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Parteigründung „radikal:klima“„Es braucht einen radikalen Wandel“

Die Klimabewegung seht sich von den etablierten Parteien nicht vertreten. In Berlin wollen AktivistInnen deshalb die Partei radikal:klima gründen.

Klimaprotest im November: Der Ursprung von radikal:klima Foto: dpa
Erik Peter
Interview von Erik Peter

taz: Wieso braucht es eine neue Partei für das Klimathema?

Antonio Rohrßen: Beim Thema Klimaschutz muss noch viel mehr Druck gemacht werden. Um das im Pariser Klimaabkommen festgehaltene Ziel von einer Erderwärmung um maximal 1,5 Grad einhalten zu können, bleiben uns noch ungefähr zehn Jahre Zeit. Bis dahin müssen wir die Emissionen auf netto null senken. Die Wissenschaft ist sich einig, dass wir diese Grenze nicht überschreiten dürfen. Doch es gibt bislang keine Partei, die diese Wahrheit anerkennt oder entsprechende Maßnahmen trifft. Dabei braucht es jetzt einen radikalen Wandel.

Was müsste geschehen?

Im Interview: Antonio Rohrßen

26, hat Politikwissenschaften studiert und arbeitet in der Aktivismusförderung. Er ist Sprecher von radikal:klima.

Drei Bereiche sind zentral: Die Energiegewinnung muss komplett auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Das heißt Solarmodule auf jedem Dach, die Dämmung von Häusern und ihr Umbau auf eine Heizversorgung, die erneuerbar ist, und die Senkung des allgemeinen Energiebedarfs. Zweitens müssen wir an den Verkehrssektor heran. In zehn Jahren müssen alle Verkehrsmittel ohne fossile Brennstoffe auskommen, also Autos, Busse, Lkw, Dieselloks, aber auch Flugzeuge. Der dritte Bereich ist die Wirtschaft: Die Unternehmen brauchen Anreize und Vorgaben, weniger Emissionen zu produzieren.

Was kann eine Partei besser als eine Bewegung wie Fridays for Future, die doch im vergangenen Jahr so viel erreicht hat?

Es ist gelungen, eine riesige Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Aber von der Politik kamen dennoch nicht die notwendigen Antworten. Berlin hat als Antwort auf die Volksinitiative Klimanotstand Berlin im Dezember die Klimanotlage erklärt. Das war ein symbolischer Erfolg, aber die damit zusammenhängenden Maßnahmen reichen nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Solange keine bestehende Partei die Forderungen der Bewegung aufgreift, müssen wir es selber tun. Wir arbeiten bereits mit vielen Aktiven unterschiedlicher Klimagruppen und Initiativen an einem Klimaplan für Berlin, in dem detailliert festgeschrieben wird, welche Maßnahmen in welchen Sektoren bis wann nötig sind.

Es gibt die Grünen, die das Klimathema traditionell besetzen, dazu diverse kleinere Umweltparteien. Ist der Plan, mit radikal:klima die Politik aufzumischen, nicht zum Scheitern verurteilt?

Wir sind der Überzeugung, dass es dieses Angebot geben muss. Es gibt so viele Menschen, die verstanden haben, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern. Eine Viertelmillion Menschen waren mit Fridays for Future auf der Straße, mehr als 40.000 haben die Volksinitiative unterschrieben. Die etablierten Parteien sind dagegen zu langsam, zu eingebunden in fossiles Wachstumsdenken.

Welche Auswirkungen kann die Coronakrise haben?

Zunächst einmal hat die Klimabewegung Sichtbarkeit verloren. Das heißt, es braucht neue Strategien, um relevant zu sein. Da sind auch wir ein Ansatz. Wirtschaftlich werden jetzt viele, vor allem auch junge Menschen, hart getroffen. Wir wollen ihnen sagen: Fallt nicht auf die Ideologie herein, die nach der Finanzkrise zu noch mehr Neoliberalisierung geführt hat. Wir müssen stattdessen jetzt einen ökologischen und ökonomischen Gegenentwurf schaffen, um zu einer besseren, saubereren und gesünderen Stadt zu kommen. Das alles muss, und das ist uns ganz wichtig, auch sozial gerecht sein.

Wer macht bei radikal:klima mit und was sind die nächsten Schritte?

Wir sind Aktive von Klimanotstand Berlin, Fridays for Future, Parents und Scientists for Future, Extinction Rebellion und weiteren Gruppen. Der Gründungsparteitag war eigentlich diesen Monat geplant, muss aber coronabedingt auf den Sommer verschoben werden. Parallel zu den Vorbereitungen schreiben wir an unserem Klimaplan. Das ist ein ambitioniertes Projekt, das wir bis zum Wahlkampfbeginn nächstes Jahr abschließen wollen.

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14 Kommentare

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  • Here Ziele - aber ob das so etwas wird?



    Die Energiewende ist weniger eine Frage des guten Willens, sondern zu allererst und zu allerforderst eine Frage der technischen Machbarkeit.



    Und an den technischen Voraussetzungen fehlt es momentan noch vorn und hinten - insbesondere in der Frage der Energiespeicher.



    Und wie sonst sollen Wetterbedingte Lücken in der Energieversorgung aus Wind und Sonne (sog. Dunkelflauten) überbrückt werden, wenn nicht durch Speicher?

  • Gieren hier welche nach zukünftigen Pöstchen in der autoindustrie?



    Allein wenn ich lese, dass der Verkehr auf erneuerbare Energie umgestellt werden soll, bekomme ich die Krise.



    Ist das eine Zukunftsvision?



    Individualverkehr verbieten iss nix?



    Wo bleibt der Umweltschutz?



    Wenn 48 Millionen PKW nur eine andere Antriebsart bekommen sollen, werden ungefähr 38 Millionen Autos nur gebaut, damit auch jeder sein geliebtes Stück vor seiner Haustür stehen sehen kann.



    Wenn ihr nicht mehr zu bieten habt, brauchen wir euch als Partei nicht!

  • Naja, gut - schreibste halt mal was...

    @sinulog: seh ich auch so; von links/grün kämen die Wähler...

    @Hein Bloed: BLGrundeinkomm? HARTZ - nicht sowas?!

    Wenn man immer mal so liest: "80.000 Gelbwesten auf der Straße"



    ...hier kurz ne Gegenrechnung: 66.910.000 blieben daheim!?



    Für alle andere Demos - selber rechnen...



    [KLAR ist das Übertreibung, aber - got the point!?]

    @Frau Kirschgrün: Tja, was macht man, wenn die Mehrheit gern



    SUV fährt - in einer Demokratie?! Fleisch ißt?! Fliegt?!...

    [mal so ein Tip, der mir wg. der FleischhofSache einfiel



    (da KANN ich doch nicht der 1. sein???)



    Hilfe für "Bio/allgm Fleisch" - macht konventionelles so



    teuer wie mögl.!]

    @Ingo: Ja. Mit "Radikal" wird's nix mit "Mehrheitsfähig" ;-)



    (viel zu lange in der eig Suppe gekocht & nur eig "Ganzes" im Blick)

    @Kaladonia: 99,97% machen NICHT mit, nur weil manche finden,



    dass man nen Wandel braucht - will die Mehrheit noch lange keinen!?



    s.o.(taugt einzig als Clickbait...)

    Und - das beste zum Schluß - WER zahlt denn wohl's meiste?!



    (aller SteuerOptimierung zum Trotz...)

    prnt.sc/so3ixh (nicht ganz akt., aber...)

    (sicher nicht der linke Lehrer in Erziehungszeit auf ner 25



    St Stelle - sry, mehr Vorurteile kamen grad nicht...)

    Eig würd ich ja empfehlen:



    MinLohn so rauf wie mögl.; weg mit Bemessungsgrundlagen; SozAbgaben auf



    ALLE Einkommensarten (ja? kommt Dir eidg.vor gell!?)

    Aber *puh* man stelle sich vor, wie fies das für die Umwelt wäre:



    27Mio potente Konsumenten mehr - nicht auszudenken - splittert euch lieber



    weiter auf, mit noch so abgedrehten Ideen und merkt nicht, dass ihr des selbe wollt...



    xD

  • ob die 0,5% partei dann mehr aufmerksamkeit bekommt in den medien als ihr zusteht?



    wenn sie mehr % bekommt wildert sie ja bloss bei grünen/linken macht also rrg eher unwahrscheinlich klassisches eigentor dann.......

    • @Sinulog:

      Selbst als Parteimitglied der Linken muss ich sagen, dass es auch mit GRR eine laute Stimme in der Gesellschaft braucht, die grundsätzlichere Forderungen stellt an denen sich diese Regierung messen lassen muss. Die SPD als alte Bergmannpartei, die LINKE mit ihrer Forderung die Unterschicht nicht überproportional zu belasten, und die Grünen mit ihrer Mittelschicht-Klientelpolitik unter einen Hut, namentlich wirkungsvollen und sinnvollen Klimaschutz zu bringen wäre (und wird hoffentlich) eine Mammutaufgabe.

  • Der Lauf der Zeit gibt den Leuten recht.

    Die meisten Europaer haben durchaus volles Verstaendniss fuer die Ziele der neuen Partei.



    Bertelsmann(!) hat das herausgefunden und haelt sich sehr zurueck mit der Veroeffentlichung.

    Sei es drum:

    eupinions.eu/de/te...-radical-positions

    Klimaneutralitaet BIS 2030 !!



    Bedingungsloses Grundeinkommen!!

    Und das durch die Bank weg, Jung und Alt,Osten,Sueden,Westen,Norden.

    The times are changing.



    Europa ist antikapitalistisch und umweltfreundlich gestimmt.

  • Den Weg durch die Instanzen hat noch keine/r überlebt.



    Good luck!



    … … …



    Wenn wir es nicht schaffen, wirklich risikobereit in einen wirklichen "Kampf" gegen die Macht- und Geld-Strukturen zu gehen, wird das – wie alles andere auch – nichts.



    Diese Risiokobereitschaft hat diese Komfortzonen- und Ego-Gesellschaft schon lange nicht mehr. "Wir" sind ja nicht einmal in der Lage so etwas wie SUVs zu vermeiden – wider besseren Wissens! … …. lachhaft.



    Wer wäre denn bereit auf AlG2-Niveau und mit den angegammelten Resten von der Tafel zu existieren? (Ich muss das seit Jahren …).



    Das dann für alle Menschen auf diesem Nivaeu, aber in Geschäften und mit realistischen Preisen ohne Ausbeutung der Ärmsten z. B. im "mare plastico".



    Dann allerdings könnte sich das auch in eine richtig "gute" Richtung entwickeln – geht aber nur OHNE Gewinnmaximierung. Also, wie werden wir die Gewinnmaximierer und Menschenverachter los? DAS ist die Frage.



    Interessanter Link zur "Züchtung" von "Nahrungs"mitteln (so geht's eben nicht weiter):



    www.zdf.de/dokumen...t-kartell-102.html







    Das wäre für mich der Lackmustest:



    Nur wer bereit ist, ALLES – sogar das eigene Leben in der bisherigen Form – konsequent auf's Spiel zu setzen, hat in dieser vom Kapitalismus durchseuchten Gesellschaft EVENTUELL den Hauch einer Chance. Die deutsche (und weltweite) Masse ist zu ängstlich und zu feige, will nichts, rein gar nichts riskieren.



    Nur wenn der Mensch, alle!, etwas wirklich ANDERS macht, kann auch etwas anders WERDEN.



    Viele, wenn nicht alle, wollen auch nicht sehen, dass die wahre Macht ganz woanders liegt als in der Politik.



    Very simpel. Aber das Einfachste war schon immer das Schwierigste.







    Wenn FfF jetzt "in" die sog. Politik gehen – dann ist das die selbstgewählte und selbstbewerkstelligte Zerstörung einer guten Sache innerhalb eines kranken Systems. Sie scheinen auf schlechte, mit entgegengesetzten Motiven ausgestattete "Leute" hereingefallen zu sein.



    Schade eigentlich.

  • Die Selbstverortung als radikal wird sich wohl als taktischer Fehler erweisen der die 5%-Marke in unerreichbare Ferne rücken lässt.

  • Wow! Ich bin beeindruckt von so viel Engagement, Zuversicht und Leidenschaft. Toll! Viel Erfolg! Würde ich in Berlin leben, hättet ihr meine Stimme bei der nächsten Wahl.

    • @Fallmanagerin:

      Mit Enthusiasmus allein hat noch nie jemand was erreicht.



      Die angestrebte Energiewende ist zwar ökonomisch wie ökologisch richtig, aber vor allem eine Frage der technischen Machbarkeit. Und dort feht es derzeit vorn und hinten an den technischen Voraussetzungen, insbesondre im Bereich der Speichertechnologie.



      Und wie sonst außer mit Speichern sollen wetterbedingte Lücken in der Energieversorgung aus Sonne und Wind überbrückt werden?



      So einfach, wie sich viele das denken, ist die ganze Sache nämlich bei weitem nicht!

  • genau, was es braucht: Eine weitere Splittergruppe, die (wie immer halt) vorwiegend gegen die Parteien agitiert, die nicht ˋkorrekt genug ´ sind, und so den anderen Vorteile verschafft.

    Danke!

  • Nein bloß das nicht. Keine Partei gründen. das verbraucht alle Kräfte für die Organisation in Parteiform.



    Die Partei muss nach den Regeln des Parteienparlamentarismus funktionieren, d.h. den Teil-Volkswillen bündeln und sich anpassen.



    Dann wird es wieder nur im Parlament ein Grüppchen geben. Viel wichtiger ist die Fortsetzung der FFF als soziale Bewegung - wie die berlinweite Organisierung der Mieter_innen.

  • Endlich gibt es Bewegung auf dem politischen Parkett. Wird höchste Zeit. Die herkömmlichen Parteien sind zu eingefahren, um radikalen Wandel einzuleiten.

  • Yeah!