Zunge reden“. Gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit müsse „eine klare rote Linie gesetzt werden von allen, die den Staat repräsentieren.“ Sie könne „nur hoffen, dass genügend Aufklärungswille da ist.“ Stange sagte weiter, die Polizei habe die Verantwortung, Journalisten zu schützen, „so wie das auch in anderen Bundesländern der Fall ist“.

Disziplinarverfahren einleiten

Die deutsche Polizeigewerkschaft wies den Vorwurf rechtsradikaler Tendenzen in der sächsischen Polizei zurück. Was Menschen in ihrer Freizeit machen, ließe sich nicht beeinflussen, sagte die sächsische Landesvorsitzende Cathleen Martin.

Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki forderte hingegen, ein Disziplinarverfahren gegen den LKA-Angestellten einzuleiten. „Für mich gilt, dass jemand, der im Staatsdienst ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht nur akzeptieren, sondern verteidigen muss“, sagte Kubicki am Donnerstag zu Focus Online. Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir und der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch hatten die Teilnahme des LKA-Manns an der Pegida-Demonstration scharf kritisiert.

Der sächsische CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Kupfer sorgte am Mittwoch mit einem Facebook-Kommentar für Empörung. Er hatte den Beitrag von Frontal 21 zu dem Fall mit den Worten „Öffentlich rechtliche… dafür bezahlen wir Beiträge…“ quittiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Was ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung? Dass das ZDF trotz seines Widerspruchs Filmmaterial von ihm beim Vorbringen dieses Anliegens veröffentlicht hat und dann sich echauffiert und Polizisten anmacht? Pressefreiheit in Gefahr, weil man anlassbezogen seine Ausweise vorzeigen soll?

    Sodann seine Medienmacht nutzt um in eigener Sache Propaganda zu machen, Pressefreiheit, und einen Juristen findet, der die windige Rechtsauffassung vertritt, es sei in Ordnung, zu veröffentlichen, weil er durch die von ihm widersprochene Veröffentlichung zur "Person der Zeitgeschichte" würde.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      Das Recht auf informatuionelle Selbstbestimmung gilt nicht für Dummköpfe. die offenkundig darauf veztichten und durch ihr Vorgehen - ganz selbstbestimmt, zu einer Person der Zeitgeschichte werden. Der Schlapphutträger darf fortan unverpixelt überall auf Seite 1 in den Zeitungen abgebildet werden, das ZDF-Video, das sein (und seiner Kollegen) höhst peinliches Verhalten zeigt, darf ebenfalls überall angeschaut werden. Wurde es ja auch, meghr als eine Million Mal, wie man hört ...

  • "Recht am eigenen Bild" versus "freie Berichterstattung".

    Die Polizeibeamten haben 45 Minuten gebraucht um die Rechtslage halbwegs zutreffend zu klären. Für Nichtjuristen ist das eine gute Leistung - hätte ich mir so nicht zugetraut. Was gibt es zu beanstanden? Dass die Klärung nicht schneller gegangen ist oder dass die Polizeibeamten in Presse-/Demonstrationsrecht nicht besser ausgebildet waren?

    Lächerlich

    • @A. Müllermilch:

      Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum der gleiche Polizist den selben presseausweis in der selben Situation mehrfach überprüfen muss, außer weil die Reporter drangsaliert werden sollen. Auf Nachfrage könnte die Polizei doch selbst keinen Grund angeben warum polizeiliche Maßnahmen gegen die Reporter durchgeführt werden. Auf die entsprechende Frage nur schweigen im Wald und noch einmal den Presseausweis her.

    • @A. Müllermilch:

      Polizeibeamte, die eine Demonstration begleiten, sollten schon wissen, wie die Rechtslage aussieht. Vermutlich wissen sie auch, wie das geregelt ist, wollten aber dem Kameraden einen Freundschaftsdienst erweisen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wenn mit Versachlichung tatsächlich Versachlichung gemeint wäre: wer wollte etwas dagegen einwenden?

    Erfahrungsgemäß wird Sprache sehr subjektiv verwendet, häufig auch manipulativ. Eigene Interessen sollen kaschiert, von eigener Verantwortung abgelenkt werden.

    Es deutet manches darauf hin, dass sich Herr Kretschmer selbst aus der Schusslinie nehmen möchte. Deshalb ist Wachsamkeit geboten, dass sich die Angelegenheit nicht im wabernden Gelaber von Politiksprech auflöst!

  • Bei kritischen Vorgängen in der Bundesrepublik Deutschland schaut die Welt immer zu und kritisiert bei bestimmten Treffen (z.B. auf der Ebene der Presidenten), um z.B. eigene von eigenen Fehlern abzulenken bzw. die abzumildern. So gab es nicht vor all zu langer Zeit Kritik von Herrn Putin in Bezug auf Verwendung von Pfefferspray durch Polizei. Das war allerdings nicht bei aktuellem Vorfall.

    In Bezug auf unsere negative NS Geschichte muss man das eigene Gesicht jetzt wahren. In vielen Ländern werden diese Pegida Demonstrationen mit der Vergangenheit Deutschlands verbunden und sehr kritisch gesehen.



    Nicht zu vergessen, dass gerade Presse, Anwälte und Rechtsstaatlichkeit allgemein in der NS Zeit bekämpft wurden.

    Große Gesellschaften und Gesellschaftsformen können scheitern mit Beginn von kleinen Dingen. 1 Mal Journalisten behindert ist OK. Später ist es schon üblich. Nach einiger Zeit dann wunder sich keiner mehr, wenn Journalisten „mundtot“ gemacht werden.

    Und die Polizei muss immer geschult werden bzw. Weiterbildung erhalten, auch Streifenpolizisten. Was würde das Bundesverfassungsgericht sagen zu dem Vorfall. Wahrscheinlich, dass die Filmung einer Demonstration im allgemeinen Interesse ist. Zudem muss man unterscheiden die Filmung von Journalisten von der durch Privatpersonen und Unternehmen sowie Aufnahmen und Sendung der Aufnahmen.

    Hier wurde der Einsatz von der Presse behindert. Warum hat sich die Polizei nicht eigemischt, als Gagen für die obersten Politiker vorgeführt wurden?

    www.taz.de/!5241064/

    Wenn wir Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Türkei, Russland oder USA stark kritisieren, was richtig ist, so dürfen gerade wir uns keine Bloße geben!

  • Interessant, wie sich der Artikel bereits in der Unterzeile der Überschrift die Sicht des Ministerpräsidenten zu eigen macht, der von "seriös" und "Versachlichung" spricht... Und eventuell nur vermeiden will, sich von seiner Sturmtruppe distanzieren zu müssen, denn das könnte ja Wählerstimmen kosten. Ist das aus Versehen staatstragend oder ist das Absicht?

  • Eine sachliche Maßnahme wäre die Re-education der sächsischen Behördenmitarbeiter, besonders der Polizisten.



    Die Selbstverständlichkeit mit der Pegida, Nazis, Mörder und Polizisten, und Referatsleiter spontan gleichgerichtet handeln, intuitiv konvergieren, die muss zerschlagen werden.

  • "Die deutsche Polizeigewerkschaft wies den Vorwurf rechtsradikaler Tendenzen in der sächsischen Polizei zurück. Was Menschen in ihrer Freizeit machen, ließe sich nicht beeinflussen, sagte die sächsische Landesvorsitzende Cathleen Martin."

    Genau, das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist aber, dass die Polizei die da gerade im Dienst war den unlauteren Forderungen des Deutschlandhutmannes gefolgt ist und die Pressefreiheit beschnitten hat. Das so ein Kasper beim LKA arbeitet, ist für die Behörde reichlich unglücklich, aber letztlich wohl kaum zu vermeiden. Das Empörende bleibt meines Erachtens aber das Fehlverhalten der Polizei.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Verfassungsfeinde beim sächsischen LKA. Prost Mahlzeit. Leider nicht wirklich überraschend. Disziplinarverfahren und dann aus dem Amt entfernen, den dümmlichen Wutbürger und Wichtigtuer mit dem peinlichen Schlapphut und dem unsäglichen Dialekt. Und dann mal weiter durchforsten, wer von den braunen Bataillonen sich sonst noch so im Staatsdienst tummelt und den Staat bekämpft, von dem er sich alimentieren lässt.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Und wenn die Aufklärung nicht zum Wunschergebnis führt? Was dann, Frau Gürgen? Sind dann die Aufklärer auch Faschos?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."hoffen auf Aufklärung"?



    Wer ist der Souverän?!

  • Na super! Ich meine: Ein Pegida-Demonstrant, der Zugriff auf sensible Informationen hat – nicht auszudenken, was passiert, wenn der die Infos missbräuchlich verwendet, um Leute zu erpressen, die wichtige Dinge zu entscheiden haben…!

    Davon mal völlig abgesehen: Mir scheint, da werden gleichzeitig zwei uralte Fragen aufgeworfen.

    Die erste lautet: Wann ist der Staatsbeamte Mensch? Wo darf er‘s sein?

    Sieht aus für mich, als hätte dieser Typ „mit dem Deutschlandhut“ die Tür nicht richtig zu bekommen, die Dienst und Privatleben trennen sollte. Wer privat demonstriert, der darf ja eigentlich keine Privilegien nutzen, die ihm nur dienstlich zustehen. Auch dann nicht, wenn er – aus welchen Gründen auch immer – nicht öffentlich zwangsgeoutet werden mag.

    Schließlich gilt ja offiziell in einem Rechtsstaat wie dem unseren: Gleiches Recht für alle. Und dass G8- oder Anti-AKW-Demonstranten jemals irgendwo eine Polizeieinheit mobilisiert hätten zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte, ist mir bisher jedenfalls noch nicht berichtet worden. Es könnte also tatsächlich der Eindruck entstehen, die linken Tendenzen bei der Polizei wären nicht ganz so stark ausgebildet wie die rechten.

    Die weite Frage aber geht so: Was ist eigentlich mit dem Recht am eigenen Bild, wenn Journalisten glauben, die Demokratie wäre nur mit unautorisierten Bildern zu retten? Ich hab ja mal gehört, wenn zwei das gleiche täten wäre das noch lange nicht das Selbe. Die Guten, heißt es, dürften im Zweifel Dinge tun, die andere nicht tun dürfen.

    Nun frage ich mich allen Ernstes, wer wie genau festlegen soll, wer denn „die Guten“ sind, die gleicher als die anderen sein dürfen? Da, wo ich herkomme, ist es damals „die Partei“ gewesen. Die einzige, meine ich. Die, die vorher Opfer war und nachher wollte, dass sich so etwas nie mehr wiederholt...