Pizzabäcker Mahmut Güneş aus Bochum: In der Türkei verurteilt
Der Deutsch-Kurde Mahmut Güneş soll Propaganda für die kurdische Arbeiterpartei PKK betrieben haben. Das Urteil: fast drei Jahre Haft.
Güneş hat die deutsche Staatsbürgerschaft, was ihm momentan allerdings wenig nutzt. Die Staatsanwaltschaft in Kırşehir hatte vor Monaten einen Haftbefehl gegen ihn erlassen, was er offenbar nicht wusste, als er Anfang August in die Türkei einreiste und festgenommen wurde. Am Dienstag wurde eine Haftentlassung wegen Fluchtgefahr abgelehnt.
Güneş wurde wohl schon in Deutschland vom türkischen Geheimdienst beschattet, denn in der Türkei wurden ihm Fotos vorgelegt, auf denen er als Unterstützer eines PKK-Hungerstreiks zu sehen sein soll. Außerdem werden ihm Tweets und Retweets aus dem PKK-Umfeld vorgehalten, auf denen er unter anderem Präsident Erdoğan als Statthalter der USA bezeichnet haben soll. Günes, der am Dienstag aus dem Gefängnis per Video an der Verhandlung teilnahm, bestritt nach Angaben seiner Anwältin, dass er Eigentümer des von der Anklage zitierten Twitter-Accounts sei.
Als kurdischer Alevit schon per se verdächtig
Güneş stammt aus Malatya, einer Stadt im Südosten der Türkei. Er ist ein kurdischer Alevit, was ihn in den Augen des Geheimdienstes schon per se verdächtig macht. Während einer Mahnwache in Bochum betonte seine Tochter, ihr Vater sei nicht politisch aktiv, die Beschuldigungen gegen ihn seien haltlos.
Güneş ist nicht der einzige Deutsche mit türkisch-kurdischem Hintergrund aus Nordrhein-Westfalen, der in der Türkei unter dem Vorwand, Propaganda für eine Terrororganisation betrieben zu haben oder Mitglied der Terrororganisation zu sein, festgehalten wird.
Ein anderer Fall aus Köln ist Hamide Akbayir, die für die Linkspartei im NRW-Landtag gesessen hat. Sie war im Juni in die Heimat ihrer Eltern in der Osttürkei gereist und dort festgenommen worden. Akbayir wurde offenbar zum Verhängnis, dass sie als grüne Politikerin die türkische Regierung aus Menschrechtserwägungen öffentlich kritisierte. Ihr wurde nach einer Beschwerde Ende September mitgeteilt, sie dürfe die Türkei nicht verlassen. Sie ist nicht inhaftiert, muss sich aber zweimal pro Woche bei der Polizei melden.
Gerade aus Köln, einem Zentrum der türkischen Migration, sind immer wieder Deutsche mit türkischen oder kurdischen Wurzeln von Festnahmen und Repressionen in der Türkei betroffen. Die genannten Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs.
Auf Anfrage des linken Abgeordneten Gökay Akbulut teilte das Auswärtige Amt im August mit, dass in der Türkei insgesamt 119 deutsche Staatsbürger in Haft sitzen oder das Land nicht verlassen dürfen. 61 von ihnen seien in Haft, 58 dürften nicht ausreisen. Wie viele aus politischen Gründen festgehalten werden, unterscheidet das Auswärtige Amt nicht.
Korrigiert am 13.10.2021 um 9:20 Uhr. Hamide Akbayir war Teil der Linksfraktion im NRW-Landtag, nicht der Grünenfraktion, wie es zunächst fälschlich im Text stand. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann