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Petition für gleiche Gehälter„Ich mache doch nur den Piks“

Marie Kerkloh arbeitet als Ärztin in einem Impfzentrum und verdient dabei sehr viel mehr als Kolleg*innen. Das findet sie unfair.

Auf dem Weg ins Impfzentrum: Dort arbeiten nicht nur Ärz­t*in­nen Foto: Christoph Soeder/dpa
Fabian Grieger
Interview von Fabian Grieger

taz: Frau Kerkloh, Sie haben als Impfärztin eine Petition dafür gestartet, dass Ihr Gehalt gesenkt wird und dafür andere Gehälter steigen. Warum?

Marie Kerkloh: Ich verdiene als Ärztin im Berliner Impfzentrum 120 Euro die Stunde brutto. Ein*e medizinisch tech­ni­sche*r As­sis­ten­t*in dagegen verdient 60 Euro die Stunde und ein*e pharmazeutisch tech­ni­sche*r As­sis­ten­t*in 40 Euro. Noch viel weniger verdienen zum Beispiel die Reinigungskräfte oder die Menschen in der Registrierung – die sind teils auf 450-Euro-Basis eingestellt.

Und das finden Sie ungerecht?

Mein Ziel ist, dass alle, die im Impfzentrum arbeiten, das gleiche Gehalt bekommen. Wir Mitarbeitenden wollen alle was Gutes tun; wir arbeiten alle für den gleichen Zweck und dieser Gemeinschaftsgedanke geht durch die Spaltung in der Entlohnung total verloren.

Wie sehen das die anderen Mitarbeiter*innen?

Als ich mit einer Angestellten im Impfzentrum über die Lohn­unterschiede sprechen wollte, sagte sie: „Ich kann mich nicht beschweren, denn ich kriege ja mehr als Mindestlohn und außerdem will ich meinen Job nicht verlieren.“ Da ist mir klar geworden, dass ich als Ärztin viel eher in der Position bin, den Mund aufzumachen, und fand es wichtig, dieses Privileg auch zu nutzen.

In diesem Fall mit dem Start der Petition.

Ich bin in keiner Partei und bisher auch kein Gewerkschaftsmitglied; politische Fragen beschäftigen mich erst seit Kurzem mehr und da dachte ich: Was habe ich denn für Mittel, um was zu ändern? So kam mir die Petition in den Sinn.

Wie kommt es denn zu den großen Gehaltsunterschieden in den Impfzentren?

Im Interview: Marie Kerkloh

Seit April verabreicht die 33-jährige Ärztin Corona-Schutzimpfungen in einem Berliner Impfzentrum, zuvor hat sie zweieinhalb Jahre als Assistenzärztin in einem Krankenhaus gearbeitet.

Die Gehälter der Ärz­t*in­nen hat die kassenärztliche Vereinigung mit der Landesregierung ausgehandelt. Da wurde dann argumentiert, dass die Ärz­t*in­nen viel Geld verdienen müssen, weil sie für die Arbeit im Impfzentrum ihre Praxis schließen müssen. Man wollte wohl sicherstellen, dass es genug Personal gibt, aber eigentlich gab es immer genug interessierte Ärzt*innen, auch schon bevor öffentlich wurde, welches Gehalt wir bekommen.

Und die anderen Angestellten im Impfzentrum?

Die werden durch andere Dienstleistungsunternehmen wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz nach anderen Tarifen entlohnt und deren Gehalt ist dann deutlich niedriger.

Ärz­t*innen sollen auch deswegen besser bezahlt werden, weil sie mehr Verantwortung tragen und eine lange Berufsausbildung mit Studium vorzuweisen haben. Finden Sie das nicht gerechtfertigt?

Ich sehe diese beiden Argumente nicht. Im Impfzentrum tragen alle Leute die Verantwortung, dass die Impfung möglich ist. Ob es nun die Menschen beim Empfang sind oder in der Einweisung. Ich mache nur das Aufklärungsgespräch und setze den „Piks“. Und zur Ausbildung: Allein, dass ich Medizin studieren konnte, war ein Privileg. Die Chance hat nicht jede*r. Durch das abgeschlossene Studium habe ich jetzt außerdem beste Berufschancen. In so einem Rahmen zu sagen, dass ich wegen meiner Ausbildung höher entlohnt werde als die Leute, die ihren Job in der Gastronomie verloren haben und jetzt auf 450-Euro-Basis im Impfzentrum arbeiten, das ist doch verkehrt.

Was bedeutet es fürs Betriebsklima, wenn Menschen so unterschiedlich bezahlt werden?

Für weniger Gehalt

Die Petition Die von Marie Kerkloh gestartete Petition „Gleiches Gehalt für Impf-Ärzt*innen und -Helfer*innen!“ ist auf dem Portal change.org zu finden. Sie richtet sich an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sowie Ver­tre­te­r*in­nen der Kassenärztlichen Vereinigung.

Ich fühle mich unwohl, weil ich weiß, ich kriege zu viel Geld. Ich mache den gleichen Job wie die anderen, was den Stress­pegel angeht. Wenn ich dann in der Pause rausgehe und da hocken alle anderen, fühl ich mich schon ein bisschen separiert. Es sind zwar alle super freundlich zu mir, aber gleichzeitig fühlt es sich auch so an, als ob alle vor einem so ein bisschen kuschen, weil man ja die Ärztin ist; so ähnlich kenne ich das auch aus dem Krankenhaus. Wir grüßen uns, aber ansonsten ist es schwierig, mehr Kontakt aufzubauen. Das liegt auch daran, dass es einen riesigen Pool von Mit­ar­bei­te­r*in­nen gibt, sodass eigentlich immer andere Kol­le­g*in­nen vor Ort sind.

Das Gehalt ist kein Thema?

Es ist ja allgemein so eine Art Tabu, über das Gehalt zu sprechen. Das ist vielen unangenehm. Dass man nicht drüber redet, sorgt dann auch mit dafür, dass so ein ungerechtes System aufrechterhalten wird.

Haben Sie mit dem Start der Petition Reaktionen von anderen Ärz­t*in­nen erhalten?

Ja, ich habe einigen Kol­le­g*in­nen davon erzählt. Eine Bekannte sagte mir, dass sie es „eh von Anfang an ungerecht fand“ und auch sonst habe ich ausdrücklich Zustimmung von Ärzt*innen-Kolleg*innen erhalten und auch viele Ärz­t*in­nen haben die Petition unterschrieben.

Wie läuft es denn bisher mit der Petition? Ist sie gut gestartet?

Ja. Mehr als 20.000 Menschen haben schon unterschrieben, damit hätte ich niemals gerechnet. Ich dachte, ich teile das mit ein paar Freun­d*in­nen und schreibe ein paar E-Mails und das war’s – ich habe noch nicht mal einen Account in den sozialen Medien, mit dem ich die Petition publik machen könnte.

Was erhoffen Sie sich von der Petition?

Am Anfang habe ich gehofft, dass sich mit der Petition tatsächlich die Gehälter ändern könnten. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto unrealistischer scheint mir das. Aber trotzdem finde ich die Aktion wichtig, um Awareness zu schaffen und Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken.

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4 Kommentare

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  • Vorab: Ich finde das Verhalten der Ärztin richtig aufrichtig. Ich selbst arbeite auch in einem der Impfzentren und kann unterschreiben, was die Ärztin berichtet. Zur Verantwortung: Ds Impfen ist eine reine Massenabfertigung im Vergleich zu Tätigkeiten als Allgemeinmediziner, wo auch diagnostiziert wird. Dir Kriterien, ob eine zu impfende Person geimpft wird, werden vorab den Ärzt*innen kommuniziert. Sollte bei einer zu Impfenden Person nicht klar sein, ob Sie aufgrund von Vorerkrankungen und/ oder der der Einnahme bestimmter Medikamente, wird ein vor Ort anwesender Oberarzt konsultiert, der über die Impfung entscheidet. Das Argument Verantwortung ist demnach nicht haltbar. Auch die Arbeitsmoral der vielen Ärtz*innen ist sehr unterschiedlich - von sehr empahtisch, engagiert und mit Herz dabei bis "ich kann ja hier meine Zeit ab-pieksen" ist alles dabei. Was der Verdientsausfall in den Praxen betrifft fusst die Berechnung auf sehr vagen Aussagen. Die meisten Ärzt*innen, mit denen ich mich unterhielt haben keine eigene Praxis, sondern sind als Angestellte tätig. Darüberhinaus teilen sich viele eine Gemeinschaftspraxis, sodass der laufende Betrieb, wenn auch mit Einschränkungen, fortgeführt werden muss. Ich bin jetzt auch kein Neider, aber ich denke die Gehälter sollte in einem angemessenem Verhältnis stehen Insbesondere die ganzen Helfer*innen machen eine so tollen Job - von Reinigungskräfte über Security bis hin zu den Helfenden in der Registrieung, Impfkabine und Betreuungsbereich. Das wir m. E. viel zu wenig gewürdigt, wie ich finde.

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Natürlich sind 120 Euro Netto nicht angemessen. Im Impfzentrum muss keiner sich mit bürokratischen Kram herumärgern, Null Verantwortung da Aufklärung immer vom Patienten schon mitgebracht und nur noch routinemäßig abgefragt wird, wenn was schiefgeht oder Schock ist immer ein Notarzt anwesend und mehrere Helfer. Das Argument man würde seine Praxis vernachlässigen zählt auch nicht. Angenommen der Arzt arbeitet 50h die Woche, dann wären dies 6000 Euro/Woche oder 24000/Monat x12 ca 288000 Euro Reingewinn vor Steuern. Ich bezweifle , dass eine Allgemeinpraxis einen Gewinn vor Steuern von 288 000Euro einfährt. Die Betriebsausgaben werden im Schnitt mit 50% angegeben, dies würde bedeuten dass die Praxis einen Umsatz von 576 000 Euro erwirtschaften müsste. Ein wahrhaft fürstliches Gehalt wenn man bedenkt, dass eine nicht geringe Anzahl von Ärzten überhaupt nicht freiberuflich tätig waren. Die KV Berlin musste zudem einschreiten, nachdem die Beschwerden zunahmen es würden auch nicht-qualifizierte Helfer mit eingebracht, außerdem wurde eigens eine KV Nummer herausgegeben um Ärzten die nicht niedergelassen waren(nach Protesten) den lukrativen Zugang zu ermöglichen. Nicht nur die Testzentren haben den Staat ausgenommen.

  • Ich glaube nicht, dass sich die MTAs und PTAs wegen der Gehälter in den Impfzentren besonders ungerecht behandelt fühlen. Eine Stundenvergütung von 40 € für PTAs und von 60 € für MTAs entspricht bei einem Vollzeitjob einem Monatsbruttoeinkommen von über 6.000 € (PTAs) bzw. über 9.000 € (MTAs). So viel dürften angestellte MTAs und PTAs woanders kaum auch nur annähernd verdienen.

  • "Die werden durch andere Dienstleistungsunternehmen wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz nach anderen Tarifen entlohnt und deren Gehalt ist dann deutlich niedriger." Da wäre doch interessant zu wissen, wie viel wird dem DRK für die Helfenden bezahlt, und was gibt das DRK seinen Mitarbeitenden weiter? Darüber hinaus Respekt für Marie Kerkloh - meine Unterschrift hat sie.