Politischer Aschermittwoch in Thüringen: Merz greift Ramelow an
Beim politischen Aschermittwoch der Thüringer CDU in Apolda wärmt der Kandidat für den Parteivorsitz seinen gebeutelten Parteifreunden das Herz.
Über 1.500 Gäste sollen es sein, dazu viel Presse, sogar JournalistInnen aus dem Ausland wollten kommen. Zum drittgrößten politischen Aschermittwoch bundesweit, dem größten in Ostdeutschland!
Und die Stimmung scheint gut, auch wenn man die Lage der Thüringer CDU wohl als prekär bezeichnen kann, das Bundesland in einer tiefen Regierungskrise steckt und Mohring, der in den vergangenen Wochen so vieles falsch gemacht hat, bald seine Jobs als Fraktions- und Parteichef los sein wird. Für ihn ist es eine Abschiedsveranstaltung.
Schon als Mohring gemeinsam mit Friedrich Merz, der seit Dienstag offiziell für den CDU-Parteivorsitz kandidiert und der Hauptredner des Abends ist, um kurz nach sechs in die Halle einzieht, brandet Applaus auf. Auch eine große Kuhglocke, die ohrenbetäubenden Lärm machen kann, wird im Begeisterungsrausch erstmals eingesetzt. Neben ihr auf dem Tisch steht ein Wimpel des „Wirtschaftsrats Thüringen“.
15 Euro musste jeder und jede Eintritt zahlen, dafür gibt es Bier, Heringsfilet mit Salzkartoffeln und einen Gastredner, von dem man sich Hoffnung verspricht. Doch bevor Merz, pünktlich um acht, auf die Bühne marschiert, stehen noch eine Begrüßung der Landrätin, eine Mohring-Rede, jede Menge Bier und das Essen an.
Merz wolle Bundesvorsitzender werden, sagt Mohring. „Nun stimmen wir ja nicht hier ab, sonst wäre es entschieden“, fährt er unter Applaus und dem Einsatz der Kuhglocke fort. „Unsere CDU Deutschland braucht diesen personellen Neuanfang.“
Merz enthüllt: Berlin-Kreuzberg liegt gar nicht in Thüringen!
Dann, als Merz selbst am Redepult steht, geht er gleich in die Vollen: „Das hier ist nicht Berlin-Kreuzberg, das ist mitten in Deutschland“, ruft er in den Saal und meint wohl das „richtige“ Leben damit. Die Lacher hat er auf seiner Seite.
Und als er dann Bodo Ramelow angeht, den ehemaligen und vielleicht auch zukünftigen Ministerpräsidenten von der Linkspartei, da schwillt der Beifall weiter an. Merz kritisiert Ramelow scharf dafür, bei der Wahl zum Ministerpräsidenten Anfang Februar vermeintlich ohne absehbare Mehrheit kandidiert zu haben. Dies sei der eigentliche Grund für die derzeitigen Probleme in Thüringen. „Der Auslöser war die Arroganz, die Überheblichkeit, zu sagen, ich stelle mich hier zur Wahl.“
Der Saal tobt. Die viel gescholtenen Thüringer ChristdemokratInnen sind froh, dass hier mal jemand anderem die Schuld an dem ganzen Schlamassel gegeben wird. Es wollten zwar nicht alle hören, aber Ramelow habe die Landtagswahl in Thüringen verloren, fährt Merz fort.
Ganz richtig ist das nicht. Ramelows Linke legte bei der Wahl Ende Oktober zu und wurde erstmals stärkste Kraft. Weil aber SPD und Grüne Verluste einfuhren, hat Rot-Rot-Grün keine Mehrheit mehr. Die große Wahlverliererin war allerdings die CDU.
Es dürfe nie wieder zu einer Situation kommen wie bei dieser Wahl, bei der die „politischen Ränder“ so stark geworden seien, dass das Land unregierbar wurde, betont Merz. Und warnt vor den Gefahren des Rechtsextremismus. Dies führt er sogar etwas aus, nachdem ihm am Tag zuvor bei der Vorstellung seiner Kandidatur als Gegenmittel zu Rechtsextremismus lediglich die Thematisierung von Clankriminalität und rechtsfreien Rämen eingefallen war.
„Wir haben dieses Problem unterschätzt“, sagt Merz und verweist auf mehr als 200 Mordopfer rechter Gewalt in Deutschland. Die Opfer von Hanau seien „Landsleute von uns“. Die grenze man nicht aus, sondern nehme sie in den Arm.
Laschet und Spahn dürfen bei Merz mitmachen
Es folgen Ausführungen zu China und der Seidenstraße, Seitenhiebe auf die Grünen und Greta Thunberg, Kritik an der Energiewende sowie ein Angebot an seine Konkurrenten im Kampf um den Parteivorsitz: „Wenn die Wahl so ausgeht, wie ich es mir wünsche, dann gehören Armin Laschet und Jens Spahn natürlich zu meinem Team.“ Unter ihm und seinen Gnaden dürften sie also mitmachen. Das wird sie sicherlich sehr erfreuen.
Dazu kommt ein bisschen Wertschätzung für Russland, was in Ostdeutschland meist gut ankommt, und auch ein kleines bisschen Anerkennung für die Kanzlerin. Schließlich muss der neue CDU-Vorsitzende noch eine Weile mit ihr klarkommen. Irgendwann zieht Merz sein Jackett aus, jetzt steht er mit weißem Hemd und dunklem Schlips da. Die Stirn glänzt.
Nach einer guten Dreiviertelstunde ist Schluss. Es folgen stehender Applaus, „Sieger, Sieger“-Rufe. Und die Kuhglocke.
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