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Plattformen beim Online-ShoppingWeg vom Händler, hin zum Marktplatz

Im Online-Handel geht der Trend zur Plattform. Das hat Nachteile – nicht nur für Händler, sondern auch für für Ver­brau­che­r:in­nen.

Temu: Gerade bei jungen Menschen ist die Plattform beliebt Foto: Nikos Pekiaridis/imago

Berlin taz | Marktplätze spielen im Online-Handel eine zunehmend größere Rolle. Immer mehr Kun­d:in­nen bestellen Waren über sie, ihr Marktanteil wächst. Unternehmen, die in der Vergangenheit noch als Händler agierten, werden selbst zu Plattformen. Das sind Befunde aus dem jährlichen Online-Monitor, den der Handelsverband Deutschland (HDE) am Montag vorgestellt hat.

„Marktplätze sind besonders stark gewachsen im vergangenen Jahr“, sagte der stellvertretende HDE-Geschäftsführer Stephan Tromp. Mit einem Plus von 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr liege ihr Marktanteil im Online-Handel nun bei 54 Prozent.

Im Unterschied zu klassischen Online-Händlern agieren Marktplätze oder Plattformen nicht selbst als Verkäufer, sondern als Vermittler, der Händler und Kun­d:in­nen zusammenbringt. Groß gemacht hat das Modell Amazon. Der US-Konzern schafft mittlerweile mehr Umsätze mit seinem Marktplatzgeschäft als mit dem Eigenhandel. Aber auch hiesige Unternehmen wie Otto oder Kaufland agieren mittlerweile nicht nur als Händler, sondern auch als Plattform.

Für den Markt und die Nut­ze­r:in­nen bieten Plattformen zwar Vorteile, weil sich etwa Waren schneller auffinden lassen. Sie haben aber auch Nachteile und Risiken. Zum Beispiel eine Tendenz zur Konzentration. „60 Prozent des deutschen Online-Umsatzes wird über Amazon getätigt“, sagte Tromp. Amazon hat also hier umfangreiche Einblicke – einerseits in das Kaufverhalten und damit das Leben der Kun­d:in­nen und andererseits in die Geschäfte der Firmen, die ihre Waren über seinen Marktplatz verkaufen.

Wer ist der Verkäufer?

Ein weiterer Nachteil: Kun­d:in­nen sehen meist nur bei genauem Hinschauen, wer eigentlich ihr Vertragspartner ist. So gaben in einer Umfrage des Verbands 40 Prozent der Befragten an, schon einmal ungewollt im Ausland bestellt zu haben. Gerade bei Käufen außerhalb der EU ist es jedoch für Kun­d:in­nen oft deutlich schwieriger, zum Beispiel fehlerhafte Produkte zu reklamieren.

China führt laut einer Umfrage der Marktforschungsfirma IFH Köln die Liste der Länder für Auslandsbestellungen an. Das hat auch mit verhältnismäßig jungen Anbietern wie Temu zu tun. Die 2022 gegründete Plattform bringt Anbieter aus China mit Kun­d:in­nen vor allem in Europa und den USA zusammen. Gerade bei jungen Menschen ist die Plattform beliebt – im vergangenen Jahr war ihre App das in Deutschland am häufigsten heruntergeladene Shopping-Tool.

Den deutschen Händlern ist die neue Konkurrenz ein Dorn im Auge. Der Chef der Drogeriekette Rossmann forderte im Handelsblatt, Temu abzuschalten, halte sich der Anbieter nicht an die Regeln. Der HDE zeigte sich gemäßigter und forderte vor allem, das „Vollzugsdefizit“ zu beseitigen.

„Die aktuelle Paketflut macht die Durchsetzung der Gesetze zurzeit unmöglich“, kritisierte Tromp. Im vergangenen Jahr seien 2 Milliarden Pakete mit einem angegebenen Warenwert von unter 150 Euro – das ist die Zollfreigrenze – in die EU eingeführt worden. Bran­chen­ex­per­t:in­nen gehen davon aus, dass diese Deklaration nicht immer dem tatsächlichen Wert entspricht.

In vier Jahren soll diese Grenze wegfallen, der HDE fordert, das vorzuziehen. Darüber hinaus müsse der Zoll mehr Stichproben machen und die EU dafür sorgen, dass Ver­tre­te­r:in­nen von Nicht-EU-Plattformen innerhalb der EU greifbar seien, um etwa Bußgelder einziehen zu können. Zwar ist eine Vertretung in der Union aktuell schon Pflicht – doch die sei häufig nur eine Adresse, so Tromp.

Auch Verbraucherschutzverbände haben die Plattformen im Visier: So mahnte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bereits im März Temu ab. Er warf dem Unternehmen unter anderem Dumpingpreise und die Verwendung sogenannter Dark Patterns vor. Das sind Designelemente, die Nut­ze­r:in­nen etwa dazu bringen sollen, mehr zu kaufen. Diese sind seit Februar in der EU verboten. Das Unternehmen widerspricht den Vorwürfen.

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3 Kommentare

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  • Dieser Trend ist doch eine Entwicklung welche sich bereits seit einigen Jahren vollzieht. Nicht nur die genannten Otto und Kaufland sind mittlerweile Plattformen. Auch Media Markt, Zalando, About You, und so weiter sind alles Plattformen.

    Die Entwicklung ist (leider) konsequent. Die Plattform-Konzerne können nur über diesen Weg noch maßgeblich wachsen. Angeschlossene Verkäufer "profitieren" von der großen Reichweite. Und ohne Multi und Cross-Channel bleibt man als Verkäufer auf Dauer ein kleiner Krauter.

  • Das scheint der Todestrieb des Kapitalismus zu sein.

    Nun denn...

    Ich meide diese Dinger wie der Teufel das Weihwasser. Ein Händler, zu dem ich nicht hingehen kann, der alternativ nicht auf e-Mail oder Telefon reagiert verkauft mir sein Dingens einfach nicht.

    Ich komm' mit wenig aus.

    • @tomás zerolo:

      Ok gesteigerte Profite sind also ein Todestrieb des Kapitalismus, kein Wunder das der nicht zusammenbricht was passiert erst wenn er um sein Leben kämpft?!



      Sie meiden die "Dinger" wie etwas Spekulatives, etwas nicht Nachweisbares? Auch interessant.



      Man kann zu Internetanbietern (oft) nicht in den Laden gehen ja. Aber auf Email und Telefon reagieren die eher und aufgrund von Interesse auch zuverlässiger und hilfsbereiter.



      Soviel zu unterschiedlicher subjektiver Wahrnehmung.



      Ohne Statisktik also kein Mehrwert des Kommentars über ein "so sehe ich das". Kann man machen, bringt halt nichts. Siehe social Media.