piwik no script img

Parteitag der Berliner LinkenVon Krisen und Wagenknechten

Eigentlich will Berlins Linke am Samstag über Sozialpolitik in Krisenzeiten reden. Doch ein zentrales Thema dürfte der jüngste Wagenknecht-Eklat sein.

Bald wohl keine Solochefin mehr: Katina Schubert, Vorsitzende der Berliner Linkspartei Foto: dpa

Berlin taz | Wenn am Samstag die Berliner Linke zum Landesparteitag zusammen kommt, wird sie mehr Beachtung finden als sonst. Nicht, weil wichtige Wahlen anstehen und auch nicht unbedingt aufgrund der vielen aktuellen Krisen. Vielmehr ist das Treffen der 175 Delegierten das erste auf Bundes- oder Landesebene nach dem jüngsten Eklat von Parteisonderling Sahra Wagenknecht. Vor knapp zwei Wochen hatte sie im Bundestag von einem „Wirtschaftskrieg gegen Russland“ gesprochen, den die Ampelregierung „vom Zaun gebrochen“ habe – und damit weite Teile der Partei in Schockzustand versetzt.

Kaum ein linker Landesverband ist so weit von Wagenknechts reaktionären Positionen entfernt wie der Berliner. Er gilt seit vielen Jahren als reformorientiert, regiert seit 2002 die meiste Zeit mit. Aber auch in der Berliner Linken würden Wagenknechts Positionen Unterstützung erfahren und gebe es Sympathien für „Querdenken“, sagt Parteichefin Katina Schubert.

Daher betont sie beim Vorgespräch am Mittwoch vor der Presse, dass Putin einen „brutalen völkerechtswidrigen Angriffskrieg“ führe und wendet sich gegen die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream II. Einen Parteiausschluss Wagenknechts hält Schubert indes für den falschen, weil „aussichtslosen“ Weg.

Am Samstag wird man dann genau hinhören, wenn erstmals nach dem Eklat im Bundestag Bundesparteichef Martin Schirdewan einen offiziellen Auftritt vor der Partei hat. Und auch Ulrich Schneider ist als Gast eingeladen: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes war vor wenigen Tagen aus Protest wegen Wagenknecht aus der Partei ausgetreten.

Der Versuch, Wagenknecht aus der Partei zu werfen, wäre aussichtslos, sagt Katina Schubert.

Katina Schubert fordert derweil – wie das eine Parteiführung gerne tut, wenn Inhalte von internen Debatten verdrängt werden – die Konzentration auf die eigentlichen Anliegen der Linkspartei, vor allem die Bewältigung der „vielen sich überlagernden Krisen“. Es müsse jetzt darum gehen, „alle Ber­li­ne­r*in­nen gesund über den Winter zu bringen“; dafür zu sorgen, dass niemand im Kalten und Dunklen sitze, und auch Kultur und Unternehmen zu unterstützen.

Die Überschrift des Leitantrags: Leave NoOne behind!

Überschrieben ist der Leitantrag für den Parteitag mit „Niemanden zurücklassen“ – ein Slogan bislang vor allem für Unterstützung für Geflüchtete. Für Schubert ist er der „Inbegriff von Solidarität“: Geholfen werden müsse nun endlich auch jenen, die wenig bis nichts haben, was von der Ampelkoalition bisher nicht gewollt sei.

Zudem müsse die Energieversorgung in öffentliche Hände kommen; daher fordert die Linke die Rekommunalisierung der Gasag, auch wenn Gas nicht der Energieträger der Zukunft sei. Bei Uniper, dem vom Bund verstaatlichten Gasversorger, müsse darauf geachtet werden, dass er auch in Staatshand bleibe, sollte er wieder Gewinne machen.

Ab 2023 mit Doppelspitze

Für die Parteichefin selbst wird das Treffen voraussichtlich eine deutliche Veränderung bringen: Nachdem der Kreisverband Steglitz-Zehlendorf eine Doppelspitze an der Parteiführung per Antrag eingefordert hatte, übernahm der Parteivorstand diese Position – schließlich sei der Berliner Landesverband einer der letzten linken ohne Doppelspitze.

Schubert selbst findet diese „völlig in Ordnung“, bei vielen Treffen auch innerhalb der Berliner Koalition käme die Konkurrenz längst zu zweit, während sie alleine dastehe. Kommt der Antrag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit durch, wird beim nächsten Parteitag im Februar 2023 mindestens eine neue Parteivorsitzende gewählt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare