Pegida-Gegner in Dresden: „Reaktionäre Verrohung Europas!“
Das Bündnis „Dresden für alle“ ist fragil. Die Pegida-Gegner setzen sich aus sehr verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppen zusammmen.
DRESDEN taz | Diesmal dominierten beim Protest „Dresden für alle“ auf dem Theaterplatz und bei einem Zug durch die Innenstadt junge Leute, die eher dem linken Spektrum zuzuordnen waren. Es kamen rund 5.500 Teilnehmer, um gegen gegen Pegida zu demonstrieren. Vor einer Woche hatte der Sternlauf für ein weltoffenes Dresden noch rund 9.000 Menschen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Strömungen vereint.
Überwiegend mittlere und ältere Jahrgänge fanden sich zunächst in der Kreuzkirche ein. Für das wöchentliche Friedensgebet genügt sonst eine Seitenkapelle. An diesem Montag war das Kirchenschiff mit etwa 500 Besuchern gut gefüllt. Die Pegida-Demonstrationen hatten sie zum außergewöhnlichen Kirchenbesuch angeregt, wie sie vor dem Gebet äußerten. Deren Ängste hingen wohl eher „mit der mangelnden Courage zusammen, den eigenen Glauben und die eigenen Werte zu vertreten“, hieß es.
Diese Selbstvergewisserung, was denn die beschworene „christlich-jüdische Kultur des Abendlandes“ sei, suchen Gläubige im Gebet und nicht in der Abgrenzung gegenüber anderen. Mit den brisanten Friedensgebeten in der späten DDR aber möchte kaum jemand die Situation vergleichen. Damals ging es gegen ein System, nunmehr für etwas, betonten Kirchenbesucher. Vom Frieden als der „umarmenden Begegnung mit dem anderen“ war denn auch beim Gebet die Rede. Kontrastierend dazu blies auf dem Theaterplatz zunächst ein weit schärferer Wind.
Alex Elser von der Undogmatischen Radikalen Antifa rückte die CDU in die Nähe von Pegida. Sie stehe wie keine andere der etablierten Parteien für Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Abschiebung. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) und anderen sprach sie das Recht ab, sich bei den Demonstranten gegen Pegida einzureihen. Dessen neue Sonderkommission gegen Asylbewerber-Kriminaliät, die Verweigerung eines Winter-Abschiebestopps und seine Absicht, Tunesien als sicheren Drittstaat erklären zu lassen, offenbarten Heuchelei.
Die bürgerliche Mitte
Das spaltete, und vereinzelt wurden auch Buh-Rufe laut. Ungeteilten Beifall erhielt hingegen die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping, die aus Dresden stammt. Sie holte weit aus, machte Rüstungskonzerne und Rüstungsexporte für die Weltkonflikte mitverantwortlich, die wiederum die gewaltigen Flüchtlingsströme auslösen. Pegida sei auch der Ausdruck eines reaktionären Kulturkampfes. „Zivilisatorische Errungenschaften wie humanistische Selbstverständlichkeiten oder die Gleichheit der Geschlechter sollen zurückgedreht werden“, rief die junge Linken-Vorsitzende.
In Bonn blockierten laut Polizei mehr als 1.600 Menschen eine Pegida-Demonstration durch die Innenstadt. Ein Sprecher des lokalen Ablegers „Bonner gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Bogida) schätzte die Zahl der Anti-Islam-Demonstranten auf 300. Tatsächlich nahmen deutlich weniger Menschen teil.
Erschreckend sei, dass daran auch immer größere Teile der so genannten bürgerlichen Mitte beteiligt seien. „Es droht nicht eine Islamisierung des Abendlandes, sondern eine reaktionäre Verrohung Europas!“, schloss Kipping. Marko Schmidt vom Sächsischen Flüchtlingsrat plädierte für einen Dialog, aber zuerst mit den Flüchtlingen, den Hilfesuchenden selber. Solche aus dem Iran und aus Palästina kamen auf dem Lautsprecherwagen auch zu Wort und beklagten die Einschränkung ihrer Menschenrechte.
Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, mahnte dringend, „Toleranz, Teilhabe und Menschlichkeit als hohe Güter einer funktionierenden Demokratie nicht zu zerstören“. Sozialneid und Ängste fußten auf Lügen und einer Verdummungspropaganda, die ein gemeinsames „Wir“ verhindern möchte. „Deutschland kann anders und ist anders!“, rief Mazyek. Auch die Ängste seiner muslimischen Glaubensbrüder sollten ernst genommen werden. Zugleich forderte er die Politiker auf, soziale Probleme konsequenter anzugehen.
Brandanschlag im Plattenbau-Stadtteil
Ängste lösen die Pegida-Demonstranten mittlerweile überall in Dresden aus, wo ausländische Mitbürger beschäftigt sind. Der Betreiber des bekannten Restaurants „Italienisches Dörfchen“ neben der Semperoper berichtet von solchen Befürchtungen seiner internationalen Mitarbeiter. Im Plattenbau-Stadtteil Gorbitz gab es einen Brandanschlag in einer Straße, wo Asylbewerber dezentral untergebracht sind.
Diesem Ungeist wollte eine ganzseitige Anzeige begegnen, die zum Wochenende in den Tageszeitungen erschien und die von mehreren hundert Akademikern, Künstlern, Unternehmern und anderen Persönlichkeiten finanziert und unterschrieben wurde. Sachsens scheidender Ausländerbeauftragter Martin Gillo (CDU) trat zum Schluss der Gegendemo, die eher Pro-Demo genannt werden wollte, mit einem Plakat auf. Es zeigte die Symbole der Weltreligionen und der Friedensbewegung nebeneinander und auf Augenhöhe vereint.
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