Parlamentswahlen in Griechenland: Erstarken des rechten Rands
Die konservative Nea Demokratia hat die Parlamentswahlen gewonnen – trotz Stimmenverlusten. Aber der Preis dafür ist hoch.
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G riechenland rückt nach rechts. Das ist das zentrale Ergebnis der Parlamentswahl vom Sonntag. Das macht sich weniger fest an dem erwarteten Wahlsieg des Konservativen Kyriakos Mitsotakis. Denn der von ihm erhoffte Erdrutschsieg ist ausgeblieben. Seine Nea Demokratia verzeichnete sogar einen leichten Stimmenrückgang. Aber dafür wurde der rechte Rand massiv gestärkt.
Das Kalkül von Mitsotakis ist zwar aufgegangen, sich nach der Wahl im Mai jeglichen Koalitionsverhandlungen zu verweigern und stattdessen auf umgehende Neuwahlen zu setzen. Dank des von ihm wieder eingeführten „verstärkten Verhältniswahlrechts“, bei dem – demokratietheoretisch höchst fragwürdig – der stärksten Partei zusätzliche Mandate geschenkt werden, kann sich die Nea Demokratia jetzt mit weniger als 41 Prozent der Stimmen über die absolute Mehrheit der Sitze im Vouli, dem griechischen Parlament, freuen. Aber der Preis, den dieses fragwürdige Manöver die griechische Demokratie kostet, ist hoch.
Neben der bisher schon im Parlament vertretenen rechtspopulistischen Elliniki Lysi (Griechische Lösung) haben auch erstmalig die ultranationalistische und ultrareligiöse Niki (Der Sieg) und die Spartaner, die als eine Nachfolgepartei der 2020 verbotenen Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) gesehen werden müssen, deutlich den Sprung über die Dreiprozenthürde geschafft. Zusammen kommen sie auf fast 13 Prozent. Seit dem Ende des Obristenregimes waren Rechtsaußenparteien noch nie so stark im Parlament vertreten.
Die Wahl vom Sonntag ist ein Einschnitt. Nur bei der ersten Wahl nach der Diktatur 1974 wählten die Griechinnen und Griechen mehrheitlich rechts der Mitte. Seitdem gab es stets eine Stimmenmehrheit für Parteien links der Mitte, auch wenn sich das aufgrund der Anzahl der sich als links verstehenden Parteien und des „verstärkten Verhältniswahlrechts“ nicht immer in entsprechenden Parlamentsmehrheiten widerspiegelte. Das hat sich jetzt geändert.
Zweidrittelmehrheit für die Rechten
Zusammen mit den Rechtsaußenparteien verfügt die Nea Demokratia im Vouli nunmehr fast über eine Zweidrittelmehrheit. Nicht nur für Geflüchtete ist das eine ganz bittere Aussicht, setzte Mitsotakis doch schon bisher auf eine demonstrativ restriktive Flüchtlings- und Migrationspolitik, die sich um menschenrechtliche Grundstandards nicht schert.
Griechenland hat, wie es der Spross einer der ältesten wie schillerndsten Politiker:innendynastien Griechenlands fomuliert, „Stabilität“ gewählt – das heißt auch, dass die Kleptokratie auf Kosten der Bevölkerung gedeihen wird. Und wen interessiert es jetzt noch, dass der Mann mit dem flexiblen Verhältnis zur Wahrheit in seiner ersten Ministerpräsidentenzeit missliebige Politiker:innen und Journalist:innen abhören ließ? Auch wenn der unter anderem von Yanis Varoufakis angestellte Vergleich mit Viktor Orbán nicht ganz angemessen erscheint, ist die Vorstellung, dass Mitsotakis nun ohne größere Einschränkungen nach Gutdünken schalten und walten kann, unerfreulich.
Die griechische Linke steht vor einem Scherbenhaufen. In ihrer Zerstrittenheit hat sie keine überzeugende Alternative zur Nea Demokratia dargestellt. Auch wenn die Linkspartei Syriza mit knapp 18 Prozent die mit Abstand größte Oppositionspartei geblieben ist, wird es sich die Partei von Ex-Premier Alexis Tsipras nicht ersparen können, gründlich und schonungslos ihren Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit auszuwerten. Um eine Neuaufstellung wird sie nicht herumkommen.
Aber auch die sozialdemokratische Pasok mit einem Ergebnis von knapp 12 Prozent und die kommunistische KKE mit knapp 9 Prozent haben keinen Grund zum Jubeln, auch wenn sie das nicht zu begreifen scheinen. Denn Selbstzufriedenheit auf niedrigem Niveau verändert keine gesellschaftlichen Verhältnisse. Über die Eitelkeiten von Yanis Varoufakis muss nach seinem erneuten Scheitern gar nicht mehr gesprochen werden. Der Linken wird es nur gelingen, wieder hegemoniefähig zu werden, wenn sie untereinander bündnisfähig wird. Doch das ist ein weiter Weg. Denn es setzt eine Einsichtsfähigkeit voraus, die bislang nicht vorhanden ist.
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