Petition der Woche: Ruhestörung? Ja, bitte!
Neuerdings herrscht in Rorschach nachts Stille, die Glocken der Kolumbanskirche läuten nicht mehr. Aber eine Petition will den Lärm zurückbringen.
Ein Uhr nachts: ding. Zwei Uhr nachts: ding, ding. Drei Uhr: ding, ding, ding. Es gibt im kleinen Rorschach am Bodensee Menschen, die haben das nächtliche Geläut der Kirchenglocken noch genau im Ohr. Nicht nur zur vollen Stunde schallte es von der Kolumbanskirche durch den Ort, auch zu jeder Viertel-, zur halben und zur Dreiviertelstunde. Und das vermissen sie, so wie Barbara Camenzind.
In der kleinen Schweizer Gemeinde ist das nächtliche Bimmeln Gegenstand gleich zweier Petitionen. Die erste hatte Erfolg, nun formiert sich der Widerstand in Form einer Gegenpetition.
Den Anfang machte eine Gruppe von Anwohner:innen eines benachbarten Neubaugebiets. 34 von ihnen wandten sich wegen des in ihren Ohren nächtlichen Lärms an den Kirchenverwaltungsrat. Seit dem 1. Dezember gilt nun vorerst bis Ende Mai: Von 22 bis 7 Uhr schweigt die Kolumbanskirche.
Widerstand regt sich nun unter alteingesessenen Rorschacher:innen. Sie sind seit Jahrzehnten an das Bimbam gewöhnt. Barbara Camenzind nennt es sogar den „Herzschlag“ der Gemeinde. Ihr fehle das Läuten im Schlaf: „Wenn ich orientierungslos aus einem schlechten Traum aufwache, erinnern die Glocken mich, dass ich zu Hause bin.“ Dadurch fühle sie sich geborgen. „Es gehört hier zum Lebensgefühl“, sagt die Musikerin.
Die Glockengegner:innen kamen mit der Gentrifizierung
Um herauszufinden, ob es anderen Einwohner:innen von Rorschach ähnlich geht, startete Camenzind, die sich auch ehrenamtlich in der Kirche engagiert, eine Petition gegen das nächtliche Kirchenglocken-Aus. Innerhalb von 14 Tagen sammelte sie 220 Unterschriften und reichte die Petition ebenfalls beim Kirchenverwaltungsrat ein.
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„In den letzten Jahren wurde Rorschach immer weiter gentrifiziert“, sagt Camenzind. Alte Häuser seien Neubauten gewichen, die optische Gestalt Rorschachs habe sich verändert. Die Musikerin ist sich sicher, dass jeder Ort auch eine akustische Gestalt hat. Und deren Wandel möchte sie jetzt aufhalten.
Zur Gentrifizierung der Gemeinde trägt auch das Neubaugebiet neben der Kirche bei, in dem die Lautstärkemuffel wohnen. „Wir alten Rorschacher leben schon immer mit dem Geläut und die Zugezogenen stören sich“, ärgert sich Camenzind. Für die Anwohner:innen hat sie wenig Verständnis: „Man zieht neben eine Kirche und wundert sich dann über die Glocken?“
„Jetzt haben wir eine Diskussionsgrundlage“, sagt Pius Riedener. Er ist Präsident des Kirchenverwaltungsrates Rorschach und muss sich nun mit der Petition auseinandersetzen. Für ihn gibt es mehrere Optionen: Es wäre sogar eine Anfrage an das Bundesgericht in der Causa möglich. Vor allem aber kommt es ihm erst einmal darauf an, die Problematik breit zu diskutieren. Die Kolumbanskirche und ihre Glocken prägen Rorschach immerhin schon seit über 800 Jahren.
Für die Glockengegner:innen hat er aber einen Tipp: „Wenn sie läuten, kann man einen guten Gedanken fassen und innehalten.“ Achtsamkeit und ein positives Mindset dank Glockenklang.
Der Streit spielt in der Schweiz, daher gibt es bereits Kompromissvorschläge: Riederer kann sich einen Umbau der Glocke vorstellen, um die Lautstärke zu dämmen. Auch Camenzind wäre kompromissbereit. Auf die Klänge zu den Viertelstunden könne sie verzichten.
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