Personalmangel an Flughäfen: Desaster mit Ansage

Die Bundesregierung will Leih­ar­bei­te­r:in­nen aus der Türkei anheuern, damit die Abfertigung an Flughäfen schneller geht. Das ist keine gute Idee.

Mitarbeiter der Sicherheit bei der Personenkontrolle mit Körperscanner

Mitarbeiter der Sicherheit bei der Personenkontrolle mit Körperscanner Foto: Matthias Lüdecke/ AKG

Ungefähr einen Kilometer lang war die Schlange am Köln-Bonner Flughafen am vergangenen Wochenende, in der Reisende vor der Sicherheitskontrolle warten mussten. Und nicht nur dort herrschte gewaltiges Chaos, auch an anderen Flughäfen bangten unzählige Reisende, ob sie ihren Flieger erreichen – oder verpassten ihn.

Ein Desaster mit Ansage: An den Flughäfen ist wegen der Coronapandemie im großen Stil Personal abgebaut worden, jetzt fehlen die Leute. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen es 2.000 Leiharbeitskräfte aus der Türkei richten. Das ist keine gute Idee. Der Ruf nach Sai­son­ar­bei­te­r:in­nen lenkt von den grundsätzlichen Problemen ab – und hilft kurzfristig auch nicht weiter.

Dass leere Terminals und stillgelegte Maschinen das Bild an den Flughäfen bestimmten, ist noch nicht lange her. Der Staat hat die Luftfahrtbranche in der Coronakrise zwar mit vielen Milliarden unterstützt, damit sie eben nicht im großen Stil Stellen abbaut. Doch das hat nicht funktioniert. Verdi-Schätzungen zufolge haben im ersten Jahr der Coronakrise beim Bodenpersonal 44 Prozent der Beschäftigten an den Flughäfen ihren Job verloren.

Die fehlen jetzt. Früher hat der Staat selbst die Sicherheitsüberprüfungen übernommen. Der Bundestag hat aber schon vor Jahren entschieden, diesen Bereich zu privatisieren. In fast allen Bundesländern ist diese Aufgabe deshalb auf private Firmen verlagert worden. Die haben es versäumt, rechtzeitig für genug Personal zu sorgen. Der Düsseldorfer Verdi-Mann Özay Tarim zum Beispiel, der in NRW für die Sicherheitsdienste unter anderem an Flughäfen zuständig ist, und andere haben schon im vorigen Sommer darauf hingewiesen, dass die Fluggastzahlen rasch steigen werden und die Personaldecke zu dünn ist. Für Düsseldorf hat Tarim einen Bedarf von 500 weiteren Mitarbeitenden festgestellt, für Köln 100. Die Verantwortlichen haben das ignoriert. Die Ma­na­ge­r:in­nen der privaten Sicherheitsfirmen haben lieber auf hoch bezahlte vermeintliche Ex­per­t:in­nen gehört, nach deren Prognosen erst in einigen Jahren die Zahl der Fluggäste wieder rasant ansteigt. Je weniger Leute die Firmen beschäftigen, desto höher die Gewinne.

Schlechte Bedingungen

Die früheren Flughafen-Mitarbeiter:innen können jetzt nicht einfach zurück geholt werden. Denn die meisten von ihnen haben wo anders einen Job gefunden. Nach zahlreichen Arbeitskämpfen ist das Einkommen der Flughafenbeschäftigten mit rund 19,80 Euro die Stunde gar nicht mehr so schlecht. Das Problem sind die Bedingungen. Die Sicherheitsfirmen stellen Leute fast nur in Teilzeit an, damit sie deren Tätigkeit in ruhigen Zeiten wie im Winter herunterfahren können. Gleichzeitig verlangen sie eine ungeheure Flexibilität. Beschäftigte müssen arbeiten, wann es der Firma passt, ob am frühen Morgen oder an Wochenenden. Und: Die Verträge sind in der Regel auf ein Jahr befristet. Wer einen neuen Job gefunden hat – und das werden die meisten aufgrund der Arbeitsmarktlage – geht freiwillig sicher nicht zurück.

Vor diesem Hintergrund will die Bundesregierung Medienberichten zufolge die aktuellen Probleme mit 2.000 Leih­arbeitenden aus der Türkei beheben. „Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die im vergangenen Jahr vor die Tür gesetzt worden sind“, findet Verdi-Sekretär Tarim. Die Leiharbeitenden sollen 6.000 Euro für die gesamte Saison bekommen – bei einem Einsatz von Juli bis September wären das 2.000 Euro im Monat. Das klingt nicht nach dem Ausschluss von Sozial­dumping, wie es Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in diesem Zusammenhang gefordert hat.

Mit­ar­bei­te­r:in­nen im Sicherheitsdienst an Flughäfen müssen eine zehnwöchigen Kurs absolvieren und anschließend eine Prüfung ablegen, die von der Bundespolizei abgenommen wird. Auch aus diesem Grund ist es nicht möglich, kurzfristig im großen Stil neue Mit­ar­bei­te­r:in­nen an den Flughäfen einzustellen. Auch Leiharbeitende müssten diese Qualifikation durchlaufen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will deshalb die Saisonarbeitenden nur in der Gepäckabfertigung einsetzen. „Bei der Sicherheit gibt es keine Abstriche“, sagt sie. Aber weil Flughäfen sicherheitssensible Bereiche sind, müssen alle dort Tätigen überprüft werden – und das dauert.

Bayern als Vorbild

Gewerkschaftssekretär Tarim geht deshalb nicht davon aus, dass sich die Lage an den Airports in diesem Sommer verbessert. Er hat völlig recht, wenn er grundsätzliche Änderungen fordert. Denn das Problem an den Flughäfen ist eine Folge der Privatisierung der Sicherheitsaufgaben. „Private Sicherheitsfirmen sind ja keine Sozialverbände, die wollen Geld verdienen“, sagt Tarim. „Mit Sicherheit darf man aber kein Geld verdienen, das ist Sache des Staates.“ Eine – allerdings langfristige – Lösung wäre es, die jetzt in der Branche Beschäftigten in staatliche Gesellschaften zu integrieren und für vernünftige Arbeitsbedingungen zu sorgen. Davon hätten nicht nur die Sicherheitsleute, sondern auch die Reisenden etwas. Zumindest, wenn dann für eine ausreichende Personaldecke gesorgt würde.

Das so etwas durchaus möglich ist, zeigt das Beispiel Bayern. Die Landesregierung hat als einzige darauf verzichtet, die Sicherheitsaufgaben an private Unternehmen auszulagern. Das Land hat eine eigene Sicherheitsgesellschaft. Weil es deshalb keine Ausschreibungen und einen Wechsel der beauftragten Firmen gibt, ist in Bayern für eine gleichbleibende Qualität der Sicherheit gesorgt. Die Beschäftigten werden nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt, die Fluktuation ist gering. Für Reisende ist dieses Modell weitaus besser als das in den übrigen Bundesländern.

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