Politische Krise in Nicaragua: „Hier wird Ihr Abgang verhandelt“
Beim öffentlichen Dialog forderten Studenten Nicaraguas Präsident Daniel Ortega zum Rücktritt auf. Der war zwar anwesend und machte kein gute Figur.
Ortega, der mit seinem Auftritt Gerüchten entgegentrat, er sei nach Kuba geflohen oder gar gestorben, wirkte müde und gealtert. Seine Ehefrau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, an jedem Finger fünf Ringe und auch sonst äußerlich schrill wie immer, erschien wie die Karikatur ihrer selbst. „Erstmals seit seinem Amtsantritt 2007“, so die oppositionelle Tageszeitung La Prensa, „musste sich Ortega einem Auditorium stellen, das nicht vom Propagandaapparat seiner Frau und Vizepräsidentin kontrolliert war.“
Die Bischofskonferenz und der Unternehmerverband hatten darauf bestanden, dass auch die rebellische Zivilgesellschaft in Gestalt von Studenten, Intellektuellen und Bauern eingeladen werde. Seit dem 18. April haben Proteste gegen die Regierung über 50 Todesopfer und eine hohe Zahl an Verletzten gefordert. Die meisten durch Schüsse der Polizei und Prügel regierungstreuer Schlägertrupps, wie Menschenrechtsorganisationen dokumentiert haben.
„Wir haben die Toten und Verschwundenen gestellt“, sagte Lesther Alemán an Ortega und Murillo gerichtet. „Ergebt euch dem Volke!“ In den ersten Tagen hatte man zahlreiche Vermisste gemeldet, die in den Gefängnissen vermutet wurden. „Wir werden beweisen, dass es keine Verschwundenen und nicht einen Gefangenen gibt“, sagte Ortega: „Alle wurden bereits freigelassen.“ Die Todesopfer bedauerte er, allerdings sei die Polizei Opfer einer Kampagne geworden. „Sie hat den Befehl, nicht zu schießen.“
Regierung um Ortega und Murillo zunehmend isoliert
Noch am Vortag hatte es allerdings Tote und Verletzte in den Städten Matagalpa und Sébaco gegeben. In Sébaco und der Provinzstadt Juigalpa hatten sich katholische Bischöfe und Priester schützend vor Demonstranten gestellt, um die Polizei von weiterer Repression abzuhalten. Die Videoaufnahmen, die davon in den sozialen Medien zirkulieren, tragen zur weiteren Isolierung des Regimes bei.
Wenn der Dialog am Freitag in die zweite Runde geht, wird man sehen, ob die Verhandlungspartner einander näher kommen oder weiter unvereinbare Positionen austauschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!