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Polemik in Benzinpreis-DebatteBilliges Empörungsspektakel

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Das Baerbock-Bashing in der Benzinpreis-Debatte ist unfair. Die gerade verschärften Klimaziele der Bundesregierung gehen in die gleiche Richtung.

Wegen vorgeschlagener Benzinpreis-Erhöhung hagelt es Kritik Foto: Michael Kappeler/dpa

W er hat’s gesagt? „Perspektivisches Ziel sollte ein einheitlicher, sektorübergreifender CO2-Preis in der EU sein“, steht in einer Stellungnahme von Ende Mai an die EU-Kommission. Es muss wohl Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baer­bock gewesen sein – alle anderen Parteien sind doch strikt gegen alles, was Benzin teurer macht. Oder?

Der Satz stammt aber von der Bundesregierung. Also von den zwei Parteien, deren Spitzenleute Baerbock seit Tagen attackieren, weil die sich für 2023 einen CO2-Aufpreis von 16 Cent pro Liter Benzin wünscht. Oder genauer: Sie will, dass eine Tonne Kohlendioxid dann in Deutschland 60 Euro kostet.

Ob man einen CO2-Preis nun gutheißt oder nicht: Dass GroKo-Politiker:innen Baerbock nun in den drastischsten Worten sozialen Ausverkauf vorwerfen, ist blamabel. Die Regierung selbst hat schließlich einen CO2-Preis in Deutschland eingeführt, und zwar – anders als die Grünen es vorschlagen – ohne nennenswerten Sozialausgleich. Die aktuell 25 Euro pro Tonne entsprechen auf den Liter Benzin umgerechnet einem Aufpreis von 7 Cent.

Fast die Hälfte von dem, was die Grünen für 2023 fordern, haben Union und SPD also mit dem „Brennstoffemissionshandelsgesetz“ längst zur Realität gemacht. Gesetzlich festgeschrieben ist auch eine schrittweise Preissteigerung. Eine Spanne von 55 bis 65 Euro ist nicht für 2023, sondern kurz darauf für 2026 vorgesehen.

Mit ihrer Reform des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung jedoch die Verschärfung der bisherigen Klimaziele beschlossen – damit liegt auch eine schnellere Steigerung des CO2-Preises nahe. Die GroKo-Politik entspricht also praktisch den Grünen-Plänen.

Das heißt: Entweder wollen die zankenden SPD- und Uni­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen darüber informieren, dass die Bundesregierung ihre Klimastrategie gerade grundlegend nach den Forderungen der Linkspartei geändert hat – und ab jetzt mehr mit strikten Vorgaben und Verboten für die klimaschädlichen Industrien als mit dem CO2-Preis arbeiten will. Oder sie veranstalten einfach ein billiges Empörungsspektakel, um die Grünen zu diffamieren.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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9 Kommentare

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  • Man mag es heuchlerisch empfinden, dass die anderen Parteien die Baerbock wegen der 16-Cent angreifen, obwohl sie selbst dafür sind. Nichtsdestotrotz ist für mich JEDE Partei, die im Niedriglohnland Deutschland mit den teuersten Strompreisen in ganz Europa noch mehr für Sprit kassieren will, ohne vernünftige Alternativen zum Auto anzubieten, unwählbar. Wie ich benutzen die meisten Menschen das Auto, um von/zur Arbeit zu fahren, weil es sogar in den Großstädten katastrophale Taktungen und Anbindungen im ÖPNV gibt. Kleines Beispiel: Ich benötige in Berlin zu meiner Arbeit mit Bus und Bahn (2 Mal umsteigen!) knapp über 1 Stunde (inkl. Laufen). Mit dem PKW fahre ich von Tür zur Tür eine halbe Stunde und muss mich nicht über ausgefallene S-Bahnen und Busse



    aufregen.

  • Damit hätten wir dann auch eine Erklärung, weshalb die Grünen in S.-A. nicht in die Koalition wollen. Als Juniorpartner hätten sie wahrscheinlich nicht die Macht, ihr Projekt durchzudrücken. In ihrer Erfolgsbilanz würde das als Niederlage ausgewiesen.



    Bleiben sie aber Opposition, können sie die Regierung nach Herzenslust kritisieren.

  • Solange die Mehrheit der SPD- und Unionswähler dem Verbrenner nicht abgeneigt ist, müssen SPD un Union die Geduld der Wähler nicht überstrapazieren. Sonst gibts Ärger. Diese Leute verlassen zwar Union, gehen jedoch sicher nicht zu Grünen.

  • Zusammengenommen mit den anstehenden Steigerungen des CO2-Preises in den nächsten zwei Jahren fordert Frau Baerbock also nur, was die anderen schon aktuell beschlossen und für die nächsten zwei Jahre vorgezeichnet haben? Und wenn es wie anderswo zu lesen war, tatsächlich um geforderte 16 Cent mit Sozialausgleich statt jetzt 7 wahrscheinlich bald 15,5 Cent über CO2-Preis ohne Sozialausgleich geht, warum konnte Sie das nicht kommunizieren? Aus Sicht eines Umweltfreundes: Warum noch Grüne wählen, wenn die anderen nach dem Verfassungsgerichtsurteil das Benzin doch schon deutlich teurer gemacht haben und über den neuen Mechanismus weiter teurer machen werden?

    • @Balder :

      Naja weil vielleicht die eine Partei das nicht zur budnesbilanz-Aufstockung nutzen will, sondern wirklich grüne Prozesse anstossen möchte. Ok in BW sehen wir das dies nicht der Fall ist, aber eventuell ist im Bund ja mehr von den grünen zu erwarten, als vom schwarz-grünem Kretschmann

  • Ja, unfair. Die Angela hat der Annalena den Sandkuchen kaputt gemacht. So eine Gemeinheit.

    Das ist halt Politik. Ist schon vielen Politikern so gegangen, dass eine unbedachte Wortwahl einen Shitstorm ausgelöst hat. 60 Euro für eine Tonne CO2 kann halt keiner einordnen. 16ct pro Liter schon. Die schmollende Haltung, die aus dem Artikel hervorgeht, macht es nur schlimmer.

  • Die Tour kennen wir doch zur Genüge, lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen.

  • RS
    Ria Sauter

    Das wäre die Chance gewesen für die Grünen nicht ins gleiche Horn zu blasen.



    Wenn sie auch nur einen Gedanken an diejenigen verschwendet hätten, die auf ein Fahrzeug angewiesen sind, hätten sie eine sozialverträgliche Lösung ins Spiel gebracht.



    Somit ist die Empörung gerechtfertigt!



    Gruss von einer Exgrünen, die noch mit Metzger und Schlauch Plakate für diese Partei geklebt hat. Mittlerweile aber habe ich mit Grausen abgewandt.

    • @Ria Sauter:

      Das verstehe ich jetzt ehrlich gesagt nicht. Die Grünen haben doch eine sozialverträgliche Lösung vorgeschlagen. Über Details kann man sicher trefflich streiten. Aber eine Idee ist auf dem Tisch. Sie hätten das nur besser verkaufen müssen.