Politische Gefangene in Belarus: In der Haft ums Leben gekommen
In Belarus starb der 63-jährige Aktivist Igor Lednik im Gefängnis. Er ist nicht der erste Häftling, der dort seit 2020 ums Leben kam.
Am Dienstag wurde bekannt, dass ein weiterer politischer Gefangener, der 63-jährige Igor Lednik, ein Aktivist aus dem belarussischen Borisow, gestorben ist. Er hatte sich für das Ende der Belarussischen und Russischen Sowjetrepubliken eingesetzt. Und war der Meinung, dass die Verletzung des Budapester Memorandums von 1994 in Belarus zur Errichtung einer Diktatur und der Annäherung des Landes an Russland geführt, und damit die die europäische Sicherheit in der Region untergraben habe.
Angeklagt wegen Präsidentenverleumdung
Igor Lednik war am 12. April 2022 festgenommen und zu drei Jahren wegen Verleumdung des Präsidenten der Republik Belarus (Artikel 367, Absatz 2 Strafgesetzbuch) verurteilt worden. Am 28. Dezember 2020 war in der Zeitschrift Posizija, (Parteiorgan der belarussischen Sozialdemokratischen Partei, die im September 2023 durch Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von Belarus aufgelöst wurde) sein Artikel mit der Überschrift „Die international anerkannte Neutralität von Belarus – Garantie für die die Sicherheit in der OSZE-Region“ erschienen.
Ein Gericht urteilte, dass in diesem Artikel „vorverurteilende, unzuverlässige Informationen, die Alexander Lukaschenkos Ehre und Würde verunglimpften und ihn besonders schwerer Verbrechen, einschließlich Verbrechen gegen die Sicherheit der Menschheit, beschuldigten.“
Im Gefängnis verschlechterte sich Igor Ledniks Gesundheitszustand, er wurde am Magen-Darm-Trakt operiert und hatte außerdem eine anerkannte Behinderung der Gruppe 2 wegen Herzproblemen. Gruppe 2 ist eine schwerwiegende Diagnose, bei der Menschen Recht auf staatliche medizinische Leistungen haben, u.a. 10 Prozent Ermäßigung auf Medikamente.
Der ehemalige politische Gefangene Ales Golowkin erzählte, dass Igor Lednik ein Stoma gehabt habe, einen künstlichen Darmausgang. Nach Aussagen Golowniks hätten sich die Gefängniswärter über den kranken Igor Lednik lustig gemacht, hätten ihm nicht erlaubt zu duschen und im Gefängniskiosk einzukaufen.
Tod durch Folter und Skorbut
„Er hat mir gesagt, dass er in dem Straflager wohl bald sterben werde. Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich ständig, und wenn er keine qualifizierte, moderne medizinische Behandlung erhielte, würde er schon allein körperlich nicht mehr bis zu seiner Freilassung durchhalten.“
Folter ist in den Gefängnissen von Belarus mittlerweile gängig. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der politische Gefangene Stepan Latypow, der zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, in der Haft an Skorbut erkrankt sei. Diese Krankheit resultiert aus einem Mangel an Vitamin C und führt zu einem qualvollen Tod, bei dem der Körper buchstäblich kollabiert. Und das im 21. Jahrhundert, nicht im Mittelalter!
Igor Lednik ist nicht der erste politische Gefangene, der in belarussischer Haft ums Leben gekommen ist. Hier eine Liste der bisher Verstorbenen. Das Schlimmste daran ist, dass diese Liste noch länger werden wird.
Liste in der Haft verstorbener politischer Gefangenen
Am 21. Mai 2021 starb der Aktivist Witold Aschurok (50) in der Haft in Schklow
Am 5. Januar 2022 starb Dmitri Dudoit (43) in Mogilew durch Suizid, weil er die Misshandlungen nicht mehr ertrug
Am 7. Mai 2023 kam Nikolai Klimowitsch (61) in einer Strafkolonie ums Leben
Am 5. Juli 2023 verstarb der Lyriker Dmitri Sorokin (37) plötzlich in Polizeigewahrsam in Lida
Am 11. Juli 2023 starb der Künstler Ales Puschkin (57) starb im Gefängnis Grodno an einem Magengeschwür
Am 13. Januar 2024 verstarb der 50-jährige Gefangene Wadim Chrasko, offiziell an Lungenentzündung, in einer Witebsker Strafkolonie
Und am 20. Februar stand das Herz des oppositionellen Aktivisten Igor Lednik plötzlich still
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links