Patientenvertreter über MRSA-Keime: „Hier ist man zurückhaltender“
In den Niederlanden gibt es weniger Todesfälle durch multiresistente Keime als in den meisten Ländern Europas. Thom Meens erklärt, warum.
taz: Herr Meens, i n den Niederlanden gibt es weniger Todesfälle durch Krankenhausbakterien als in den meisten Ländern Europas. Woran liegt das?
Thom Meens: Es ist eines der Länder, wo vergleichsweise wenig Antibiotika verwendet werden. Waren Sie in Frankreich schon mal krank? Da bekommen Sie gleich eine ganze Reihe Antibiotika verschrieben. Hier ist man damit viel zurückhaltender. In südeuropäischen Ländern werden ohnehin mehr Medikamente benutzt, und damit auch mehr Antibiotika. Aber ganz verhindern lässt es sich auch damit nicht, dass eine Infektion von anderswo auch hier für Ansteckungen sorgt.
Gib es noch andere Gründe?
Ich bin kein Klimawissenschaftler, aber solche Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Immerhin sieht man, dass Island, Norwegen und Finnland diesbezüglich gut abschneiden. Wobei Island sicher auch von der isolierten Lage profitiert.
Was natürlich auch Rückschlüsse auf Nebenwirkungen des Klimawandels zul ässt…
Selbstverständlich werden Sie auch hier Wissenschaftler finden, die das anders sehen. Aber ich denke, die Temperatur der Umgebung spielt eine Rolle.
ist Sprecher von Patiëntenfederatie Nederland und gehörte 2017 zu einer Arbeitsgruppe des Gesundheitsministeriums zu Antibiotikaresistenz.
Gibt es etwas, was andere Länder in puncto Infektionsschutz von den Niederlanden lernen k önnte?
Es gibt hier grundsätzlich recht hohe Standards in der Prävention. Vor allem das Erasmus-Krankenhaus in Rotterdam ist ein Vorbild. Das gesamte Personal dort wird speziell ausgebildet, also neben Ärzten und Pflegern auch Mitarbeiter am Schalter oder diejenigen, die Patienten zwischen den Abteilungen transportieren. Seit zehn, 15 Jahren wird darauf bewusst geachtet. Ein Vorteil ist aber sicher auch, dass es ein ziemlich kleines Land ist. Da ist es leichter, sich auf eine Linie zu einigen und die auch einzuhalten.
Was können Krankenhaus- Patienten diesbezüglich tun?
Als Individuum hat man im Krankenhaus natürlich nicht allzu viele Möglichkeiten. Aber eine wichtige ist, Ärzte und Pfleger zu fragen, ob sie ihre Hände vorher nicht nur gewaschen, sondern auch desinfiziert haben. Im RadboudUMC, dem Universitätskrankenhaus in Nijmegen, geben Ärzte Patienten seit Ende 2016 nicht mehr die Hand. Das fanden sie zu Anfang seltsam, aber es könnte auch helfen. Außerdem ist es in niederländischen Krankenhäusern obligatorisch, dass Mitarbeiter kurze Ärmel tragen.
Was kann man sonst noch tun?
Man sollte, wenn möglich, darauf achten, körperlich nicht zu schwach zu werden, gut zu essen und zu trinken. Aber man bleibt natürlich sehr abhängig von der Außenwelt. Wenn man sich die Zahl der Viehtransporte anschaut, braucht man sich über Antibiotika-Ströme nicht zu wundern.
Einzel- oder Mehrbettzimmer – hat diese Frage Einfluss?
In den Niederlanden wurde dieses System der Zusatzversicherung abgeschafft. Wobei ohnehin viele der in den letzten zehn Jahren gebauten Krankenhäuser nur noch Einzelzimmer haben. Ich denke, dass es nicht so einen Unterschied macht, ob man alleine oder mit anderen in einem Zimmer ist. Entscheidend ist vielmehr, wie das Zimmer vorher gereinigt wurde, und wie man im betreffenden Krankenhaus mit Hygiene umgeht.
Wenn nun doch etwas schief geht und man sich in einem niederländischen Krankenhaus eine Infektion einfängt: Welche Rechte hat man dann als Patient?
Es gehört nun mal zu den Risiken, dass man sich im Krankenhaus mit etwas anstecken kann. Die Frage ist, ob es vermeidbar ist. Man kann auch einfach Pech haben. In diesem Fall gibt es Schadensprotokolle, Schadensversicherungen und Schlichtungskommissionen der Krankenhäuser. In diesen Kommissionen sitzen neben Spezialisten und Vertretern der Versicherungen auch Patientenvertreter.
Und hat man als klagender Patient vor einer solchen Kommissionen Chancen?
Es ist nicht so, dass man dort als kleiner Bittsteller von oben herab behandelt wird. Es gibt Untersuchungen, wonach 2015 25 Prozent der betroffenen Patienten sagten, Ärzte hätten einen Fehler zugegeben. 2017 waren das schon 32 Prozent. Wobei es natürlich immer noch bei 68 Prozent nicht der Fall ist…
Wer haftet in einem solchen Fall?
Das wird jeweils das Gericht entscheiden. Dann wird untersucht, ob der fragliche Patient besonders anfällig war, gab es zuvor Auffälligkeiten, die relevant sind, mit wem hatte er vor dem Krankenhaus- Aufenthalt Kontakt. Es ist nicht so leicht zu sagen, man steckt sich dort mit etwas an, also ist das Krankenhaus notwendigerweise dafür verantwortlich. Ein Krankenhaus hat immer noch eine ganze Reihe von Spezial-Anwälten.
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