Pogrome gegen Roma in der Ukraine: Rechte Gewalt als Kavaliersdelikt
Ein Rechtsradikaler hat mußmaßlich ein Roma-Lager in Kiew in Brand gesteckt. Jetzt wurden die Auflagen seines Hausarrests stark gelockert.
Am Ende ließ der ukrainische Richter Milde walten und lockerte die Auflagen des Tatverdächtigen. Ab sofort gilt der Hausarrest von Serj Masur, Koordinator der rechtsradikalen ukrainischen C14-Gruppe, nur noch für die Nachtstunden. „Ich danke euch allen, die ihr beim Gericht da wart. Ihr wart über 100 Leute hier. Das hat mir sehr geholfen“, wandte sich der Rechtsradikale nach Verkündung des Urteils an seine Unterstützer. Die Entscheidung des Gerichts sei ein Schritt in die richtige Richtung. Nun könne er sich wieder über die Sonne freuen und sich weiter seinen gesellschaftlichen Aktivitäten widmen.
Die „Aktivisten“ von C14 versetzen mit ihren „Aktionen“ immer wieder Roma, aber auch angebliche Separatisten und Homosexuelle in Angst und Schrecken. Masur war der Anführer von Rechtsradikalen der Organisation C14, die am 21. April dieses Jahres ein Roma-Lager in einem Park in Kiew in Brand gesteckt und die Bewohner vertrieben hatten. Bereits am nächsten Tag veröffentlichte Serj Masur auf seiner Facebook-Seite Fotos des Pogroms.
Trotz dieser Beweislage wurden die Rechtsschutzbehörden erst am 10. Juli mit einer Hausdurchsuchung bei Masur aktiv. Unter dem Verdacht des Rowdytums und der Zerstörung fremden Eigentums mit Brandstiftung wurde er am 18. Juli unter Hausarrest gestellt.
Unter den Roma geht derweil die Angst um. „Allein in den letzten anderthalb Monaten gab es sechs Brandstiftungen und zwei Morde an Roma. Das ist eine erschreckende Tendenz“, sagt Roma-Sprecher Nikolaj Burlutzkij aus Charkiw der taz. Derzeit werde die Diskriminierung der Roma ganz gezielt weiter verschärft.
Roma fürchten weitere Gewalt
Seine Furcht ist begründet. Weitgehend straflos können ukrainische Rechtsradikale Gewalt und Schrecken unter Andersdenkenden und Roma verbreiten.
Am 4. Mai „verhafteten“ Mitglieder der C14 den brasilianischen Staatsbürger Rafael Marques Lusvarghi, trieben ihn durch die Stadt und übergaben ihn dem Inlandsgeheimdienst SBU. Lusvarghi hatte auf der Seite der Separatisten gekämpft und sollte von einem ukrainischen Gericht verurteilt werden. Unter Auflagen wurde er jedoch vor dem Prozess auf freien Fuß gesetzt.
Im Juni hatte der Radiosender Hromadske berichtet, dass C14-„Aktivisten“ vom Staat 14.000 Euro für patriotische Erziehung von Jugendlichen erhalten hatten.
Roma-Sprecher Burlutzkij fürchtet weitere Gewalt, wenn der Staat nicht endlich aktiv werde. „Diese Handlungen gegen die Roma müssen dringend von den Behörden für die innere Sicherheit aufgegriffen werden. Denn das ist nicht mehr nur ein Problem der Roma, sondern der gesamten Ukraine“, so Burlutzkij. Wie wahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?