piwik no script img

Politikwissenschaftler Jonathan White„Ohne Zukunft machen demokratische Grundwerte keinen Sinn“

Ob beim Rechtsruck oder Klima: Immer geht es um die letzte Chance. Politikwissenschaftler White erklärt, warum uns das Denken in Deadlines nicht guttut.

Illustration: Ali Arab Purian
Mitsuo Iwamoto
Interview von Mitsuo Iwamoto

Als Jonathan im Jahr 1832 auf die Welt kam, war der Fotoapparat noch nicht erfunden und auch das Telefon nicht. Noch nicht einmal die Briefmarke. In seiner Lebenszeit wurde die Sklaverei abgeschafft und das Frauenwahlrecht eingeführt. Jonathan ist die älteste Schildkröte der Welt und lebt auf der Atlantikinsel St. Helena. Dass sie denselben Vornamen hat wie Jonathan White, ist natürlich reiner Zufall. Aber auch über das Cover von Whites Buch läuft eine Schildkröte. Es heißt „In the Long Run“ und beschäftigt sich mit der Bedeutung von Zukunft für die Politik. In einer Bibliothek der London School of Economics erklärt er mit leiser Stimme seine Vision von Politik als langfristigem, über Generationen hinweg verfolgten Fortschritt.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

taz: Herr White, kommt uns die Zukunft gerade abhanden?

Jonathan White: In den westlichen Gesellschaften breitet sich gerade das Gefühl aus, keine Zeit mehr zu haben, um ruhig und strukturiert an einer Lösung zu arbeiten. Wir fühlen uns gezwungen, jetzt zu handeln, nicht später. Ein Kollege von mir hat dieses Gefühl einmal „zeitliche Klaustrophobie“ genannt. Die Zukunft kommt der Gegenwart gefühlt immer näher und erstickt sie damit. Wir merken es gerade besonders bei Wahlen. Wenn Donald Trump zum Beispiel von der „finalen Schlacht“ sprach, dann fühlen sich Wahlen an wie ein Referendum, in dem ein politischer Konflikt ein für alle Mal entschieden wird.

taz: Auch Linke sprechen so. Was ist das Problem daran?

Im Interview: Jonathan White

ist Professor für Politik an der London School of Economics. Sein Schwerpunkt ist politische Theorie. Zuletzt forschte er zum Verhältnis von Krisen und EU-Politik. Er war mehrfach Gastwissenschaftler in Berlin und spricht fließend Deutsch. In diesem Jahr erschien auf Englisch „In the Long Run: The Future as a Political Idea“. Gemeinsam mit seiner Frau, der Politikwissenschaftlerin Lea Ypi, hat er ein Buch über die Bedeutung von Parteilichkeit geschrieben.

White: Die Akteure kämpfen oft mit besonders schmutzigen Mitteln, weil der Einsatz so hoch ist. Traditionell gab es in Demokratien immer das Gefühl: Wenn wir bei dieser Wahl mit unserem Anliegen keinen Erfolg haben, dann versuchen wir es halt bei der nächsten Wahl wieder. Aber diese Idee klingt in den Ohren vieler heute immer fantastischer. Und wenn es wirklich um alles oder nichts geht, warum sollte man seinen Gegner dann noch respektieren? Warum Kompromisse eingehen? Warum Institutionen und Normen schützen? Ohne Zukunft machen demokratische Grundwerte keinen Sinn mehr.

taz: Die Erderhitzung bedroht jetzt schon das Leben von Millionen von Menschen, und kaum ein Land ist schnell genug beim Erreichen der Klimaschutzziele. Ist das der richtige Zeitpunkt für ein Plädoyer für mehr Langsamkeit?

White: Ich bin nicht dagegen, jetzt zu handeln. Ich will keine Maßnahmen verzögern, sondern anerkennen, dass jede sinnvolle Intervention von Dauer sein muss. In der Klimapolitik hat man manchmal den Eindruck, dass es nur auf die nächsten Jahre ankommt. Wir denken in Deadlines, die wir ständig reißen, oder in einer Klima-„Wende“, die möglichst bald abgeschlossen sein muss. Als gäbe es einen sicheren Endpunkt in dieser Transformation, den wir bald erreichen könnten. Aber den gibt es nicht. Mir geht es darum, dass wir wieder in größeren Bögen denken, in längeren Zeitspannen.

taz: Aber hatte die Chefin des IWF nicht recht, als sie sagte, dass wir „eindeutig die letzte Generation sind, die den Verlauf des Klimawandels ändern kann“?

White: Ich will die Bedeutung des Augenblicks nicht in Frage stellen. Wenn wir unseren Zeithorizont zu sehr verkürzen und glauben, dass zum Beispiel mit der Wahl Trumps in den USA jetzt alles verloren sei, dann definieren wir Erfolg so, dass wir nur scheitern können. Wenn wir uns zu sehr auf die aktuellen CO2-Zahlen konzentrieren, verlieren wir dabei schnell den langfristigen Umbau unserer Gesellschaft aus den Augen.

taz: Was meinen Sie damit konkret?

White: Sozialisten sprechen von einem Übergangstal. Legt man sich mit den mächtigen Interessen von Unternehmern und Investoren an, kann sich das Leben derjenigen, in deren Namen man handelt, womöglich kurzfristig verschlechtern. Ähnliches sehe ich beim Klimawandel. Wenn man das Problem grundsätzlich angehen will, zum Beispiel mit einem Degrowth-Ansatz, mag das bei manchen erst einmal als Rückschritt ankommen. Aber meine Warnung wäre: Wenn wir nur in klar identifizierbaren und messbaren Zielen denken, beschränkt auf wenige Jahre, dann gehen wir den grundsätzlichen Problemen aus dem Weg. Und wenn wir dann konkrete Kennzahlen verfehlen, sind wir demotiviert, obwohl wir richtige Entscheidungen getroffen haben.

taz: Das Gefühl von Zeitnot, von Beschleunigung, beschränkt sich ja nicht auf die Klimakrise. Wo kommt es eigentlich her?

White: Oft wird das erklärt mit unserer neoliberalen Wirtschaftsordnung. Sie individualisiert uns und macht Menschen Angst um die eigene Sicherheit. Das schränkt die politische Fantasie ein. Es entstehen keine positiven Zukunftsvisionen mehr. Aber ich sehe noch einen weiteren Grund.

taz: Und der ist?

White: Es gibt derzeit kaum Institutio­nen, denen die Menschen vertrauen und mit denen sie bereit sind sich zu identifizieren. Politische Parteien oder Organisationen zum Beispiel können Orte sein, die Menschen mit ihrem Kurs in die Zukunft verknüpfen. Wem so etwas fehlt, der oder die fühlt sich kontextlos. Dem eigenen Handeln fehlt der überzeitliche Sinn. Wie ein kleines Feuer, das einfach erlischt, wenn man selbst nicht mehr ist. Wenn das der Fall ist, dann kann ich verstehen, dass Menschen alle Probleme am liebsten sofort lösen wollen und demotiviert auf­geben, wenn das nicht funktioniert.

Demokratische Politik funktioniert am besten, wenn die Zukunft auf einer Skala von Jahrzehnten gedacht wird

taz: Ohne Zukunft also keine Demokratie. Verstanden. Aber die Gefahr durch Autokraten wie Trump bleibt ja real. Gibt es überhaupt ein Mittel gegen die zeitliche Klaustrophobie, von der Sie sprechen?

White: Ich denke, schon. Für mich fängt es damit an, sich in Gemeinschaften, in denen kollektiv Zukunftsvisionen ­erdacht und über Jahrzehnte hinweg verfolgt werden können, zusammenzufinden. Parteien, Gewerkschaften, Bewegungen. Erst wenn wir in Kollektiven denken, lassen sich Visionen stabil über lange Zeiträume hinweg verfolgen.

Team Zukunft – der Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien

Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.

taz: Die Kollektive, die Sie nennen, wirken heute schwach. Woran liegt das?

White: In den letzten 150 Jahren lässt sich gerade bei den Parteien und Gewerkschaften ein klarer Trend erkennen. Am deutlichsten sieht man ihn, wenn man sich die Parteiprogramme anschaut. Waren diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts oft kurze Papiere, in denen Grundwerte wie Freiheit und Gleichheit beschworen wurden, die man dann ernsthaft zu realisieren versuchte, lesen sich Parteiprogramme heute eher wie überlange Einkaufslisten. Parteien wurden von Wertegemeinschaften zu Vehikeln für den Wahlerfolg ambitionierter Individuen. Die britische Labour-Partei hat gerade zum Beispiel die Wahlen gewonnen mit einem Manifest, das verspricht, 6.500 neue Leh­re­r:in­nen einzustellen. Das ist an sich nicht schlecht, aber mit dieser Art technokratischer Politik geht etwas verloren. Denn je detaillierter und quantifizierter man politische Ziele formuliert, desto fantasieloser werden die Ziele, die man sich überhaupt noch setzt.

taz: Die Welt ist viel komplexer geworden. Hilft uns da wirklich der Wunsch, dass Parteien wieder so werden wie vor 150 Jahren?

White: Auch heute gibt es immer noch Momente, in denen sich viele Leute für ein Ziel zusammentun. In Großbritannien zum Beispiel nach der Erhöhung der Studiengebühren 2010. Diese Proteste führten zur Occupy-Bewegung und letztlich in die Labour-Partei unter Jeremy Corbyn. Gleichzeitig bedeuten geteilte Interessen natürlich noch lange keine geteilte Vision einer radikal anderen Zukunft. Der Weg dahin ist harte politische Arbeit, das war auch schon vor 150 Jahren bei den Sozialisten so. Ich nenne es eine Politik des Wollens.

taz: Was soll das sein?

White: Progressive Parteien formulieren klar, in welche Welt sie wollen und dass sie bereit sind, dies auch gegen Widerstände nach und nach umzusetzen. Im Endeffekt geht es um die ur-demokratische Idee, dass wir gemeinsam die Macht haben, unsere Gesellschaft zu gestalten.

taz: Sind Leute wie Jeremy Corbyn in Großbritannien oder Bernie Sanders in den USA solche Wollens-Politiker, wie sie Ihnen vorschweben?

White: Ja. Beide sind Politiker aus einer anderen Ära, die seit Jahrzehnten eine relativ gleich bleibende Vision einer alternativen Gesellschaft formulieren. Ich finde es spannend, wie diese wertebasierte Konsistenz gerade auf junge Menschen anziehend gewirkt hat. Ich glaube, dass sie gerade in unsicheren Zeiten reizvoll ist, weil man weiß, dass sie an ihren Werten und ihrem Kurs festhalten werden.

taz: Auch Sie sind unter Corbyn in die Labour-Partei eingetreten, damals hat sich die Mitgliedschaft verdreifacht. Letztes Jahr sind Sie enttäuscht wieder ausgetreten. Wie hat Sie diese Erfahrung geprägt?

White: Ich bin Akademiker und nähere mich der Welt durch Bücher und Ideen. Selbst in den entmutigendsten Zeiten kann man aus Büchern Hoffnung schöpfen. Aber im Vergleich zu der Energie, die entsteht, wenn Menschen gemeinsam ein Ziel verfolgen, verblassen Bücher. Wenn wir bei Protesten oder in Ortsgruppen erleben, dass andere Menschen nicht einfach nur eigennützig sind, wenn wir uns erleben, wie wir uns umeinander kümmern und gemeinsam kämpfen, dann wirkt das unglaublich motivierend.

taz: Gewerkschaften und Parteien wirken heute teils aus der Zeit gefallen. Stattdessen waren es Bewegungen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion, die die letzten Jahre stark geprägt haben.

White: Fridays for Future, Extinction Rebellion oder auch Occupy haben viel dazu beigetragen, Menschen zu politisieren. Aber sie haben ihre Grenzen: Was sie lebendig und spontan macht, ist oft, dass sie locker organisiert sind und es vermeiden, dem Staat zu nahe zu kommen. Das macht es schwer, langfristig dranzubleiben und Politik zu beeinflussen. Sind Parteien und Gewerkschaften obsolet? Sicherlich sind viele von ihnen in ihrer jetzigen Form Teil des Problems. Aber ich glaube nicht, dass man sich der Notwendigkeit entziehen kann, sich dauerhaft zu organisieren. Wir brauchen soziale Bewegungen, aber wir brauchen sie auch, damit sie selber in Parteien gehen und neue gründen. Protest allein verhungert zu oft auf der Straße.

taz: Aber was bedeutet das jetzt ganz konkret für Parteien?

White: Die Frage ist: Sind Parteien Maschinen, die hauptsächlich zum Machterhalt der Führung dienen, oder Orte, an denen gemeinsam Zukunftsvorstellungen entworfen werden? Da geht es um ganz trockene Fragen wie Parteisatzungen, Konferenzplanung, Hierarchiestrukturen und so weiter. Aus meiner Sicht sind die deutschen Grünen ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine Partei immer weiter von ihren Bewegungswurzeln entfernt.

taz: Jetzt hauen Sie auch noch auf die Grünen drauf. Das ist so eine Art Volkssport in Deutschland.

White: Mir geht es im Gegenteil darum, das Potenzial zu sehen, das in den aktuellen Umbrüchen steckt. Der grüne Umbau der Wirtschaft, die Automatisierung, all das verändert die Arbeitswelt. Und gerade da müsste es eigentlich die Rolle der Gewerkschaften und progressiven Parteien sein, die Transformation radikal im Sinne der Arbeiter zu gestalten.

taz: Gesamtgesellschaftlich dominieren heute Zukunftsvisionen aus einer privilegierten Tech-Elite, wie die Idee von Elon Musk, Menschen auf den Mars zu bringen.

White: Wenn Parteien, Gewerkschaften und Bewegungen keine Visionen formulieren, dann überlassen sie die Gestaltung der Zukunft dem Kapital. Die Zukunft wird privatisiert, zulasten von rassifizierten und armen Menschen.

taz: Musk und andere Silicon-Valley-Größen sind Anhänger einer Idee namens „Longtermism“, auch sie berufen sich darauf, in sehr langen Zeiträumen zu denken. Hat das nicht Ähnlichkeiten mit Ihren Vorschlägen?

White: Wenn die Leute im Silicon Valley von „Longtermism“ sprechen, meinen sie in der Regel einen Blick um Jahrhunderte und mehr in die Zukunft – Zeitskalen, auf denen sich tiefgreifende technologische Veränderungen, neue Arten von Menschen und interstellare Reisen entfalten können. Das Risiko einer solchen langfristigen Perspektive besteht darin, dass sie die meisten der heutigen Probleme trivial erscheinen lässt. Armut, Not und Ungleichheit, steigende Temperaturen und steigende Meeresspiegel, diese Dinge spielen keine Rolle, wenn man sich darauf konzentriert, wie die Dinge im Jahr 3000 n. Chr. aussehen könnten. Das Überleben der Menschheit rechtfertigt dann plötzlich unmenschliche und ungerechte Politik im Hier und Jetzt. Ich glaube nicht, dass diese Art des Denkens mit der Demokratie vereinbar ist.

taz: Okay, die einen blicken zu sehr in die Zukunft, die anderen zu wenig. Wie weit genau sollten Po­li­ti­ke­r*in­nen denn nun denken?

White: Demokratische Politik funktioniert am besten, wenn die Zukunft auf einer Skala von Jahrzehnten gedacht wird – lange genug, um radikale Ziele und strukturelle Veränderungen zu berücksichtigen, aber nicht so lange, dass sie die Sorgen der Gegenwart in den Schatten stellt. Eine gesunde Demokratie ist wie eine Schildkröte – langsam, aber stetig. Wenn wir Zukunftsvisionen dagegen Menschen wie Musk überlassen, wird Gerechtigkeit in ihnen ziemlich sicher nur noch eine kleine Rolle spielen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das sind sicher gute Einsichten.

    Zu den Einsichten, die im Interview nicht vorkommt, gehört:

    Demokratie heißt nicht unbedingt, etwas radikal anders zu wollen.



    Grundsätzlich ist eher Radikalität eine Bedrohung für die Demokratie als Mäßigung.



    Im Gegenteil, es ist ein legitimes politisches Ziel, dass sich möglichst wenig ändert.

  • Update zu meinem Beitrag:



    www1.wdr.de/nachri...enanzeige-100.html

  • Hier scheint die Sorge um das Aussterben und andere Longtermism-Sorgen gegen die Sorge um Ungerechtigkeit ausgespielt zu werden. Aber sind es nicht einfach nur Ungerechtigkeiten zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen? Im einen Fall die Ungerechtigkeit zwischen Mitgliedern der jetzigen Generation (den Fokus darauf könnte man Shorttermism nennen), oder Ungerechtigkeit zwischen der jetzigen und baldigen Generationen (z.B. im Klimakontext, das könnte man Midtermism nennen), oder eben die Ungerechtigkeit zwischen jetzigen und weit entfernten Generationen (Longtermism). Letztlich kommt es doch auf das eigene Wertesystem an, welche Personen (und Spezies) man zu seinem "moral circle" zählt, und welche eben nicht mehr.

  • „Auch Sie sind unter Corbyn in die Labour-Partei eingetreten, damals hat sich die Mitgliedschaft verdreifacht. Letztes Jahr sind Sie enttäuscht wieder ausgetreten."



    Die Union sucht jetzt Funktionsträger*innen per Stellenanzeige. Bald gibt es einen Transfermarkt für Politiker*innen. Wie beim Profisport. Mit Vermittler*innen, Ablösesummen, Handgeld, Sponsoring und Webeverträgen....



    --



    „Mit jedem Pulsschlag wird aus Heute Gestern."



    www.deutschelyrik.de/der-mai.html



    (Doch die Zukunft bleibt, was sie ist. )

  • Einer meiner Professoren sagte einmal, dass gute Politikwissenschaftler auch gute Soziologen sein müssten, um Relevantes zur politischen Praxis sagen zu können. Ansonsten gerieten sie schnell in theoretisierende Schwärmerei. Dann ergänzte er noch, dass alle Wissenschaft damit beginnt, die eigenen Grundannahmen zu hinterfragen. Sonst bleibt man dem konventionellen Denken verhaftet und würde alte Fehler nur wiederholen.







    Jonathan White macht beides falsch. Er denkt in den Konventionen seines Fachs und bastelt sich einen theoretischen Zusammenhang zwischen funktionierender Demokratie und deren korrekten Zeithorizont.

  • Über Naturgesetze kann nicht verhandelt werden



    In der Klimakrise gibt es keinen zeitlichen Spielraum. Ab einem bestimmten Level von Klimagasen in der Atmosphäre erreichen wir Kippunkte, die das Leben auf der Erde unwiederbringlich verschlechtern. Dieser Level steht in Form der globalen Durchschnittstemperatur fest. Nur der Zeitpunkt kann nicht genau bestimmt werden. Deshalb bedeutet jede Verzögerung von Klimaschutz zugleich eine Verringerung der Überlebenschancen der Menschheit. Ohne rechtzeitigen Klimaschutz gehen auch die demokratischen Grundwerte den Bach runter.

  • Über das "Übergangstal" der Sozialisten habe ich sehr gelacht, folgt es doch der selben (Un-)Logik wie die "Erstverschlimmerung" bei den Homöopathen...

  • "Ob beim Rechtsruck oder Klima: Immer geht es um die letzte Chance. Politikwissenschaftler White erklärt, warum uns das Denken in Deadlines nicht guttut."



    Volle Zustimmung zum Obersatz und dem restlichen Interview bis auf eine einzige Aussage:



    "Progressive Parteien formulieren klar, in welche Welt sie wollen und dass sie bereit sind, dies auch gegen Widerstände nach und nach umzusetzen."



    Ich glaube hier spricht er vom Ideal.



    Die einzigen progressiven Parteien die mir spontan einfallen und die das machen wären die Klimaliste und Die Linke und beide sind Äonen entfernt von Machtoptionen auf Bundesebene.



    Die Grünen, die ja auch progressiv sind im Betrachtungsrahmen aller Parteien, haben ihre Positionen peu a peu eingedampft während der Ampel und biedern sich seit dem Ampel-Aus teils schon richtig peinlich tabulos der CDU an.



    Da liegt ganz klar der Machterhalt vor der klaren Linie und der Bereitschaft, diese auch gegen Widerstände zu verteidigen. Andererseits bleiben sie so im Pool der Parteien die die tatsächliche Gestaltungshoheit auf Bundesebene ausüben.



    Das ist gelebte Realpolitik vor geträumten Idealismus und knüpft ja auch an der übergeordneten Message dieses Interviews an.