Politischer Aktivismus in Belarus: Hausfrau im Widerstand
Wie die Gewalterfahrung Menschen politisiert. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 31.
Link auf https://taz.de/Gaby-Coldewey/!a23976/] Am 5. November endete offiziell die Amtszeit Lukaschenkos. Seine Befehle und Resolutionen sind nicht mehr legal. Der Ständige Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien kam zu dem Schluss: Es gibt unwiderlegbare Beweise dafür, dass die belarussischen Präsidentschaftswahlen gefälscht wurden. Und dass die Sicherheitskräfte systematische Menschenrechtsverletzungen als Antwort auf die friedlichen Proteste begehen.
Die Studierenden stehen immer noch unter Druck. Der Grodnoer Student, der aktiv an den Protestaktionen teilgenommen hatte und deshalb zweimal mit Verwaltungsstrafen zur Verantwortung gezogen wurde, ist deshalb von der Universität geflogen und bekam sofort eine Vorladung zur Armee, noch gleich auf der Polizeiwache.
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Die Vorsitzende des Rats der Republik, Natalja Kotschanowa, stellte sich auf einem Treffen in der Belarussischen Staatlichen Universität den Fragen der Studierenden, um die Lage zu ein wenig zu entspannen.
Es war ein emotionales Treffen. Die Beamtin sagte: „Es hat keine Vergewaltigungen in den Transporten und keine Gewalt in Gefängnissen gegeben. Wenn Sie das nicht glauben, lade ich den Gesundheitsminister zum Gespräch ein.“ So etwas könne man nicht verheimlichen, sagte sie. Aber unter den Studierenden waren ehemalige Inhaftierte, die die Gewalt mit eigenen Augen gesehen haben.
Ekaterina, Redakteurin aus Minsk, schreibt: „Eine Kollegin meiner Mutter, eine Frau mittleren Alters, ruhig und besonnen, mit Politik hat sie nichts zu tun. Sie ist keine ‚jabatka‘ (also nicht für Lukaschenko). Und nicht für Veränderungen (nicht für Tichanowskaja). Sie hat ein Haus, einen Job, eine Familie und eine Datscha für die freien Tage. Ihr Sohn studiert in Minsk an einer Hochschule, er hat eine sehr klare politische Haltung: Er geht zu den Demos und zu den studentischen Aktionen.
Und diese unpolitische häusliche Frau sagt plötzlich: ‚Man muss nach Minsk fahren, um unsere Kinder zu verteidigen.‘ Jetzt ist sie bei den Protesten an vorderster Front dabei. Und es gibt viele solcher Menschen. Die, die das ganze ruhig aussitzen könnten, sich nirgends einmischen müssten, sich mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigen könnten. Aber für ihre Kinder treten sie sogar noch unter dem Panzer um sich.“
Ein Bekannter von mir, Alexander, dessen Frau eine Verwaltungsstrafe abgesessen hat, organisiert Kurse für Männer, deren Frauen für ihre politische Meinung inhaftiert wurden. Er sagt: „Alle brauchen Unterstützung, Hilfe und Anleitung. Bald wird es in Belarus keine Menschen mehr geben, die nicht auf die ein oder andere Weise von den Repressionen betroffen sind.“
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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