Podcast Bundestalk: Von Frankreich lernen
In Frankreich wird gefeiert. Das demokratische Spektrum schaffte es, einen rechtsextremen Wahlsieg abzuwenden. Können das die anderen EU-Länder auch?
BERLIN taz | Als nach der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen die Kandidat*innen des Ressemblement National (RN) klar in Führung lagen, waren sich die meisten sicher: Die Rechtsextremen um Marine Le Pen werden in der neuen französischen Nationalversammlung die stärkste Fraktion werden und Anspruch auf den Posten des Regierungschefs erheben.
Doch es kam anders. Drittplatzierte zogen ihre Kandidatur zugunsten der Konkurrenz aus dem demokratischen Spektrum für die zweite Wahlrunde zurück, der RN landete nur auf dem dritten Platz, und auf den Straßen feierten die Anhänger*innen des Linksbündnisses Neue Volksfront. Marine Le Pen verkündete, ihr Wahlsieg sei nur verschoben. Tatsächlich hat die Rechte in den vergangenen Jahren immer nur zugelegt.
Noch ist unklar, wie es jetzt weitergeht. Die absolute Mehrheit hat niemand, Koalitionsbildungen sind in Frankreich Neuland, und wer als Premier wie in „Cohabitacion“ mit Präsident Emmanuel Macron zusammen regieren kann, ist unklar. Auch wie eilig es Macron eigentlich damit hat, eine neue Regierung einzusetzen, ist Gegenstand der Diskussion.
Der Erfolg, noch einmal mit „republikanischer Disziplin“, wie es in Frankreich genannt wird, eine rechte Regierungsübernahme verhindert zu haben, bleibt. Ist Frankreich ein übertragbares Modell, etwa für Deutschland? Was unterscheidet Frankreichs Rechte und Gesellschaft von Deutschland oder Italien, welche konfrontativen Themensetzungen sind ähnlich?
Darüber diskutiert Auslandsredakteur Bernd Pickert mit seiner Ressortkollegin Tanja Tricarico, dem taz-Frankreichkorrespondenten Rudolf Balmer und Sabine am Orde aus dem taz-Parlamentsbüro.
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Leser*innenkommentare
Metallkopf
Also feiern würde ich solche prekären Pyrrhussiege eher nicht. Denn die Grundlagen dafür, dass rechte Populisten gewählt werden, sind damit noch lange nicht beseitigt.
Und das sind entgegen der gern vor sich hergetragenen Monstranz der angeblichen Dummheit oder Verbohrtheit der Wähler in weiten Teilen einfach ganz reale Probleme der Bevölkerung, die mit Ideologie schlicht zugeschüttet oder schöngefärbt wurden, anstatt sie zu lösen.
Jugendarbeitslosigkeit, Ausschreitungen auf den Straßen, No-Go-Areas in bestimmten Gebieten, Kriminalität und Korruption...
Da schlägt praktisch überall die Stunde der Leute mit den radikalen "Lösungen".
Dietmar Rauter
Es ist KEIN Zufall, dass zum Schluss viele Worte über den Parlamentarismus bei uns und allgemein gefallen sind, über die Unfähigkeit zu regieren und eine 'Hilflosigkeit' der organisierten Rechten etwas entgegen zu setzen.
Meine These dazu: Wenn es bei den Parteien an Zustimmung des Wahlvolks mangelt- das zeigt sich überall bei zumeist zurückgehender Wahlbeteiligung, geht ein Stück Demokratie verloren (oder hatte sich nie entwickelt am Beispiel der CDU, die sich lange Zeit aus zweifelhaften Quellen wie Burschenschaften oder Lobbyverbänden speiste, bei der SPD waren es Gewerkschaften, die aber in ihren Betrieben an Einfluß einbüßten). Wenn 'Grüne' das nicht verstehen und mit diesen selbsternannten Parteifürsten Konpromisse eingehen und sich an der Klimafrage zeigt, dass dieser Parlamentarismus eben nicht das Überleben garantieren kann. So dokumentieren die Demonstrationen gegen 'rechts' oder die hohe Wahlbeteiligung zur Verhinderung von Faschisten eine Fehlentwicklung dieses Parlamentarismus, wenn die 'demokratischen' Parteien so versagen, dass ein großer Teil der Wählerschaft zu Rechten abwandert. Wir müssen Demokratie neu organisieren ohne dies so etablierte Parteiensystem !
Barthelmes Peter
Erst mal abwarten bevor gefeiert wird ! Die "Neue Volksfront" hat noch nicht regiert, mal schaun ob sie einen Kandidaten als Premierminister durchbringt. Ob Melenchon zum demokratischen Spektrum gehört wage ich auch zu bezweifeln.Unruhen sind jedenfalls vorprogramiert . Durch das Mehrheitswahlrecht konnte die "Neue Volksfront"zwar mehr Abgeordnete generieren, aber Rassemblement National bekam 1,7 Millionen Stimmen mehr. Die Grünen wollen nicht mit den "Macronisten" koalieren, die Macronisten nicht mit Melenchon - zum Feiern ist es noch zu früh !