Politiker und Energiewirtschaft: Kohle bleibt Lobbykönig
Die alte Energiewirtschaft verfügt weiterhin über den besten Zugang zur Bundesregierung. Das zeigt eine Übersicht über die Lobby-Gespräche.
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Für diesen Sieg hat die Kohlebranche intensiv gearbeitet. Im Wochenrhythmus gingen die Chefs der vier großen konventionellen Energiekonzerne in den entscheidenden Monaten im Bundeswirtschaftsministerium und im Kanzleramt ein und aus. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die die taz vorab auswerten konnte. Darin sind sämtliche Gespräche aufgelistet, die die Kanzlerin sowie alle MinisterInnen und StaatssekretärInnen seit Oktober 2014 mit VertreterInnen der Energiebranche geführt haben.
Mit großem Abstand an der Spitze: die vier Energieriesen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, bei denen trotz verstärkter Investitionen in erneuerbare Energien noch immer Kohle- und Atomstrom das Geschäft dominieren. Eon traf insgesamt 40 SpitzenpolitikerInnen, darunter 4 mal die Kanzlerin und 29 mal Minister; RWE kommt auf 40 Kontakte, davon 3 mit Merkel und 22 mit verschiedenen MinisterInnen.
Zum Vergleich: Enercon kommt als größter deutscher Hersteller von Windkraftanlagen auf 3 Gespräche, davon 2 auf Ministerebene. „Schwarz-Rot bleibt im Energiebereich eine Große Koalition der großen Bosse“, kommentiert Eva Bulling-Schröter, energiepolitische Sprecherin der Linken. Die „offensichtliche Bevorzugung der Wirtschaftsriesen gegenüber dem Umweltschutz“ habe konkreten Einfluss auf die Energiepolitik, wie sich beim Ausbremsen der Energiewende und dem Eintreten für Kohlekraftwerke zeige.
Auch auf Verbandsebene sind die Unterschiede gewaltig: Während der Bundesverband Erneuerbare Energien bei 5 Terminen empfangen wurde, kam der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf 39 Gespräche. In dem Verband sind zwar neben den großen Konzernen und vielen Stadtwerken auch Unternehmen aus der Erneuerbaren-Branche Mitglied. Die energiepolitischen Forderungen des BDEW stützen jedoch oft die konventionellen Anbieter – etwa beim Kampf gegen die Kohleabgabe und für die finanzielle Unterstützung fossiler Kraftwerke.
Enge personelle Verflechtungen
Neben einem Termin bei der Kanzlerin hatten die BDEW-VertreterInnen insgesamt 16 Treffen mit 5 verschiedenen BundesministerInnen. Der Verband hält das für ganz normal. „Aufgrund der steigenden Komplexität wächst die Nachfrage der Politik nach Positionen und Einschätzungen, die die Energiewirtschaft als Ganzes im Blick behalten“, teilte der BDEW auf taz-Anfrage mit.
Eva Bulling-Schröter, Die Linke
Hilfreich dürfte allerdings auch die enge personelle Verflechtung des Verbands mit der Politik gewesen sein: Die langjährige BDEW-Chefin Hildegard Müller, die später zu RWE wechselte, war zuvor Staatsministerin unter Kanzlerin Angela Merkel. Ihr Nachfolger Stefan Kapferer war unter Philipp Rösler (FDP) und Gabriel Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Für die Energieökonomin Claudia Kemfert ist die starke Lobbyarbeit gerade angesichts des Erfolgs der Energiewende nicht verwunderlich. „Die fossile Energiewirtschaft kämpft mit allen Mitteln um ihre Pfründe“, sagte sie der taz. „Denn jeder Tag, den ihre Kohlekraftwerke länger laufen, bringt Geld in die Kasse.“
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien kritisiert, die Regierung höre vor allem auf „konservative Energie- und Industrieverbände, denen die Energiewende zu schnell geht“. Das Wirtschaftsministerium weist diesen Vorwurf zurück. „Einen privilegierten Zugang einzelner Interessenvertreter“, schreibt SPD-Staatssekretär Uwe Beckmeyer in der Antwort, „kann die Bundesregierung nicht feststellen“.
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