Polen vor den Kommunalwahlen: Stimmungstest für Tusk-Regierung
In Polen wird am Sonntag gewählt. Am spannendsten wird es in Krakau. Hier war ein Postkommunist 20 Jahre lang Stadtpräsident. Wer wird sein Nachfolger?
Ziel der konservativ-liberalen Bürgerplattform von Donald Tusk ist es, den Wahlerfolg vom vergangenen Herbst zu wiederholen. Das ist nicht ganz einfach, denn bei den Wahlen zu den 16 Sejmiki (Landtage), den 314 Powiaty (Kreistage) und den 2.477 Stadt- und Gemeinderäten sind fast 50.000 Mandate zu verteilen. Die meisten davon auf dem Land und in kleineren und mittelgroßen Städten. Da aber sind die politischen und sozialen Themen ganz andere als in der „großen Politik“ – lokal eben, und oft hochemotional besetzt.
Kluft zwischen Stadt und Land
2018 hatte die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Kommunalwahlen gewonnen. Nur die großen und prestigeträchtigen Städte wie Warschau, Krakau, Lodz, Danzig, Stettin, Breslau, Posen und Lublin waren an liberale Politiker*innen von der PO, der Linken und parteilosen Bürgerinitiativen gegangen. Insgesamt waren dies über 20 Großstädte.
An die PiS hingegen fielen gerade mal vier Großstädte, dafür aber 62 mittelgroße und kleinere Städte sowie insgesamt 168 Landgemeinden. Das war die klare Mehrheit.
Nur die Bauernpartei PSL konnte auch in Landgemeinden und Kleinstädten punkten, während PO und Linke hier herbe Niederlagen einstecken mussten.
In diesem Jahr allerdings werden die Karten völlig neu gemischt. Denn es treten etliche Parteien an, die es in dieser Konstellation vor fünf Jahren noch gar nicht gegeben hat. So beispielsweise das christlich-agrarische Parteienbündnis Dritter Weg, bestehend aus der Bauernpartei PSL und der neuen Partei Polska 2050. Auch die Neue Linke tritt als neues Parteienbündnis aus Sozialdemokraten (SLD) und dem grün angehauchten Frühling von Robert Biedron zum ersten Mal an.
Spannung in Krakau
Besonders spannend wird es bei diesen Wahlen in der südpolnischen Kulturmetropole Krakau. Über Jahrhunderte ließen sich hier Polens Könige krönen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die nach Warschau zweitgrößte Stadt Polens nicht zerstört, dann aber – in der Nachkriegszeit – von den regierenden Kommunisten absichtlich vernachlässigt. Dennoch wählten die angeblich so konservativen Krakauer im Jahr 2002 den Postkommunisten Jacek Majchrowski zum Stadtpräsidenten.
Danach waren sie so zufrieden mit ihm, dass sie ihn immer wieder wählten. Schon vor Monaten kündigte der inzwischen dienstälteste Stadtpräsident an, dieses Mal aus Altersgründen – er ist 77 Jahre alt – nicht mehr kandidieren zu wollen. Sein Posten ist heiß umkämpft. Umfragen zufolge hat der unabhängige Kandidat Lukasz Gibala die größten Chancen, Majchrowskis Nachfolger zu werden. Gegen ihn als einzigem läuft eine anonyme Schmutzkampagne, die bisher schon mehrere 100.000 Zloty gekostet haben muss.
Sollte er in der Stadtpräsidentenwahl nicht mehr als 50 Prozent aller Stimmen bekommen, wovon eigentlich alle ausgehen, wird es eine zweite Runde geben. In der Stichwahl würden dann der Erst- und Zweitplatzierte gegeneinander antreten. Donald Tusk und die PO hoffen, dass dann ihr Mann in Krakau, Aleksander Miszalski, Gibala überholen wird und Stadtpräsident der alten Königsstadt wird.
Wenig Überraschendes in Warschau
In der Hauptstadt Warschau gibt es kaum Umfragen, auch keinen richtigen Wahlkampf, nur ein paar langweilige Plakate. Denn der bisherige Stadtpräsident Rafal Trzaskowski von der PO ist der unangefochtene Favorit. Die einzige ernst zunehmende Gegenkandidatin, Magdalena Biejat von der Neuen Linken, war nicht präsent genug in den Medien.
Und der Kandidat der PiS, Tobiasz Bochenski, wirkte neben dem sympathisch wirkenden Sonnyboy von der PO eher wie ein humorloser Spielverderber. Wahrscheinlich gewinnt Trzaskowski die Wahl schon im ersten Anlauf. Allerdings können die Warschauer*innen nicht sicher sein, dass er in anderthalb Jahren nicht erneut startet – bei den Präsidentschaftswahlen Polens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag