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Polizeigewalt in den USASchwarzer bei Kontrolle erschossen

Im Zuge einer Verkehrskontrolle drückte ein Polizist den Kopf des 26-jährigen Patrick Lyoya zu Boden. Dann schoss er ihm in den Hinterkopf.

Grand Rapids, Michigan, USA, am 9. April: Zwei Aktivisten zeigen, wie Patrick Lyola erschossen wurde Foto: Daniel Shular/The Grand Rapids Press/ap

Grand Rapids/Washington dpa/ap | Einmal mehr ist ein Schwarzer Mann in den USA von einen weißen Polizisten erschossen worden. Der Polizist hatte bei einer Auseinandersetzung während einer Verkehrskontrolle den 26-jährigen Patrick Lyoya mit dem Gesicht nach unten zu Boden gedrückt und ihm dann in den Hinterkopf geschossen. Das geht aus vier Videos von dem tödlichen Zwischenfall in der vergangenen Woche hervor, die die Polizei am Mittwoch veröffentlichte.

Lyoya war am 4. April erschossen worden, nachdem ihn ein Polizist in Grand Rapids im US-Bundesstaat Michigan angehalten hatte. Grund war laut der Polizei, dass sein Nummernschild nicht zu seinem Auto passte. Eines der Videos, das die Polizei veröffentlichte, wurde von einer Person aufgenommen, die mit Lyoya im Auto saß.

Die Polizei machte nun mehrere Videos von dem Vorfall öffentlich: von der Körperkamera des Polizisten und der Kamera in dessen Wagen sowie von der Überwachungskamera eines angrenzenden Hauses und der Handy-Kamera des Beifahrers. Darauf ist der Ablauf der Szene zu sehen: Der Polizist fragte Lyoya demnach zunächst nach seinem Führerschein. Nach einer kurzen Unterredung versuchte der 26-Jährige, sich zu entfernen. Der Beamte rannte ihm nach und warf ihn in einem angrenzenden Vorgarten zu Boden. Es kam zu einem längeren Gerangel, bei dem der Beamte zunächst seinen Taser einsetzte, was Lyoya jedoch abwehrte. Am Ende zog der Polizist seine Waffe, während Lyoya unter ihm auf dem Boden lag, und schoss diesem von hinten in den Kopf.

Laut der Nachrichtenagentur ap versuchte Lyoya auch, den Elektroschocker des Polizisten zu fassen bekommen. Der Polizist sagte mehrfach „Lass los“ und forderte Lyoya während der Auseinandersetzung auch einmal auf, den Taser fallen zu lassen.

In den USA kommt es immer wieder zu tödlichen Polizeieinsätzen ähnlicher Art. Stellvertretend steht dafür der Fall von George Floyd: Im Mai 2020 war der Afroamerikaner bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Der weiße Beamte Derek Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Der Fall führte damals zu landesweiten Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus.

Auf die Frage eines Reporters, ob der Fall Lyoya nun Michigans Version des Falles Floyd sei, verwies der Polizeichef von Grand Rapids, Eric Winstrom, auf die laufenden Ermittlungen und sagte lediglich: „Ich sehe es als eine Tragödie.“

Der Beamte wurde beurlaubt. Nach bisherigen Erkenntnissen sei bei Lyoya keine Waffe gefunden worden. Vertreter der Stadt sprachen von einem „sehr bedauerlichen Ereignis“, das verständlicherweise Wut und Schmerz auslöse.

Der Vorfall hatte bereits vor Veröffentlichung des Videos zu neuen Protesten gegen Polizeigewalt geführt. Am Dienstagabend waren mehr als 100 Menschen zum Rathaus von Grand Rapids marschiert und hatten Parolen wie „Black lives matter“ skandiert.

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5 Kommentare

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  • Schwarze in den USA haben eine 4,7-fach höhere Inhaftierungsrate als anhand ihres Anteils an der Bevölkerung zu erwarten wäre. Sie erhalten für die gleichen Straftaten im Durchschnitt wesentlich höhere Strafen. Sie werden weitaus häufiger zum Tod verurteilt. Extrem auch der Einfluss der Hautfarbe der Opfer auf die Strafen: Bei einem weißen Opfer wird viel häufiger die Todesstrafe verhängt als bei einem schwarzen Opfer. Es gibt 12,4 % Afrokamerikaner und 60,1 % Weiße in den USA. An tödlichen Polizeischüssen starben 2021 234 Weiße und 139 Afroamerikaner. Ausgehend von 234 Todesopfern unter Weißen, hätte es bei Gleichverteilung nur 48 Todesopfer unter Schwarzen geben dürfen. Abgesehen von Inhaftierung und Tötung sind Afroamerikaner zudem auf allen Ebenen systematischer Polizeigewalt ausgeliefert. In der Ukraine-Krise wurde noch einmal direkt gezeigt, wie weiße Flüchtlinge gegenüber schwarzen Flüchtlingen aus Haiti in kaum noch steigerbarer Art und Weise vorgezogen werden. Wir haben es hier mit systematischem, die gesamte Gesellschaft prägenden Rassismus zu tun. Absolut alle schwarzen Mütter und Väter müssen ihren Kindern früh beibringen, dass eine Polizeikontrolle potenzielle Lebensgefahr bedeutet. Schwarze Kinder müssen lernen, wie sie in einer systematisch rassistischen Gesellschaft leben und überleben können. Die Überzeugung vieler in der westlichen Welt, in einer freiheitlichen und die Menschenrechte einhaltenden westlichen Wertegemeinschaft zu leben, ist in sich bereits Ausdruck von Rassismus und weißem Überlegenheitsdenken. Denn diese Behauptung kann nur jemand tätigen, der den systematischen Rassismus ausblendet, leugnet oder für nicht so schlimm hält. Wie sonst könnte man sich unter diesen Voraussetzungen als Wertegemeinschaft definieren? Die Opfer des Rassismus werden durch solche Eulogien täglich verspottet. Die Botschaft lautet: Ihr zählt nicht!

  • Seit vielen Jahren befürworte ich den privaten Boykott touristischer Reisen in Staaten auf der schwarzen Liste für humane Wertekodizes als Teil der Unterstützung im Kampf gegen extrem gewalttätige Gesellschaften, gegen Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, und gegen offen rassistisch agierende Zivilgesellschaften, in denen staatliche Gewalt und tödliche Übergriffe der Polizei Bedrohungen des täglichen Lebens sind, bleiben oder werden. Staaten und ihre BestimmerInnenklasse, die gegen die Menschenrechtskonvention permanent und mit System verstoßen, dürfen nicht noch hofiert werden durch Devisentransfers oder devote Verbeugungen vor ProtagonistInnen rassistischer Gewalt, die gefeiert werden als NestorInnen moderner Demokratie. Die Schnittmengen der genannten Kriterien für die USA sind bedenklich, Einreisen für mich auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen. Der 45. US-Präsident hat die Spaltung vertieft, der 46. US-Präsident ist jetzt gefordert.



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    youtu.be/5wWYEcJg_xI//



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    taz.de/Rassistisch...-den-USA/!5237291/



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    www.sehepunkte.de/2011/12/19662.html



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    taz.de/Sachbuch-ue...-den-USA/!5411851/



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    taz.de/Glaude-uebe...-den-USA/!5717205/



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    taz.de/US-Historik...uli-1776/!5038502/



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    taz.de/Debatte-um-...lstuerze/!5688364/



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    taz.de/Zwei-Sachbu...assismus/!5487379/



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    DAS TAZ-ARCHIV BESTÄRKT MEINE MEINUNGSBILDUNG ZUM MULTILATERALISMUS BEI DER LÖSUNG GLOBALER PROBLEME IN MENSCHENRECHTSFRAGEN🕊🏳️‍🌈☮

  • Ein Nummernschild, das beanstandet wird, endet mit einem tödlichen Hinterkopfschuß. Wo leben wir? Und bei uns ist Schwarzfahren - besser: Fahren ohne Fahrschein immer noch eine Straftat. Was geht da ab? ...Die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen...Wird das auf der Polizeischule gelehrt und geübt...? Macht mich einfach nur wütend!

  • Solange ein Polizist nicht eine akute Lebensgefahr für Dritte oder sich selbst abwehren muss, ist ein tödlicher Einsatz der Dienstwaffe völlig daneben.

    Klar könnte man argumentieren, dass sich das Opfer sehr unklug verhalten hat und zur Eskalation wohl auch einen Beitrag geleistet hat. Das entschuldigt aber rein gar nichts.