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Pläne der LinksfraktionEin paar Sozis abwerben

Die Linke will von den Verlusten der SPD profitieren und setzt auf soziale Themen. Die Flüchtlingsfrage wird dabei weitgehend ausgeklammert.

Die Linkspartei wolle ein „Bollwerk für Menschlichkeit“ sein, sagt Fraktionschef Dietmar Bartsch Foto: dpa

Berlin taz | Nach dem Gang der Sozialdemokraten in die Große Koalition will die Linkspartei verstärkt ehemalige SPD-Wähler für sich gewinnen. „Seit Ende der 90er Jahre hat die SPD zehn Millionen Wählerinnen und Wähler verloren, die von uns bislang nicht gewonnen werden konnten“, heißt es in einem Papier, das der Fraktionsvorstand der Linkspartei anlässlich der gestrigen Klausur der Abgeordneten verabschiedete.

In dem Beschluss werden „acht Punkte für eine soziale Wende“ benannt, mit denen die Linkspartei besonders werben will: darunter bezahlbare Mieten, höhere Steuern für Besserverdienende und ein Verbot von Waffenexporten. Das innerparteilich umstrittene Flüchtlingsthema wird in dem Beschluss nur am Rande erwähnt.

Angesichts des Anwachsens des Rechtspopulismus wolle die Linkspartei ein „Bollwerk für Menschlichkeit“ sein, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch bei der Vorstellung des Beschlusses gestern in Berlin. „Wir erleben eine Zeitenwende, einen Kulturkampf von rechts.“ Dies zeigten auch die Wahlen in Italien.

Wagenknecht selbst war bei der Klausur krankheitsbedingt verhindert. Der Vorschlag einer linken Sammlungsbewegung, die die Fraktionchefin seit Monaten propagiert, wird in dem Beschluss nicht ausdrücklich erwähnt. Es heißt aber: „Wir sehen die Stärkung der Linken und ihrer Durchsetzungskraft als unsere Aufgabe an.“

Bartsch wollte diese Passage aber schon deshalb nicht als ausdrückliche Absage an die mögliche Gründung einer neuen Partei verstanden wissen, weil Wagenknecht ohnehin nicht beabsichtige, eine solche Partei zu gründen. Die Fraktionschefin hatte auf konkrete Fragen danach, zuletzt im taz-Interview, ausweichend geantwortet.

Parteichefin Katja Kipping sprach am Rande der Klausur davon, die Linke solle eine „Partei in Bewegung“ sein. „Das heißt ausdrücklich nicht: Wir wollen eine neue Partei gründen.“

Auf der Fraktionsklausur hatten zunächst Jakob Augstein (Freitag), Bernd Ulrich (ZEIT) und Kristina Dunz (Rheinische Post) über die Mediensicht auf die Linkspartei berichtet. Am Nachmittag ging es um die strategische Ausrichtung der weiteren Arbeit.

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13 Kommentare

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  • beide Überschriften sind irreführend: Es geht weder um die Gründung einer neuen Partei noch darum, "ein paar SPD-Wähler abzuwerben". Bitte geht zu einer seriösen Frageund Berichterstattung über. Dazu sind die Überschriften zentral, denn sie lenken die Lesermeinung. Ich will nicht erst im Interview korrigiert werden, was der Interviewte wirklich meint. Das liegt natürlich auch daran, daß die meisten taz-Redakteure das Soziale nicht wirklich ernst nehmen, obwohl es sie eigentlich selbst betrifft !

  • Auch ehemalige SPD-Wähler für sich zu gewinnen, ist eine zweischneidige Sache.

     

    Immerhin richten sich Parteien auch stark nach ihrem Wählerklientel aus. Und es waren u. a. auch die ehemaligen SPD-Wähler, die die SPD stark genug gemacht haben, um massiven Sozialabbau betreiben zu können.

  • Das ist ein gutes Zeichen, dass nicht "das Flüchtlingsthema" in den Vordergrund geschoben wird. Diese Fokussierung auf die, die es hierher schaffen, war bisher keine Debatte, die die eventuellen Lösungen zeigte. Sie hat in erster Linie einer Partei geholfen, die auch nicht auf die Ursachen der Flucht blickt. Was hier zumindest in Ansätzen erkennbar ist.

  • Anfang der 2000er-Jahre steckte Deutschland in einer schweren Wirtschaftskrise, mehr als fünf Millionen Menschen waren arbeitslos.

     

    Das bedeutet, dass auch alle "Scheinerfolge" der Agenda deutlich relativiert werden müssen, da die Wirtschaftskrise nicht wegen der Agenda zu Ende ging und es gab danach deswegen zum Beispiel deutlich mehr Arbeitsplätze und weniger Arbeitslosigkeit! Aber momentan haben wir keine Wirtschaftskrise, eher eine Sozialkrise. Deswegen sollte die Agenda an heutige Zeit und an den Sozialstaat angepasst werden!

    • @Stefan Mustermann:

      Sollte - wir müssen aber das nötige Geld dafür nach Griechenland verschenken, in Brüssel verbrennen oder für Flüchtlinge ausgeben.

       

      Das ist halt alles wichtiger als der Hartz4-ler (wir sind ja ein reiches Land und essen kann er ja "Humanität")

  • Die Teil-Überschrift im Artikel lautet:

    "Wir wollen eine neue Partei gründen".

     

    Im Text darunter wird Katja Kipping zitiert mit den Worten:

    "Das heisst ausdrücklich nicht: Wir wollen eine neue Partei gründen".

     

    Das halte ich nicht für seriösen Journalismus. Es sollte/müsste korrigiert werden, im Interesse der taz und ihren Ruf.

  • Die Flüchtlingsproblematik beschränkt sich auf humanitäre Hilfe vor Ort und in den Nachbarländern. Alles andere ist eine Frage der Enteicklungspolitik.

  • "Die Linke will von den Verlusten der SPD profitieren und setzt auf soziale Themen. Die Flüchtlingsfrage wird dabei weitgehend ausgeklammert."

     

    Eigentlich hat sich die Partei dazu mehrfach geäußert, dass sie keinen Menschen in Stich lässt, der zum Beispiel auf der Flucht ist und Hilfe braucht. Viele Frauen und Kinder sterben auf der Flucht. Schön ist es zu wissen, dass es Menschen und vor allem Politiker gibt, die im Einvernehmen mit Gottes Willen, dem Grundgesetz, dem Europäischen Recht und der Menschenrechtskonvention handeln. Das zeigt gerade, dass diese Partei keine Menschengruppe (z.B. Obdachlose, Arbeitslose, Arbeiter, Mieter, Arme Rentner, Frauen in sittenwidrigen Berufen, Flüchtlinge) in Stich lässt. Gerade solche politischen Einstellungen haben dazu beigetragen, dass die Berliner Mauer gefallen ist und das wird dazu führen, dass weitere Mauer (z.B. Soziale Mauern) niedergerissen werden! Der Weg ist das Ziel!

     

    Soziale Gerechtigkeit ist in Deutschland wie nicht zuvor gefragt. Dann handelt die Partei voll und ganz richtig!

    • @Stefan Mustermann:

      ...wer hat uns verraten...

  • "Flüchtlingsfrage wird dabei weitgehend ausgeklammert."

     

    Vielleicht, weil die paar Flüchtlinge nur ein Problem unter vielen sind? Es wird Zeit, dass diese ständigen Ablenkungen von den großen Problemen des Landes aufhören.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Dem stimme ich zu. Ein bis zwei Millionen Flüchtlinge sind in einem Achtzig-Millionen-Land tatsächlich kein Megaproblem. Die ganze Saga von der Islamisierung und dem Bevölkerungsaustausch ist nichts als eine gigantische Nebelkerze. In der Tat liegen die wahren Probleme bei der Ungerechtigkeit, dem steten Verlust von Lohnarbeit, den unbezahlbaren Mieten, dem Mangel an Innovation in Deutschland, dem politischen Stillstand und so weiter.

      • @kditd:

        ...ist das ironisch gemeint?

        Diese 1-2 Millionen und die "Saga" haben dafür gesorgt das eine rechte Partei nun im Bundestag sitzt.

        Um mal nur ein Beispiel zu nennen.

        Is schwer am brennen diese Nebelkerze....

        • @Moritz Becker:

          Wenn sich die anderen Parteien mal um die wirklichen Probleme im Land kümmern würden, ohne ständig über Flüchtlinge zu reden, hätte es die AfD schwerer.