Philippinische Präsidentschaftswahlen: Präsident Diktatorensohn
Die Wahl in den Philippinen steht an. Präsident wird wohl Sohn des Diktators Ferdinand Marcos Sr., Vize die Tochter des amtierenden Rodrigo Duterte.
„Das wäre der Gipfel der politischen Ironie, würde im 50. Jahr nach der Verhängung des Kriegsrechts ein weiterer Ferdinand Marcos im Präsidentenpalast sitzen“, meint der Politikprofessor Julio Teehankee von der De-La-Salle-Universität in Manila.
Marcos bezeichnete seinen Vater als „politisches Genie“ und distanzierte sich nie von dessen Verbrechen. Der war nach zwei Jahrzehnten an der Macht 1986 von einem friedlichen Volksaufstand gestürzt worden. Die Marcos-Familie floh nach Hawaii und kehrte nach dessen Tod zurück. Seine Witwe Imelda, Tochter Imee und Sohn Ferdinand Jr. hatten seitdem zahlreiche politische Ämter inne. Es gab Dutzende Anklagen wegen Korruption, Ämtermissbrauch und Menschenrechtsverletzungen. Doch trotz einiger Schuldsprüche und laufender Berufungen kam bisher kein Mitglied der Familie Marcos ins Gefängnis.
Dies ermöglichte – zusammen mit der weit verbreiteten Desillusionierung über die regierende Elite, die das Land zu einer Hauptquelle globaler Arbeitsmigration machte – Marcos’ massive Geschichtsklitterung. Mit Hilfe von Trollen und Influencern in den sozialen Medien schuf er den Mythos einer goldenen Zeit unter seinem Vater. Der habe mit Infrastrukturinvestitionen dem Land Aufschwung und Stolz gebracht. Die hohe Verschuldung, massive Korruption und 3.240 getötete Oppositionelle kommen darin nicht vor.
Marcos Jr. beschwört „Einheit“
Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Marcos Jr., der auch seinen akademischen Lebenslauf frisierte – statt eines Abschlusses von der Universität Oxford, wie offiziell zunächst behauptet, hat er lediglich ein „Special Diploma“ –, lehnte im Wahlkampf Debatten und Medieninterviews ab. Er spreche lieber direkt mit dem Volk. Nur die von ihm versprochene „Einheit“ stärke das Land. Diskussionen über die Vergangenheit hülfen nicht, und die das anders sähen, seien Störenfriede, die den Philippinen schadeten. Ein politisches Programm jenseits von Allgemeinem hat Marcos nicht.
Sein Wahlkampfteam zielte mit Desinformation insbesondere auf Robredo. Die war 2016 knapp gegen ihn zur Vizepräsidentin gewählt worden. Da Marcos zuvor in Umfragen geführt hatte, behauptet er bis heute, sie habe durch Betrug gewonnen. Davon konnte ihn auch nicht das Oberste Gericht abbringen, das ihre rechtmäßige Wahl bestätigte. Die anderen acht Kandidaten, unter ihnen Boxweltmeister Manny Pacquiao und der linke Gewerkschafter Leody de Guzman, sind chancenlos. Umfragen sehen alle acht zusammen nur bei knapp über 15 Prozent. Eine Stichwahl gibt es nicht und die Amtszeit ist auf einmal sechs Jahre beschränkt. Deshalb darf der vulgär-populistische Amtsinhaber Rodrigo Duterte nicht mehr antreten.
In den von politischen Dynastien dominierten Philippinen treten die Kandidaten für Präsidentschaft und Vize gemeinsam an, werden aber unabhängig voneinander gewählt. So wurde die liberale Anwältin Robredo zum oppositionellen Vize von Duterte. Seinen „Krieg gegen die Drogen“, der bis zu 30.000 Tote forderte, lehnte sie stets ab.
Marcos verbündete sich jetzt mit Dutertes Tochter Sara Duterte-Carpio. Die Vizepräsidentschaftskandidatin brachte ihm weitere Popularität. Er kann auf seine nördliche Heimat zählen; die Hochburg von Duterte-Carpio, bisheriger Bürgermeisterin der Großstadt Davao, ist der Süden. Gegner sprechen von einer „Achse des Bösen“ und fürchten, beide werden die brutale Politik ihrer Väter fortsetzen und jegliche Aufarbeitung deren Verbrechen verhindern.
Robredos Verhängnis: Facebook, Instagram, Youtube, TikTok
Robredo war erst nach dem Tod ihres Mannes, der 2012 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, in die Politik gewechselt. Sie vertritt rechtsstaatliche Prinzipien und will die Errungenschaften der Demokratisierung verteidigen. Doch die Mehrheit der Bevölkerung hat die vor 36 Jahren beendete Diktatur nicht mehr erlebt und ist für Marcos’ Geschichtsfälschung empfänglich. Viele glauben, was im Internet steht.
Laut der Statistik-Plattform Statista sind die Menschen in den Philippinen täglich über vier Stunden in den sozialen Netzwerken unterwegs, ein globaler Spitzenwert. Einige Organisationen checken Postings auf Fake News, für die mehrheitlich Marcos’ Anhänger verantwortlich sind. Doch auf Facebook, Instagram, Youtube und Tiktok verbreiten sich diese schneller, als sie entlarvt werden können. Youtube löschte im Januar mehr als 400.000 auf den Philippinen hochgeladene Videos. Doch viele glauben den Lügen gern, wenn diese ihren Vorstellungen entsprechen.
„Am schlimmsten wäre nicht meine Wahlniederlage, sondern dass der andere Kandidat durch Desinformation gewinnt“, sagt Robredo. Dann „wird dies die Formel für alle künftigen Wahlen sein“. Sie selbst hat stark in Werbung auf Facebook investiert, doch dank Marcos’ Heerschar von Bloggern ist das Internet zu seiner mächtigsten Waffe geworden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland