Parteitag der Linken: Leise linke Lebenszeichen
Mit impulsiven Worten startete die Linke auf ihrem Parteitag eine Art Reanimationsversuch. Um wieder eine Kraft zu werden, muss sie ihre Konflikte überwinden.
W ird mit einer neuen Parteiführung jetzt alles gut? Ines Schwerdtner und Jan van Aken, die neuen Hoffnungsträger, gaben sich alle Mühe, auf dem Bundesparteitag der Linken gute Stimmung zu verbreiten. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung schwärmten sie ausgiebig davon, wie „quicklebendig“ die Linke doch sei, wie viel „Feuer“ und „Energie“ immer noch in ihr stecke. Die Delegierten hörten es gerne.
Autosuggestion alleine wird jedoch nicht reichen, um die schwer zerzauste Partei vor dem Absturz ins außerparlamentarische Nirwana zu bewahren. Gleichwohl gilt ebenso: Eine entmutigte Partei, die nicht selbst an sich glaubt, kann auch keine Menschen mehr davon überzeugen, noch an sie zu glauben. Da ist es nachvollziehbar, dass Schwerdtner und van Aken erst mal in Halle die Mutmacher:innen gaben.
In der Sonntagsfrage für die Bundestagswahl wabert die Linke durchgängig zwischen 3 und 4 Prozent. Bei der EU-Wahl im Juni blieben 2,7 Prozent. Bis auf Thüringen und die Stadtstaaten kommt die Linke in keinem Bundesland derzeit in den Umfragen auch nur in die Nähe der Fünfprozenthürde.
Ein Parteitag alleine kann die Partei nicht aus ihrer tiefen Krise führen. Doch das Event in Halle hätte sie endgültig in den Abgrund stürzen können. Das ist nicht passiert.
Wobei sich durch die breite Einigung auf einen Antrag der Streit über den Umgang mit dem Nahostkonflikt und linkem Antisemitismus noch nicht einfach erledigt hat. Wie auch bei der Haltung zum russischen Überfall auf die Ukraine schwelt der Konflikt weiter. Gleichwohl hat der Parteitag gezeigt, dass Wege der Verständigung gefunden werden können. Aber wie lange hält der Frieden?
Es geht ums blanke Überleben
Dass jetzt „Schluss mit Zoff“ sei, haben auch alle Vorgänger:innen angekündigt. Gelungen ist es nie. Aber immerhin scheinen nunmehr auch die Letzten begriffen zu haben, dass es inzwischen um die Existenz der Linkspartei geht. Ob sie daraus die richtigen Schlüsse ziehen, ist weiter offen, besteht in der Partei doch noch nicht einmal Einigkeit darüber, wie es zu ihrem Niedergang kommen konnte.
Trotzdem zeigen die bewegenden Auftritte von İsmet Tekin, einer der Überlebenden des antisemitischen Anschlags von Halle vor fünf Jahren, des Sozialmediziners Gerhard Trabert oder der Ex-Grünen Sarah-Lee Heinrich auf dem Parteitag, dass noch nicht alles verloren ist. Viele sehnten sich nach einer „solidarischen politischen Kraft“, sagte Schwerdtner. Recht hat sie.
Die Linke wird derzeit nicht als solche wahrgenommen. Sie wird weiter hart dafür kämpfen müssen, dass sich das ändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“