Periodenprodukte in Schottland: Free bleeding
In Schottland gibt es Periodenprodukte künftig kostenlos. In Deutschland feiert man noch, dass Tampons & Co nicht als Luxusgüter versteuert werden.
Fast alle Menschen mit Gebärmutter zwischen dem frühen Teenageralter und den Wechseljahren menstruieren. Sie alle müssen das Blut und die Schleimhautreste, die Monat für Monat unkontrolliert aus ihnen herausströmen, irgendwie auffangen: mit Tampons, mit Binden, mit Menstruationstassen oder Periodenwäsche. Das Angebot ist mittlerweile vielfältig, doch für welches Produkt man sich nun auch entscheiden mag: Es kostet Geld. Und das nicht gerade wenig. Eine repräsentative Studie aus Großbritannien von 2015 ergab, dass Frauen umgerechnet im Schnitt etwa 500 Euro im Jahr und 20.500 Euro im Leben für Menstruationsartikel und Dinge ausgeben, die sie während ihrer Periode brauchen – oder ihnen das Leben während der Blutungen erleichtern. Dazu gehören Tampons, Menstruationstassen und Binden, aber zum Beispiel auch Schmerzmittel, Schokolade und neue Unterwäsche, weil Unterhosen oft ausbleichen, wenn Blut darauf landet.
Frauen verdienen also nicht nur weniger Geld als Männer, oben drauf müssen sie auch noch Geld für Hygieneprodukte ausgeben. Außer, sie leben in Schottland. Hoch im Norden des Vereinigten Königreichs fließen zwar nicht Milch und Honig, aber bald etwas viel Besseres: Tampons und Binden aus Spendern auf den Toiletten. Das schottische Parlament hat am Dienstagabend einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Demnach müssen Schulen und Universitäten künftig Menstruationsartikel kostenlos zur Verfügung stellen, und auch andere öffentliche Einrichtungen kann die Regierung dazu verpflichten.
Regierungschefin Nicola Sturgeon feiert das bei Twitter als großen Erfolg – und verspricht, dass kostenlose Produkte allen zur Verfügung stehen, die sie brauchen. Offen ist bislang, wie die schottische Regierung sicherstellen will, dass wirklich jede Person, die Menstruationsartikel braucht, sie auch bekommt. Im Gesetz ist von öffentlichen Einrichtungen die Rede, daher ist eher unwahrscheinlich, dass Drogerie- und Supermärkte die Produkte kostenlos an Frauen abgeben. Stattdessen wäre es denkbar, dass sie in öffentlichen Ämtern umsonst abholbar wären.
Schottland gilt als Pionier im Kampf gegen die sogenannte Periodenarmut, bereits jetzt stellen dort viele Universitäten und Schulen die Hygieneartikel kostenfrei bereit. Denn viele Frauen können sich Menstruationsartikel nicht leisten und benutzen stattdessen zum Beispiel Zeitungspapier, Stofffetzen oder Toilettenpapier und gefährden damit ihre Gesundheit. Neben Schottland tun sich zum Beispiel auch Kenia, Kanada, Indien und Irland dabei hervor. Dort werden Periodenprodukte zwar nicht kostenfrei verteilt, aber wenigstens nicht besteuert.
Kein Luxusgut soll Forschritt sein
In Deutschland ist das noch lange keine Realität. Seit Januar müssen die Menstruierenden immerhin keine 19 Prozent Mehrwertsteuer mehr für Tampons und Co bezahlen, sondern nur noch 7 Prozent. Den ermäßigten Steuersatz erhebt der deutsche Staat bei Dingen, die zum Grundbedarf des Lebens gehören, 19 Prozent fallen für Produkte an, die als Luxus gelten. Dazu zählten bis vor einigen Monaten eben Tampons und Binden, nicht aber Schokolade, Matetee oder Münzsammlungen. Es ist schon erstaunlich wie viel Engagement es für diese Änderung brauchte. Nämlich 190.000 Unterschriften, zwei Petitionen und jahrelange ehrenamtliche Arbeit von Aktivistinnen. Ohne die Tampons und Co noch immer als „Luxusgüter“ besteuert werden würden.
Ob die Kostensenkung jedoch bei den Abnehmer:innen ankommt, ist eine ganz andere Frage. Denn einige Hersteller erhöhten wohl prompt die Preise für Tampons und Binden. Das bestätigte Kaufland dem Tagesspiegel im Januar. Die Steuersenkung war also vielleicht gut gemeint, im Endeffekt aber wenig wirksam.
Die Aktion zeigt: Multinationalen Unternehmen und „dem Markt“ ist die Benachteiligung von Frauen meistens ziemlich egal. Regierungen müssen beherzt eingreifen, wenn sie nicht wollen, dass die Hälfte ihrer Bürger*innen Geld ausgeben müssen, nur weil sie eine Gebärmutter haben. So wie es Schottland jetzt tut.
Denn mal ehrlich: Einmal im Monat bluten, mit Krämpfen und Wärmflasche im Büro sitzen und PMS ertragen, ist schon schwer genug.
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