piwik no script img

Polizei und Gewalt beim G20-GipfelPolizei gab zu hohe Verletztenzahl an

Nur halb so viele Beamte wurden in Hamburg verletzt wie von der Polizei behauptet. In 35 Fällen wird gegen Polizisten ermittelt, meist wegen Körperverletzung.

Ruhen sie sich nur aus? Oder gelten sie schon als verletzt? Foto: dpa

Hamburg afp/taz | Nach den Ausschreitungen und großangelegten Polizeieinsätzen am Rande des Hamburger G20-Gipfel ermitteln die Behörden in bislang 35 Fällen gegen Polizisten. 27 Verfahren würden wegen Körperverletzung im Amt geführt, erklärte die Innenbehörde der Hansestadt am Freitag. Unterdessen zeigte eine Analyse von Buzzfeed, dass nur halb so viele Beamte bei den Protesten verletzt wurden, wie bisher behauptet.

Nach Angaben der Hamburger Innenbehörde wurden sieben der bislang anhängigen Verfahren gegen Polizisten von Amts wegen eingeleitet, darunter vier wegen Körperverletzung im Amt. „Erfahrungsgemäß“ werde die Zahl der Verfahren in den folgenden Tagen noch steigen.

Unabhängig davon lagen dem Verwaltungsgericht der Hansestadt zwei Klagen von Betroffenen gegen Ingewahrsamnahmen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel vor. Nach Angaben einer Sprecherin handelte es sich dabei aber nur um erste Rückmeldungen. Eine systematische Erfassung aller Verfahren mit G20-Bezug lag demnach nicht vor.

Rund um den zweitägigen Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 20 großen Industrie- und Schwellenländer in Hamburg hatte es in der vergangenen Woche trotz des Einsatzes von rund 20.000 Beamten schwere Krawalle sowie Blockadeaktionen von Demonstranten gegeben. Wie viele Protestierende verletzt wurden, ist unbekannt.

Von der Polizei hieß es zunächst 476 Beamte seien bei den Protesten verletzt worden. Wie Buzzfeed mit Bezug auf das bayerische Innenministerium und weitere Polizeibehörden berichtet, waren diese jedoch in der „erweiterten Einsatzphase“ – also zwischen dem 22. Juni und dem 10. Juli – verletzt worden und erkrankt. Während des Gipfels und an den Protesttagen wurden 231 verletzt, also weniger als die Hälfte. Mehr als 95 Prozent aller Polizisten konnten nach Behandlung vor Ort weiter arbeiten – nur 21 der 476 waren auch am Folgetag nicht einsatztauglich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Es wäre eigentlich ja auch noch ganz schön, wenn die neueren Aussagen zu der Zahl der "durch Fremdeinwirkung vorsätzlich verletzten Beamten", welche im Innenausschuss am 19-07. von Dudde auf 592 angehoben wurde.

    Besonders der Aspekt der "vorsätzlichen Fremdeinwirkung" wäre dabei zu hinterfragen, wenn es zuvor ja hieß, dass viele Verletzungen ja dann doch Kreislaufschwäche waren und friendly fire Reizgas oder das Zurückwerfen von Gaskartuschen ja auch der Gegenseite zugeschrieben wird.

  • G20: Ein Beobachter erzählte mir: Am 06.07.17 fragt ein Truppführer am Fischmarkt seinen schwarzen, behelmten Trupp: "hat jemand Gas abgekriegt?" Zwei melden sich. Truppführer darauf: "Also alle".

  • Abgesehen von einer derart unglaublichen Lügen-PR der Polizeiführung bzgl. der "verletzen Einsatzkräfte, die zudem auch noch "95 Prozent am nächsten Tag wieder einsatzfähig" waren - was ja von schwersten Verletzungen zeugt, muss man von den 231 "Verletzten" noch die 130-133 (je nach Medium) hessischen Beamte abziehen, die sich mit ihrem eigenen Reizgas verletzt haben.

     

    Laut Polizeisprecher Vehren enthalten die Verletztenstatistiken außerdem auch einsatzbedingte Ausfälle, die nicht auf Gewalteinwirkung zurückgehen, etwa Dehydration, Kreislaufprobleme und weitere Erkrankungen. Auch die hohen Temperaturen während des Einsatzes hätten den Beamten zugesetzt und für Ausfälle gesorgt, die sich in der Statistik niedergeschlagen hätten

     

    Bleibt ja an "Alternativen Fakten" seitens der Polizeipresse nicht mehr allzu viel übrig, wenn ich mich nicht irgendwo völlig verrechnet haben sollte.

     

    Die zum Teil erheblich und Schwerstverletzen auf Seiten der Demonstranten tauchen in den meisten Medien dafür zum Teil nicht einmal ansatzweise auf. (Eilige Intuition)

  • Nur 21 ? Na da sind wir aber beruhigt.

    Auch hier gilt: Augen auf bei der Berufswahl. http://www.asterix.com/imgs/perso2-8.png

    "Komm zur Legion haben sie gesagt ..."

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ich denke schon, dass sich so mancher Polizist, von diesem Einsatz in Hamburg, eine Sehnenscheidenentzündung durch exzessives Prügeln zugezogen hat.

    Nennt man Berufskrankheit.

  • Dafür hat die Polizei ja schließlich auch wieder mal die Zahl der Teilnehmer an den Demos deutlich runtergerechnet. Passt scho! Erstmal Pressesprecher Nachricht raushauen lassen. Ungefähr. Irgendwie, oder so. Im Sinne der Auftraggeber.

  • Das traurige daran ist ja, dass viele Leute diese Zahlen sofort und völlig unreflektiert übernehmen.

     

    Bei vielen Menschen ist leider immer noch das Bild des Freund und Helfers stark verankert, das zumindest bei Demo-Einsatzkräften völlig unangebracht. Da wäre eine passendere Bezeichnung staatliche bezahlte, obrigkeitshörige

    Provokateure und Gewalttäter.

     

    Und ja ich weiß das klingt jetzt vielleicht ganz schön polemisch, und es gibt sicher auch nette Polizisten, nur bringt das leider nichts wenn diese netten Polizisten dann menschenverachtende Befehle ausführen müssen und werden. Dann kann ich nur sagen, selbst Schuld, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet.

     

    Wie sagte einst das Känguru so schön ein Idiot in Uniform bleibt immer noch ein Idiot...

    • 7G
      78110 (Profil gelöscht)
      @Hara Nasari:

      Allerdings bekam das Känguru daraufhin auch den Hinweis, dass ein Idiot in Uniform "immer noch in Uniform" sei.

  • (Auch wenn ich's schon andernweitig erwähnte):

     

    Auch schon bei den Castortransporten hatte die Polizei mit diesen Verletztenzahlen ge...-äh, also, dass sich selbst die dicksten Eichen im Wald des Grafen im Wendland bogen.

    Da wurden dann so Sachen, wie "Eingeklemmter Finger in der Autotür des Streifenwagens" oder Beamte die bei einem Auffahrunfall zwischen Panzerwagen und Wasserwerfer schwer! verletzt wurden, kackfrech in die Zahlen aufgenommen.

    Auch jene Beamten, (Es waren mehrere!), die bei rollendem Wagen aus den offenen Türen fielen.

    Einen besonders skurielen Fall gab es in Lüneburg: Dort hatte ein Beamter bei offener Tür und flotter Fahrt, die radfahrende Aktivistin "Eichhörnchen" auf ihrem fahrenden Fahrrad umgestoßen, so dass diese schwer stürzte und beim Aufprall ohnmächtig wurde. Dabei war der Beamte selber aus dem Wagen gestürzt und von diesem überrollt worden. Schuld war laut Polizei dann die vom Rad gestossene junge Frau.

    In der Nachbetrachtung hatte sich herausgestellt, dass ALLE! Schwerverletzten, bei ALLEN Castortransporten, (bis auf eine unklare Ausnahme), von Polizeibeamten verursacht wurden.

  • Eine überhöhte Anzahl von Verletzten anzugeben ist bei der Polizei gute Tradition.

    Die Lüge 2007 bei G8 in Rostock lautete: 41 schwer verletzte Polizisten. Die Wahrheit: 1

     

    Der Polizeisprecher damals: "Wenn wir das jetzt zurücknehmen würden – wie könnte man das noch verkaufen?" https://www.heise.de/tp/features/Opferzahlen-der-Randale-in-Rostock-weit-uebertrieben-3413858.html

     

    Dass viele der Verletzten ihre eigene Chemie abbekommen haben wurde ja schon genannt. In Rostock gab es viele Hand-Verletzungen. In Hamburg ebenfalls? Leider gibt es nie Angaben, wie es dazu kam.

    • @markstein:

      Wenn man den ganzen Tag auf Terroristen ..... ääh, Demonstranten einprügelt, kann man sich schon mal blaue Flecken an der Hand holen. Der Polizist gilt dann wahrscheinlich als "von linken Gewalttätern in heldenhafter Ausübung seiner Pflicht" verletzt. Die Zivilisten haben ja selbst Schuld, hätten ja zuhause bleiben können.

  • 3G
    39756 (Profil gelöscht)

    Tja. Zuwenig infos... In einem anderen Artikel vor ein paar Tagen stand zB. das vn 150 Verletzten einer Polizeiabteilung 130 vom eigenen Gas "verletzt wurden. Sicher sind es 1000 Demonstrnten, die auch vom Gas "verletzt" wurden..

    Und wieviel Polizisten in Zivil wurden bereizgast?? Würde ich auch gern wissen. Sowieso interessiert mich sehr, wieviele verdeckt arbeitende Polizeibeamte überhaupt in den demos im Einsatz waren.

    • @39756 (Profil gelöscht):

      Das wäre in der Tat interessant dazu Zahlen zu bekommen.

       

      Dann könnte mensch sich auch mal ein Bild über das Ausmaß machen. Aber das ist ja aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht.

       

      Drei Personen waren es auf jeden Fall, wie aus einer Videoaufnahme hervorgeht. ;-)

  • Der Zynismus der Bildunterschrift ist unerträglich und kennzeichnend dafür, wes Geistes Kind der Autor ist.

    • @Trabantus:

      Das Sie einen lügenden und gewalttätigen Bullenapparat verteidigen zeigt auch wessen Geistes Kind Sie sind...

      • @Neinjetztnicht:

        einfach nur schlimm wie hier gehetzt wird. Und da sagt man doch immer Hetze und Hass kommen von Rechtsradikalen, weit gefehlt. Sie kommt genauso von links. Und nochmal: wer hatte zur Demo "Welcome to Hell" aufgerufen und applaudierte zur Gewalt noch am nächsten Tag ? Ach ja, der liebe schwarze Block wollte ja nur Gänseblümchen verteilen....

        • @Klartexter:

          Wen meinen Sie jetzt mit Hetze, Trabantus, oder mich? Trabantus "hetzt" gegen den/die Author*in des Artikels, ich zahle es mit gleicher Münze heim.

          Und das die Bullen viel und ausgiebig gelogen haben ist ja wohl keine Hetze sondern eine Tatsache die mensch nicht häufig genug schreiben kann.

           

          Und wer zum Geier hat Ihnen erzählt, es gebe Links keinen Hass?

  • Tja, und von der Hälfte kann mensch nochmal mehr als die Hälfte abziehen:

    http://hessenschau.de/panorama/130-hessische-polizisten-durch-reizgas-leicht-verletzt-,polizisten-traenengas-100.html

     

    "Friendly fire" zählt ja irgendwie nicht...

     

    Das dagegen keine Verletztenzahlen existieren... irgendwie komisch. Mensch könnte ja auf den Gedanken kommen, dass die Gewaltäter*innen doch hauptsächlich aus den Reihen der Riot-Cops kommen.

    • @Neinjetztnicht:

      Und bevor jetzt wieder ein Spezi ankommt: das waren zu 99% keine Aktivisten. Den selben Vorwurf gab es in Franfurt bei der EZB Eröffnung auch und das war ebenso quatsch.