piwik no script img

Politologe über US-Wahlkampf„Gegen Bush ist Clinton im Vorteil“

Jeb Bush will als dritter Bush ins Weiße Haus. Stanford-Professor David Brady über Hillary Clinton, den Kampf bei den Republikanern und Herzensbrecher Obama.

Voll im Wahlkampfmodus: Hillary Clinton. Foto: reuters
Rieke Havertz
Interview von Rieke Havertz

taz: Jeb Bush möchte als dritter Bush gerne Präsident der USA werden. Neben ihm haben schon zehn weitere republikanische Politiker ihre Kandidatur verkündet. Ganz schön unübersichtlich.

David W. Brady: Und mindestens fünf Kandidaten werden wohl noch folgen. Herrje, ich überlege, ob ich kandieren soll …

Mehr als ein Dutzend Politiker bei den Republikanern kämpfen darum, eine Chance aufs Weiße Haus zu bekommen. Ist das gut für die Demokratie?

Es ist ganz hervorragend, wenn ich Demokrat bin. Denn die Kandidaten der Republikaner werden sich gegenseitig fertigmachen. Und viele von ihnen werden extrem nach rechts rücken, um die Nominierung ihrer Partei zu bekommen.

Hillary Clinton, die aussichtsreichste Kandidatin bei den Demokraten, kann sich zurücklehnen und entspannen?

Durchaus. Mein Lieblingsmoment in diesem Vorwahlkampf wird sein, wenn die republikanischen Kandidaten in South Carolina auftreten und ein Reporter fragt: „Wie viele von Ihnen glauben, dass eine Abtreibung eine zu viel ist?“ Alle werden aufstehen, denn South Carolina ist ein Staat mit mehrheitlich konservativen, religiösen Menschen. Niemand kann als Republikaner dort öffentlich für Abtreibung sein. Wenn man Demokrat ist, kann man sich das in Ruhe anschauen. Hillary wird am Ende keine großen Probleme haben, auch, wenn sie im Land nicht besonders beliebt ist.

Warum gilt ihre Kandidatur und dann ihr Sieg im November 2016 derzeit dennoch als aussichtsreich?

Es gibt sehr viele Menschen, die eine Frau im Weißen Haus sehen wollen und außer Hillary Clinton gibt es niemand anderen.

Bild: www.gsb.stanford.edu
Im Interview: David W. Brady

ist Professor für Politikwissenschaften und Politische Ökonomie an der Eliteuniversität Stanford in Kalifornien, USA. Er beschäftigt sich in seinen Forschungen schwerpunktmäßig mit dem US-Kongress, der Parteienlandschaft in den USA und den Auswirkungen der zunehmenden Polarisierung zwischen Republikanern und Demokraten.

Die Republikaner sind also chancenlos?

Das Gute an diesem großen Kandidatenfeld ist, dass man erkennen kann, wer eine gute Strategie hat. Scott Walker, (Anmerkung der Redaktion: Gouverneur in Wisconsin), Ted Cruz (Senator in Texas) und andere werden sehr früh sehr schnell versuchen, viel Aufmerksamkeit zu bekommen und auch jetzt schon viel Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen. Für Jeb Bush zählt nur eine Vorwahl: die allererste in New Hampshire im Februar 2016. Wenn er dort nicht gewinnt, ist er raus aus dem Rennen. Wenn er jedoch New Hampshire gewinnt, wird er viele seiner Konkurrenten innerhalb der Partei hinter sich lassen und das Rennen wird sich auf einige wenige beschränken.

Jeb Bush gegen Hillary Clinton, wäre das nicht die Rückkehr in die 80er und 90er Jahre mit den Präsidenten Bush, Clinton und dann wieder Bush? Braucht Amerika nicht eher Erneuerung?

Wir brauchen einen Macher. Jemanden, der etwas schafft. Wenn es dazu kommt, dass es einen Wahlkampf zwischen Bush und Clinton gibt, ist das ein absoluter Vorteil für Hillary. Denn es nimmt ihr den Vorwurf, dass das Land schon zu viel von „den Clintons“ gesehen hat.

Denn mit den Bushs ist es noch schlimmer.

Ganz genau. Der Vorwurf einer Dynastie, die Amerika regiert, wäre damit für Clinton verschwunden. Wenn es zu Bush gegen Clinton kommt, dann wird es ein Wahlkampf sein zwischen einer Familie, die unglaublich reich ist und diesen Reichtum genutzt hat, um politische Macht zu erlangen – und einer Familie, die ihre politische Macht genutzt hat, um unglaublich reich zu werden.

Jetzt auch im Wahlkampfmodus: Jeb Bush. Foto: dpa

Wer hat aus Ihrer Sicht die besten Chancen bei den Republikanern?

Marco Rubio, Senator für Florida mit kubanischen Wurzeln, ist sehr gut. Wäre ich Demokrat, würde ich mir um ihn am meisten Sorgen machen. Wenn er gegen Hillary antritt, kann er sagen: Ich bin die Zukunft, sie ist die Vergangenheit. Und er spricht viele Wählergruppen an. Es ist ein großes Missverständnis, dass alle Latinos in den USA automatisch Demokraten wählen. Viele von ihnen haben eine große Nähe zu Republikanern, wenn es um Werte und auch um Wirtschaftsfragen geht.

Bei den Republikanern ist alles offen. Bei den Demokraten scheint alles klar: Ist Hillary Clinton als Kandidatin gesetzt?

Sie ist, wie schon erwähnt, nicht besonders populär und geht nicht unbelastet in den Wahlkampf. Ihr Ehemann Bill ist ihr größter Joker und ihr größtes Problem. Aber bei den Demokraten wird niemand mehr auftauchen, der sie ernsthaft gefährden wird.

Clinton hat am vergangenen Wochenende ihre erste große Wahlkampfrede gehalten. Die Präsidentschaftswahl ist noch weit über ein Jahr entfernt. Warum werden Wahlkämpfe immer länger?

Es geht um Geld und die Eliten, denn viele „Durchschnittsbürger“ interessieren sich nicht wirklich für Politik und die ganzen Debatten des Wahlkampfs.

Bush, Clinton, Bush, hatte man doch alles schon in den USA: George W. Bush, George Bush und Bill Clinton bei einer Feierlichkeit 2004. Foto: reuters

Aber sollte Politik nicht alle erreichen?

Wenn man regiert, ja. Aber im Wahlkampf nicht unbedingt. Politiker versprechen den Leuten im Wahlkampf alles, was sie hören wollen, es ist das reine Showbiz. Politiker sind Herzensbrecher, sie erfüllen nie die Erwartungen, man möchte mit keinem verheiratet sein. Was hat Obama in seiner Amtszeit groß erreicht?

Ist Obama der größte Herzensbrecher, den die USA je erlebt haben?

Mein Herz hat er nicht gebrochen, ich hatte es nicht anders erwartet. Er war ein großartiger Wahlkämpfer, aber wenn man wirklich geglaubt hat, er würde Republikaner dazu bringen, etwa für seine Gesundheitsreform zu stimmen, ist man verrückt. Niemals hätten die Konservativen dem zugestimmt, auch nicht, wenn der Präsident Barack Obama heißt. Aber: Er hat sie durchgebracht. Das ist weder Bill Clinton gelungen noch Hillary Clinton. Gleichzeitig ist die Reform das Beste, was den Republikanern passieren konnte, denn sie können sie einfach ablehnen und müssen keine Alternative aufzeigen. Dagegen zu sein, reicht. Es wird ihnen im jetzigen Wahlkampf helfen.

Die Annäherung zwischen dem rechten und linken Lager, die Obama immer beschworen hat, sie ist nur eine Illusion?

Bis auf wenige Ausnahmen war es immer so, dass die Republikaner und Demokraten klar abgegrenzt von sehr unterschiedlichen Positionen aus agiert haben und das weiter tun werden. Und etwa 42 Prozent der Bürger in den USA bezeichnen sich als unabhängig und finden keine der beiden Parteien gut.

Das bedeutet viel Überzeugungsarbeit in einem Wahlkampf, der immer teurer wird. Die sogenannten Super PACs, die Politiker unterstützen, können unbegrenzt Geld in Fernsehspots und andere Wahlkampfmittel investieren, solange es nicht direkt an die Kandidaten und ihre Kampagnen fließt.

Bis zum Jahr 2008 sind die Wahlkämpfe in Relation zu unserem Bruttoinlandsprodukt nicht teurer geworden, aber ja, die Super PACs haben die Situation verändert. Der Unterschied zwischen unserer und europäischer Politik ist, dass Politiker bei uns nicht Parteien durchlaufen müssen, um etwas zu werden. Wenn ich nicht gut finde, was ein Politiker in meinem Wahlkreis macht, kann ich gegen ihn kandidieren. Und zwar als Republikaner oder als Demokrat. Deswegen brauche ich als Kandidat aber auch viel Geld, um meinen Wahlkampf zu finanzieren. Und der Kontakt mit den Wählern ist sehr direkt.

Clinton und Bush werden keine Probleme haben, genug Geld für ihren Wahlkampf aufzubringen. Da das Rennen bei den Republikanern noch offen ist, bei den Demokraten aber entschieden scheint: Würden Sie Clinton wählen?

Nicht unbedingt. Aber ich würde sie wählen wenn jemand wie Ted Cruz, der der rechten Tea Party nahesteht, der Kandidat der Republikaner wäre. Ich war immer Demokrat und dann habe ich 1988 George Bush gewählt – und ich würde es wieder tun. Ich mag die Republikaner, wenn es um ökonomische Fragen geht, ich lehne ihre Positionen in Gleichstellungsfragen hab. So geht es vielen Amerikanern. Jeb Bush wiederum kenne ich persönlich, er ist sehr klug.

Könnte Clinton dennoch eine gute Wahl für das Land sein?

Sie wäre besser als Obama. Allerdings haben viele Angst, dass sie uns in einen neuen Krieg führt und das ist vorstellbar, schließlich hat sie 2002 für den Einmarsch in den Irak gestimmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare