Pokal-Aus des FC Bayern: Kleinbürgerliche Häme

Die Schadenfreude über die Bayern-Niederlage ist oberflächlich. Denn es sind gerade die kleinen Überraschungen, die die Bayern-Diktatur stabil halten.

Jubelnde Fußballer in Saarbrücken

So sehen Sieger aus: Der 1. FC Saarbrücken nach ihrem 2:1 Sieg gegen die übermächtigen Bayern Foto: Uwe Anspach/dpa

Die Männer des FC Bayern sind in der zweiten Runde des DFB-Pokals ausgeschieden, gegen den Drittligisten Saarbrücken, und für halb Deutschland ist das ein Thema. Auch für Leute, die vorher gar nicht wussten, dass Bayern in Saarbrücken spielt oder dass überhaupt Pokal stattfindet. Um Fußball geht es hier nur am Rande.

Es ist eine vorhersehbare Schadenfreude, die die Bundesrepublik bei jeder größeren Bayern-Niederlage ergreift und in die auch Linke gern einstimmen. Eine Häme, die kleingeistig, ritualisiert und öde ist. Statt Verhältnisse ändern zu wollen, feiert man einen Fehltritt; statt um Systemisches geht es wie immer um die bösen Bayern. Das hat etwas von Elon-Musk-Faszination.

Seit dem offiziellen Ende der Pandemie ist es bemerkenswert still geworden um Reformforderungen im Fußball. Dass die Reichen immer reicher werden und mit immer größerem Vorsprung ihre Titel holen, mobilisiert kaum mehr. Die Verbände sind unfähig, diese Großunternehmen zu regulieren. Selbst wenn sie es wollten – sie stehen so hilflos da wie ein Nationalstaat vor Amazon. 1977 schlug Saarbrücken den FC Bayern mit 6:1 – heute ist schwer vorstellbar, dass überhaupt irgendein deutscher Klub die Bayern mit 6:1 schlagen könnte.

Es gibt zahllose Vorschläge, Fußball klüger zu strukturieren: Vergesellschaftung von Ligen, Leistungsmessung auf Basis von Voraussetzungen statt Output, Tabellenpunkte auch für wirklich wertvolle gesellschaftliche Leistung wie Nachhaltigkeit und Soziales statt nur für Siege; Verbote unethischer Sponsoren, neue Spielformen. Unsichtbar bleiben sie auch dadurch, dass nicht einmal Fans sie für möglich halten.

Der Hohn über eine Bayern-Niederlage ist der kleinbürgerlichste und hilfloseste Umgang mit Macht. Kleine Überraschungen sind es, die die Bayern-Diktatur stabil halten. Dem System könnte nichts Besseres passieren als eine verpasste Meisterschaft im kommenden Frühjahr. Die Öffentlichkeit, inklusive vieler Linker, würde begeistert johlen. Und feststellen: Der Wettbewerb funktioniert doch. Zum Glück gibt es ja gar kein Problem, oder?

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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