Petition der Woche: Schlagerverbot
Ein Abiturient aus Oberursel in Hessen will verhindern, dass auf der Afterparty seines Abiballs Schlager läuft. Dafür sammelt er jetzt Unterschriften.
Für Jerome Schlaback und seine Freund*innen waren die vergangenen Monate hart. Es war das letzte Schuljahr vor dem Abitur. Coronablues, Homeschooling und diese Fragen von älteren Menschen, wie es nach der Schule weitergeht. Am Tag vor den Osterferien kam dann auch noch der Lehrer in die Klasse und sagte, sie müssten alle sofort nach Hause gehen.
Bei drei Mitschülern waren zwei Streifen auf der Testkassette erschienen, coronapositiv, sie alle mussten sofort in Quarantäne. Dort saß dann die komplette Oberstufe des Gymnasiums Oberursel, lernte wie blöd und sah sich erst in der Schule zur Abiturprüfung wieder.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Jerome sagt am Telefon, dass er sich nicht sicher ist, ob er ohne Corona ein besseres Abitur geschrieben hätte. Aber allein und in Isolation lernen, das sei hart gewesen. Und deshalb hat Jerome eine Petition gestartet. Nicht weil er was am Homeschooling ändern will. Sondern weil jetzt, nach all dem Stress, Zeit für eine richtige Party ist.
Feiern will Jerome zu guter Musik, sagt er, und auf keinen Fall zu Schlager. In seiner Petition steht: „Kein Schlager auf der Abiball-Afterparty! Es ist kein Fasching, heißt kurz gesagt, es läuft kein Schlager.“ Deshalb sammelt Jerome Unterschriften, 22 hat er schon.
Mal wieder abgehen
Jerome wittert hinter der Schlagersache eine stufeninterne Intrige, Musiklobbyismus quasi, denn der DJ, der für die Mickie-Krause-Misere verantwortlich sein wird, wurde öfters mit dem Organisationskomitee des Abiballs gesehen. Der Schlager-DJ, der ebenfalls in die Abiturstufe des Gymnasiums Oberursel geht, ist mit den Organisator*innen des Balls befreundet – die wiederum Schlagerfans sind.
„Er ist eigentlich voll der coole Typ“, sagt Jerome. „Bei Geburtstagen legt er auch oft auf. Er hat es schon drauf; wenn er da Schlager spielt, dann geht’s eigentlich immer übel ab.“ Jerome und seine Freunde wollen endlich mal wieder zusammen abgehen, nach der „Scheiß-Coronazeit“, sagt er, aber zu Schlager ginge das nicht. Dann, wenn der offizielle Teil des Abiballs vorbei ist und die Eltern endlich nach Hause gehen, da müsste schon etwas „Heftigeres“ laufen.
Was würde er denn gerne hören? „102 Boyz“, sagt Jerome. „Bisschen was Aggressives, nach all der Zeit daheim. Wir hören lieber Rap. Dazu kann man gut abgehen.“ Der auf Spotify am meisten gehörte Song der 102 Boyz heißt „Bier“, der Refrain geht so: „Alle meine Brüder stinken morgens schon nach Bier / Chapo 1-0-2, ich trinke Bier, auch schon vor vier / Jetzt schon ratzevoll, doch nix befriedigt meine Gier / Trinke nur pur Wodka, 1-0-2 markiert Revier“
Eigentlich war es ein Gag
Jerome sagt, dass das mit der Musik für die Party schwierig sei, denn sie alle hätten natürlich auch verschiedene Geschmäcker. Und es gäbe in seiner Stufe bestimmt Menschen, die 102 Boyz nicht gut fänden. Deshalb gäbe es aber keinen Stress in der Stufe, auch nicht wegen der Petition. „Das sollte eher ein Gag sein“, sagt Jerome. In einer Whatsapp-Gruppe schicken sich seine Freunde und er absurde Petitionen hin und her, das sei so ein Ding zwischen ihnen.
Übrigens, alle Schüler*innen des Gymnasiums Oberursel haben das Abitur geschafft. Trotz der Pandemie. „Wir haben unser Abitur, es ist unsere Feier, es ist unser Tag“, sagt Jerome. „Vielleicht ist die Musik dann auch eher nebensächlich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten