Podcaster über G20-Gipfel in Hamburg: „Debatte noch nicht abgeschlossen“

Studierende der Universität Hamburg haben den Podcast „Inside G20“ produziert. Zum fünften Jahrestag rekapitulieren sie die Ereignisse.

Brennende Barrikade

Bilder, die vom G20-Gipfel in Hamburg bleiben: Brennende Barrikaden Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

taz: Herr Laux, Sie haben mit Stu­di­en­kol­le­g:in­nen den Podcast „Inside G20“ produziert. War das für Sie auch eine Aufarbeitung der persönlichen Erlebnisse?

Simeon Laux: Ich, aber auch andere aus dem Team, haben den G20-Gipfel damals vor Ort miterlebt. Die Polizeipräsenz, sowohl auf der Straße als auch in der Luft, war enorm. Dementsprechend war es spannend, die eigenen Erlebnisse im Rahmen der Recherche zu reflektieren. Außerdem wusste ich von vielen Hamburger:innen, dass die Geschehnisse für sie nur unzureichend aufgearbeitet wurden. Auch deshalb war es für uns wichtig, den kompletten Ablauf des G20-Gipfels zu rekonstruieren.

Wie entstand die Idee, einen Podcast über G20 zu produzieren?

Jonas Freudenhammer und Fabian Börger aus unserem Team haben G20 als Thema vorgeschlagen – weil wir als Studiengang direkt vor Ort sind und fünf Jahre später immer noch viele Fragen offen sind.

Ist der G20-Gipfel in Hamburg heute noch relevant?

30, studiert Journalistik an der Universität Hamburg. Mit anderen Studierenden produzierte er den Podcast „Inside G20 – Hamburg zwischen Gipfel und Abgrund“, abrufbar u. a. auf Spotify.

Ja, auf jeden Fall. Wenn man mit Menschen ins Gespräch kommt, die das damals miterlebt haben, merkt man schnell, dass G20 noch eine Rolle spielt. Auch der Sonderausschuss der Bürgerschaft hat Fragen ungeklärt gelassen, vor allem nach politischer Verantwortlichkeit. Dass die Debatte bis heute nicht abgeschlossen ist, zeigt, wie komplex und wichtig das Thema ist.

Der Podcast versucht, die Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven zu rekonstruieren und einzuordnen. War die öffentliche Debatte bisher unvollständig?

Sie hat vor allem auf politischer Ebene stattgefunden. Es gab nur eine Sitzung des Sonderausschusses, bei der An­woh­ne­r:in­nen zu Wort kamen. Die Anliegen der Bevölkerung kamen in der Aufarbeitung deutlich zu kurz. Außerdem hatten viele unserer In­ter­view­part­ne­r:in­nen das Gefühl, dass medial vor allem die gewaltsamen Ausschreitungen diskutiert wurden. Dass der überwiegende Anteil der Demonstrierenden friedlich und konstruktiv protestierte, ist leider oft untergegangen.

Ist es Ihnen gelungen, alle relevanten Seiten zu Wort kommen zu lassen?

Diese Bewertung müssen die Zu­hö­re­r:in­nen treffen. Wir haben versucht, alle Seiten miteinzubeziehen, was aber nur bedingt geklappt hat. Sowohl die Polizei- als auch die Innenbehörde haben unsere Anfragen blockiert und lediglich auf frühere Berichterstattung oder den Sonderausschuss verwiesen. Wir konnten einen Polizisten befragen, der sehr offen geantwortet hat, hätten aber gerne mit noch mehr Personen auf polizeilicher Seite gesprochen. Darüber hinaus haben wir mit Wissenschaftler:innen, Demonstrierenden und An­woh­ne­r:in­nen gesprochen.

Sie haben auch mit vielen Ak­ti­vis­t:in­nen gesprochen. Wie blicken die zurück?

Am 7. und 8. Juli 2017 trafen sich Vertreter:innen der 20 größten Industrieländer in den Hamburger Messehallen. Neben Gastgeberin Angela Merkel waren unter anderem auch Donald Trump und Wladimir Putin vor Ort.

Zu Ausschreitungen und Gewalt kam es bereits in den Tagen zuvor zwischen Protestierenden und der Polizei. Hunderte Menschen wurden teilweise schwer verletzt.

Bis heute sind die Geschehnisse nicht vollständig aufgearbeitet. Insgesamt wurden rund 3.500 Verfahren gegen Protestierende eingeleitet, einige davon liegen noch immer vor Gericht. Auf der anderen Seite wurde kein einziger Polizist angeklagt.

Das kann man nicht pauschal sagen. Viele bedauern, dass die Ausschreitungen damals so gewaltsam waren. Grundsätzlich ist es allen ein Anliegen, dass die Geschehnisse differenziert betrachtet werden. Viele sind beispielsweise enttäuscht, dass Gewalt auf polizeilicher Ebene nicht zur Anklage gebracht wurde.

Und wie blicken Po­li­ti­ke­r:in­nen zurück?

Das kommt darauf an, mit wem man spricht. Auch SPD und Grüne als Regierungsparteien in Hamburg bewerten das unterschiedlich. Während die SPD eine überwiegend positive Bilanz der Aufarbeitung zieht, gibt es bei den Grünen auch kritische Stimmen. Die Linke ist der Auffassung, dass bisher viel zu wenig passiert sei.

Hat Sie während der Recherche etwas überrascht?

Überrascht hat uns die juristische Aufarbeitung, die teilweise noch immer nicht abgeschlossen ist und die durchaus politisch aufgeladen war. Ebenso die unterschiedliche Auffassung der Regierungsparteien.

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