Polizeigewalt im Hambacher Forst: In die Attacke gestolpert
Beim Protest gegen Braunkohleabbau wurde ein Filmemacher 2016 minutenlang mit dem Gesicht in den Boden gedrückt – ohne Konsequenzen für die Polizei.
A m Telefon klingt Todde Kemmerich fast übermütig: „In Minneapolis wollen sie die Polizei in der jetzigen Form abschaffen. Ich würde gern daran mitwirken, dass das in Aachen auch passiert.“
Damit nicht mehr so leicht möglich ist, was ihm zugestoßen ist.
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Kemmerich ist 53 Jahre alt, seine dünnen braunen Haare mit den grauen Strähnchen hat er hinten zu einem kleinen Dutt zusammengebunden. Auf dem Sofa seiner Aachener Wohnung fällt eine große, schick gestaltete Papp-Baggerschaufel auf. Sie kam neulich, erzählt er, mit zehn anderen Design-Schaufeln in Essen bei einer Demo zur RWE-Hauptversammlung zum Einsatz. „Das ist ein Projekt der Aachener Gruppe von Artists for Future. Wir sind die künstlerische Unterstützung für Fridays for Future“, sagt er.
Jetzt aber geht es um eine andere Aktion. Sie beginnt im Hambacher Wald am Morgen des 3. Dezember 2016 – und prägt Kemmerichs Leben bis heute: Zu Beginn der Rodungssaison, so erzählt es der Filmemacher, hatte sich die Antikohleszene damals die Aktion Adventskalender ausgedacht: Jeden Tag ein neues Stückchen Widerstand. An jenem Morgen öffnet sich Türchen 3, Protestfrühstück morgens um 6.30 Uhr vor der Zufahrt zum Braunkohlegelände. Eine genehmigte Demo.
Die RWE-Wagen müssen umkehren
Kemmerich startet den Film dazu, er hat ihn damals gedreht: Man sieht Asphalt, auf dem zwei Dutzend Kerzen flackern. Etwa 30 Leute haben sich bei warmer Mandelmilch, Kaffee und Brötchen versammelt. Jemand sagt: „Unsere Barrikaden sind gedeckte Frühstückstische.“ Es ist Michael Zobel, der umtriebige Naturführer, der seit sechs Jahren monatlich Hambach-Spaziergänge macht, meist mit Hunderten Menschen. Lichter einer Kolonne von RWE-Fahrzeugen tauchen auf. Die Wagen müssen wieder umkehren.
Ingo Mitschke, Kontaktbeamter der Polizei Aachen
„Das haben wir natürlich ein bisschen gefeiert“, erinnert sich Kemmerich in seinem Aachener Wohnzimmer. Im Film hört man nun im Hintergrund Ingo Mitschke sprechen. Er ist der Polizei-Kontaktbeamte; der bei solchen Events oft dabei ist, man kennt sich, er ist geduldet. Mitschke telefoniert, offenbar wegen der RWE-Laster: „Was wollen die hier? Das gibt doch Bilder, die wir nicht wollen.“
Für die Bilder sorgt Todde Kemmerich mit seiner Kamera. Er ist bester Laune. Das wird sich zwei Stunden später schlagartig ändern.
Kemmerich ist ein wacher Gesprächspartner, seine Antworten sind pointiert und blitzschnell. Ein Mensch mit besonderer Persönlichkeit: „In einer psychosozialen Klinik wurde ich mal als high sensitive diagnostiziert“, erzählt er. Der IQ-Test habe „ein exorbitantes Ergebnis“ gebracht. „Diese Ergebnisse erklären vieles in meinem Leben: dass ich auf so vieles so schnell reagiere, vieles so unnötig finde und halt widerständisch bin.“
Seine Widerstandsfähigkeit wird am Morgen dieses 3. Dezember 2016 auf eine harte Probe gestellt. Nach dem Frühstück seien mehrere Gruppen „zu einem kleinen Waldspaziergang“ aufgebrochen, sagt Kemmerich. Es habe keine Absperrungen und keine Hinweisschilder zur Rodung gegeben. Ein Detail, das noch wichtig sein wird. Auch der Kontaktbeamte Mitschke geht mit, allerdings nicht in Kemmerichs Gruppe.
Die Polizisten kommen langsam näher
Film ab: Es ist kurz nach 9 Uhr, Bilder aus dem winterlichen Wald ziehen vorbei. Bald tauchen ein paar Polizisten in Kampfmontur auf, daneben zwei RWE-Sicherheitsleute mit gelben Westen. Kemmerich dreht mit der Kamera vor dem Bauch für seinen Film „Eine Reise in die UnteRWElt“. Dabei kommentiert er mal provozierend, mal spöttisch, vielleicht 15 Meter entfernt von den Beamten: „Sie schützen hier ein Umweltverbrechen. Sie spielen hier den Werkschutz für RWE.“ Ein Polizist erwidert: „Sie entfernen sich jetzt.“ Darauf Kemmerich: „Es ist nicht verboten, hier zu sein.“
Man sieht, wie die Beamten langsam näher kommen. Kemmerich geht genauso langsam rückwärts, weiter filmend. „Ich entferne mich schon, keine Sorge“, sagt er noch, deutlich vernehmbar. Er wirkt aufsässig, aber nicht beleidigend und schon gar nicht gewaltbereit. Da passiert es: Aus dem Nichts stürzt ein Beamter aus dem Hintergrund schräg rechts auf ihn los. „He, was soll das?“, schreit Kemmerich noch.
„Sieh dir das an“, sagt er jetzt in seinem Wohnzimmer vor dem Videoscreen, „wie ein Footballspieler. Der ist einfach ausgerastet und wollte mir wohl das Maul stopfen.“
Die Bilder brechen ab, der Ton bleibt noch ein paar Sekunden. Man hört Stöhnen und schrille Schreie: „Aua, Sie tun mir weh … ich habe Ihnen nichts getan … hören Sie auf … auuuh.“ Dann endet auch der Ton. Die Kamera ist zwischen Kemmerichs Brustkorb und dem harten Waldboden zerbrochen.
Ein halbes Dutzend Zeugen
Es gibt ein halbes Dutzend Zeugen, wenige Meter entfernt. Und es gibt einen zweiten Film, aufgenommen aus der Gegenrichtung, der das weitere Geschehen dokumentiert. Einer der RWE-Männer mit gelber Weste hat die Szene eingefangen; Kemmerich kennt das Opus, es gehört zu den Beweisstücken aus den Klageakten.
Todde Kemmerich, Opfer polizeilicher Gewalt
Der Polizist, erzählt Kemmerich, habe auf ihm gesessen, zwei andere seien sofort dazugekommen. „Die haben mit dem Schlagstock auf mich eingedroschen, bis das Stativ im Rucksack zerbrochen ist. Als meine Arme mit Kabelbinder auf dem Rücken fixiert waren, wurde ich umgedreht und bekam von zwei Beamten noch zwei Faustschläge von schräg hinten gegen die Wangenknochen.“
Kemmerich holt tief Luft. „Als ich den Film vom Mord an George Floyd gesehen habe, bekam ich sofort Nackenschmerzen, und die sind geblieben. Bei mir war es ja ganz ähnlich, der hat mit seinen dicken Handschuhen meinen Nacken zugedrückt, den Kopf mit Gewalt in den Boden gedrückt, alles auch minutenlang.“ Er vergräbt sein Gesicht. „Tut mir leid.“ Er schluchzt.
Kemmerich sagt, es sei seine erste Gewalterfahrung gewesen. Mit 53. Er sei rabiat weggetragen und zwei Stunden in einem Gefangenen-Transporter festgehalten worden. Von dort aus habe er den Attacke-Polizisten und den hinzugeeilten Kontaktbeamten Mitschke heftig gestikulieren gesehen, „offenbar im Streit“, vermutet er. Schließlich seien ihm alle konfiszierten Sachen zurückgegeben worden. „Auch die defekte Kamera samt Chip. Ganz schön blöd, oder? Sonst hätte ich heute keine Videobeweise.“
Schädel-Hirn-Trauma, Prellungen und Hämatome
In Aachen ging Kemmerich sofort ins Krankenhaus. Diagnostiziert wurden ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere Prellungen und Hämatome, dazu eine Verstauchung der Halswirbelsäule. Eine Therapie gegen die posttraumatische Belastungsstörung dauerte vier Monate. Ein gutes Vierteljahr war Kemmerich arbeitsunfähig. „Diese Ohnmachtserfahrung“, sagt er, „das haut dich wirklich um. Da war kein normales Leben mehr. Ich hatte wochenlang nicht mehr das Gefühl, dass ich das bin.“
Und dann? Mahlten die Mühlen der Justiz. Zuerst gegen ihn: Kemmerich, das Opfer, wurde mit Anzeigen überzogen. Wegen Hausfriedensbruch im Wald, Widerstand gegen Vollzugsbeamte, Aufruf zu Straftaten. Sechs Verfahren wurden es. Vier endeten mit Einstellung, zwei mit Freispruch.
Gegenanzeigen? „Klar“, sagt Kemmerich, „so etwas muss Konsequenzen haben“. Er wartet bis heute darauf.
Der Name des attackierenden Beamten ist der taz bekannt, in diesem Artikel soll er Dieter Z. heißen. Es handelt sich um den Führer einer Einsatzhundertschaft, einen Polizisten mit Vorbildfunktion also; in den Akten wird er als EPHK bezeichnet, die Abkürzung steht für Erster Polizei-Hauptkommissar. Zur Tatzeit ist Z. 54 Jahre alt. Im Februar 2017 zeigt Kemmerich ihn und die anderen Beamten bei der Staatsanwaltschaft an, wegen Körperverletzung im Amt und Beihilfe, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung.
Unverhofftes Wiedersehen
Anderthalb Jahre lang passiert nichts. Dann werden Kemmerichs Zeugen befragt. Und auch die Polizisten. Von wem? Von Polizisten. Sie gehören derselben Dienststelle an und formulieren das Protokoll im kollegialen Du. Kemmerichs Kölner Anwalt Harald Bock sagt: „Polizisten fragen beschuldigte Polizisten – so was gehört dringend geändert. Das muss eine neutrale Stelle machen. Hier treffen sich Kollegen aus derselben Einheit vielleicht mittags in der Kantine – und zum Nachtisch gehen sie mal eben die Befragung machen?“
Zuvor, am 1. Dezember 2017, hatte Todde Kemmerich den Aachener Weihnachtsmarkt besucht. Plötzlich hörte er, wie jemand ihn ansprach: „Ach, wir kennen uns doch.“ Es war Dieter Z., unterwegs auf Streife mit einem Kollegen. Zu dem, sagt Kemmerich, habe Z. gesagt: „Das ist der Aggressor aus dem Wald.“ Vielleicht habe sich der Polizist „vor seinem Kollegen dicke tun wollen“, überlegt Kemmerich. „Jedenfalls eine Unverschämtheit. Was quatscht der mich in aller Öffentlichkeit an, traumatisiert mich wieder!?“ Kemmerich beschwert sich beim Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach, einem Mann mit grünem Parteibuch. Eine Antwort gibt es nicht.
Warum? Die Polizei schreibt auf taz-Anfrage: Kemmerich habe „mehrere klärende Gespräche mit dem ihm bekannten Kontaktbeamten geführt“ und dann „abschließend auf eine schriftliche Bescheidung seiner Beschwerde verzichtet“. Kemmerich ist baff. Er habe zwar mit dem Mann gesprochen, „aber immer informell und zwischendurch“. Beschwerde zurückgezogen? „Warum sollte ich? So ein Schwachsinn.“
Hauptkommissar Z. wird bald nach dem Weihnachtsmarktvorfall in den Innendienst versetzt. Die Polizei schreibt, dies sei „nicht aus dienstrechtlichen Gründen oder aufgrund mangelnder Führungskompetenz“ erfolgt. Es handele sich um eine übliche Umbesetzung. Und: „Es spricht auch nichts dagegen, dass der Beamte wieder seine alte Tätigkeit aufnehmen könnte.“
Und worum ging es bei der Debatte zwischen dem Polizei-Kontaktbeamten Ingo Mitschke und dem Ersten Polizei-Hauptkommissar Dieter Z. im Wald, damals, am 3. Dezember 2016? Im Telefongespräch mit der taz sagt Mitschke, es habe keinen Streit gegeben: „Nein, das hätte man aus dem Wagen auch nicht sehen können.“ Mit Z., den er als „einen guten Kollegen, immer mit Herzblut dabei“, beschreibt, habe er „ruhig gesprochen, wie Herrn Kemmerichs Platzverweis am besten umgesetzt wird, wie wir ihm helfen können. Es ist ja meine Aufgabe, deeskalierend, friedlich und kommunikativ unterwegs zu sein.“
Wurde der Filmemacher verwechselt?
Was mag einen erfahrenen Beamten wie Z. geritten haben? Steckt hinter der Attacke so was wie Political Profiling? Kemmerich überlegt: „Sicher nicht offiziell. Aber da sind die Verfassungsschutzaussagen von den angeblich linksextremistischen Waldbesetzern im Hambi. So serviert man ein schönes Feindbild. Und es herrscht großer Korpsgeist.“ Und, sagt er, wenn Medien unreflektiert Polizeimeldungen abschrieben, „verstärkt sich das Bild von den angeblich monstervielen Straftaten im Wald. Ich habe bei Polizeikontakten im Wald festgestellt, wie ahnungslos die Beamten sind: Was ist hier Betriebsgelände, was frei zugänglicher Wald, warum der Einsatz? Und dann wird so verfahren: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, erteil ich einen Platzverweis.“
Oder ist alles gezielter gewesen, als man denkt? Todde Kemmerich schaltet den Film aus dem Hambacher Wald noch einmal ein. Als sich Dieter Z. auf Kemmerich stürzt, hört man einen bemerkenswerten Kurzdialog. Polizist: „So, Herr Zobel …“ – Kemmerich: „Ich heiße nicht Zobel …“ – Polizist: „Oh, Scheiße …“ Kemmerich klickt auf Pause: „Großartig, oder?“
Sollte hier ein anderer abgestraft werden für sein jahrelanges Engagement gegen den Tagebau? Natürlich nicht, sagt eine Polizeisprecherin auf taz-Nachfrage: „Das war einfach eine Verwechslung.“ Die muss man allerdings erst einmal hinbekommen: Zobel ist ein Trumm von einem Mann, fast zwei Meter groß; Kemmerich dagegen ist drahtig, schmal – und einen Kopf kleiner.
Ermittlungsverfahren eingestellt
Juli 2018. Der zuständige Staatsanwalt Jost Schützeberg stellt das Ermittlungsverfahren gegen die Polizisten ein, „weil kein Tatnachweis zu führen ist“. Die Aussagen der beschuldigten Beamten seien „schlüssig“. Es habe gar keine Gewalt gegeben.
Dieter Z. gab an, er sei gestolpert, als er auf Kemmerich zulief. Und: Er habe ihn nur festhalten wollen. Festhalten – nachdem ein Kollege Kemmerich Sekunden vorher angewiesen hatte, er möge sich entfernen.
Und die belastenden Videobilder? Auf Nachfrage stellt sich heraus: Der Staatsanwalt hatte das Beweismittel ignoriert. Kemmerich legt Rechtsbeschwerde ein. Im Oktober 2018 schließlich sehen sich Kemmerich, sein Anwalt und der Staatsanwalt das Video gemeinsam an. „Der wirkte ernsthaft betroffen“, sagt der Anwalt heute über den Staatsanwalt. Schützeberg teilt nun mit, er wolle das Ermittlungsverfahren wieder aufnehmen. Kurz darauf ein Karrieresprung: Er wechselt zur Generalstaatsanwaltschaft nach Köln. Und hat die Causa Kemmerich vom Tisch.
Mehr als ein Jahr passiert wieder nichts. Am 10. Dezember 2019 stellt Schützebergs Nachfolger, Staatsanwalt Georg Blank, das Verfahren erneut ein. Mit einer, wie Anwalt Bock sagt, „völlig ungehörigen Begründung“. Blank, laut Justiz-Website „zuständig für Verfahren mit politischem Hintergrund und Staatsschutzsachen“, erhebt sich darin über ärztliche Gutachten: Es sei „nicht zu erwarten (gewesen), dass sich ein derart traumatisches Empfinden einstellen könnte, so dass sich die Festnahme auch insoweit nicht als unverhältnismäßig erweist“. Selbst wenn Kemmerich „das Geschehen im Nachhinein als besonders belastend empfindet, berührt dies die Rechtmäßigkeit der Zwangsanwendung nicht“.
„Für meinen Mandanten“, sagt Anwalt Harald Bock, „ist es ein neuer Schlag ins Gesicht, so etwas lesen zu müssen.“
Beweismittel ignoriert
Am 23. Dezember 2019 legt Kemmerich erneut Rechtsbeschwerde ein. Bis heute ohne Reaktion. Der taz indes liegt ein zweiseitiger interner Aktenvermerk des Staatsanwalts Blank vor, datiert auf den 7. Januar 2020. „Die Schläge mit dem Einsatzstock“ hält Blank aufgrund der Polizeiaussagen für ausgeschlossen. Trotz entsprechender Atteste bezweifelt er Kemmerichs „zahlreiche schwerwiegende Verletzungen“. Diese seien „fernliegend“. Seine Schlussfolgerung: „Maßnahme … nicht unverhältnismäßig.“
Diese Einschätzung ging an die Beschwerdestelle bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln. Blank hätte der Beschwerde nur stattgeben können, sie zurückweisen kann nur Köln. Erklärend äußern will er sich gegenüber der taz nicht. Er schreibt: „Prognosen zur voraussichtlichen Dauer des bislang nicht abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens werden nicht abgegeben.“
Mehrfach schreibt Blank in seinem Vermerk vom „Rodungsbereich“, den Kemmerich trotz Aufforderung nicht verlassen habe. Das Video dokumentiert, dass das Wort nie gefallen ist. Mit einer Ausnahme: Hätte Staatsanwalt Blank genau hingehört, hätte ihm während der Festnahme ein Polizeibeamter auffallen können, der über Funk sagt, vermutlich zu einem Kollegen: „Wir wissen nicht, wo der Rodungsbereich ist.“
Kein Gericht überprüft den Fall
Ende Dezember 2019 verklagt Kemmerich das Land Nordrhein-Westfalen als Dienstherrn der Polizeibeamten zivilrechtlich auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Kemmerich erzählt, er lese viel über Polizeigewalt. Er zitiert einen Beamten aus Berlin, ebenfalls Leiter einer Einsatzhundertschaft, der kürzlich der Zeit gesagt hat: „Wir haben eine sehr gute und sensible Polizeiausbildung. Ich kenne nur wenige Videoaufnahmen oder Zeugenaussagen zu unrechtmäßiger Gewalt durch Polizeibeamte. Wer bei uns meint, Polizisten seien unzulässig eingeschritten, kann das melden und Gerichte überprüfen es.“
Das mache ihn fassungslos, sagt Kemmerich. „Von wegen: Gerichte überprüfen es. Es ist genau nicht so.“
Jährlich, schätzen Kriminologen, werden rund 2.000 Fälle von Polizeigewalt angezeigt. Nicht einmal 2 Prozent davon landen vor Gericht. „Den Ermittlungs- und Vollstreckungsbehörden zumindest in Aachen“, sagt Todde Kemmerich, traue er „inzwischen keinerlei rechtsstaatliche Handlungsweisen mehr zu. Sie versuchen gemeinsam, alles weit unter den Tisch zu kehren.“
Er aber „will endlich aus dieser Scheiß-Ohnmacht heraus. Und das geht nur, wenn gegen diese gewalttätigen Herren endlich etwas gemacht wird.“
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