Plakataktionen Hamburger Musikclubs: Die ganz große Freiheit
Mit angeblich unterdrückter Meinung zur Coronapolitik plakatieren Docks und Große Freiheit 36 ihre Fassaden. Kritik daran stößt auf wenig Einsicht.
Da hatte sich zum ersten Mal Streit entzündet an der Fassadengestaltung des traditionsreichen Docks am Spielbudenplatz: Wer das Bedürfnis hatte, „eine Alternative Meinung“ (sic!) zu äußern, erhielt dazu Gelegenheit – in Gestalt eines Plakats, Format A1, „für einen Unkostenbeitrag von 20 Euro für einen Zeitraum von vier Wochen“.
Zu lesen gab es auf den Plakaten Erwartbares: Die angeblich gleichgeschalteten Medien wurden bemängelt, allerlei Panikmache beklagt, und immer wieder die Behauptung: Was da nun stehe, werde überall sonst unterdrückt. Das stimmte damals so wenig, wie es das heute tut, aber davon ganz unbeirrt finden sich solche Plakate inzwischen auch an der Großen Freiheit 36.
Dieser Tage gibt es wieder Streit, insofern brisanter, als sich teils langjährige Geschäftspartner*innen distanziert haben von den Auftrittsorten: Mehrere Konzertveranstalter und Labels – „für weit über 90 Prozent eures Programms verantwortlich“ – kündigten am 17. März per offenem Brief an, ihre Künstler*innen dort nicht mehr auftreten zu lassen.
Künftig Pluralismus auch an der Fassade
Aber sie reichten den Empfänger*innen auch die Hand: „Da wir aber im Gegensatz zu euch nicht der Meinung sind, dass es in diesem Land keine Meinungsfreiheit gibt, möchten wir euch zumindest die Gelegenheit geben, zu dieser Sache Stellung zu beziehen.“
Am Donnerstag nun kam Antwort – der mäßig einsichtigen Art. Docks und Große Freiheit 36 wollen die Plakate nicht abhängen, aber künftig auch „Meinungen von Maßnahmenbefürwortern“ Platz gewähren. Bezeichnenderweise stellen die Verfasser*innen ihrem langen Statement ein angebliches Voltaire-Zitat voran: „Ich mag verdammen, was Du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass Du es sagen darfst.“ In diversen Übersetzungen wird das dem Aufklärer zugeschrieben – gesagt oder geschrieben hat er es so nie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei