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Parlamentswahlen in GriechenlandErstarken des rechten Rands

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die konservative Nea Demokratia hat die Parlamentswahlen gewonnen – trotz Stimmenverlusten. Aber der Preis dafür ist hoch.

Das Kalkül von Kyriakos Mitsotakis, dem Spitzenkandidaten der Nea Demokratia, ist aufgegangen Foto: Pascal Beucker

G riechenland rückt nach rechts. Das ist das zentrale Ergebnis der Parlamentswahl vom Sonntag. Das macht sich weniger fest an dem erwarteten Wahlsieg des Konservativen Kyriakos Mitsotakis. Denn der von ihm erhoffte Erdrutschsieg ist ausgeblieben. Seine Nea Demokratia verzeichnete sogar einen leichten Stimmenrückgang. Aber dafür wurde der rechte Rand massiv gestärkt.

Das Kalkül von Mitsotakis ist zwar aufgegangen, sich nach der Wahl im Mai jeglichen Koalitionsverhandlungen zu verweigern und stattdessen auf umgehende Neuwahlen zu setzen. Dank des von ihm wieder eingeführten „verstärkten Verhältniswahlrechts“, bei dem – demokratietheoretisch höchst fragwürdig – der stärksten Partei zusätzliche Mandate geschenkt werden, kann sich die Nea Demokratia jetzt mit weniger als 41 Prozent der Stimmen über die absolute Mehrheit der Sitze im Vouli, dem griechischen Parlament, freuen. Aber der Preis, den dieses fragwürdige Manöver die griechische Demokratie kostet, ist hoch.

Neben der bisher schon im Parlament vertretenen rechtspopulistischen Elliniki Lysi (Griechische Lösung) haben auch erstmalig die ultranationalistische und ultrareligiöse Niki (Der Sieg) und die Spartaner, die als eine Nachfolgepartei der 2020 verbotenen Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) gesehen werden müssen, deutlich den Sprung über die Dreiprozenthürde geschafft. Zusammen kommen sie auf fast 13 Prozent. Seit dem Ende des Obristenregimes waren Rechtsaußenparteien noch nie so stark im Parlament vertreten.

Die Wahl vom Sonntag ist ein Einschnitt. Nur bei der ersten Wahl nach der Diktatur 1974 wählten die Griechinnen und Griechen mehrheitlich rechts der Mitte. Seitdem gab es stets eine Stimmenmehrheit für Parteien links der Mitte, auch wenn sich das aufgrund der Anzahl der sich als links verstehenden Parteien und des „verstärkten Verhältniswahlrechts“ nicht immer in entsprechenden Parlamentsmehrheiten widerspiegelte. Das hat sich jetzt geändert.

Zweidrittelmehrheit für die Rechten

Zusammen mit den Rechtsaußenparteien verfügt die Nea Demokratia im Vouli nunmehr fast über eine Zweidrittelmehrheit. Nicht nur für Geflüchtete ist das eine ganz bittere Aussicht, setzte Mitsotakis doch schon bisher auf eine demonstrativ restriktive Flüchtlings- und Migrationspolitik, die sich um menschenrechtliche Grundstandards nicht schert.

Griechenland hat, wie es der Spross einer der ältesten wie schillerndsten Po­li­ti­ke­r:in­nen­dy­nas­ti­en Griechenlands fomuliert, „Stabilität“ gewählt – das heißt auch, dass die Kleptokratie auf Kosten der Bevölkerung gedeihen wird. Und wen interessiert es jetzt noch, dass der Mann mit dem flexiblen Verhältnis zur Wahrheit in seiner ersten Ministerpräsidentenzeit missliebige Po­li­ti­ke­r:in­nen und Jour­na­lis­t:in­nen abhören ließ? Auch wenn der unter anderem von Yanis Varoufakis angestellte Vergleich mit Viktor Orbán nicht ganz angemessen erscheint, ist die Vorstellung, dass Mitsotakis nun ohne größere Einschränkungen nach Gutdünken schalten und walten kann, unerfreulich.

Die griechische Linke steht vor einem Scherbenhaufen. In ihrer Zerstrittenheit hat sie keine überzeugende Alternative zur Nea Demokratia dargestellt. Auch wenn die Linkspartei Syriza mit knapp 18 Prozent die mit Abstand größte Oppositionspartei geblieben ist, wird es sich die Partei von Ex-Premier Alexis Tsipras nicht ersparen können, gründlich und schonungslos ihren Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit auszuwerten. Um eine Neuaufstellung wird sie nicht herumkommen.

Aber auch die sozialdemokratische Pasok mit einem Ergebnis von knapp 12 Prozent und die kommunistische KKE mit knapp 9 Prozent haben keinen Grund zum Jubeln, auch wenn sie das nicht zu begreifen scheinen. Denn Selbstzufriedenheit auf niedrigem Niveau verändert keine gesellschaftlichen Verhältnisse. Über die Eitelkeiten von Yanis Varoufakis muss nach seinem erneuten Scheitern gar nicht mehr gesprochen werden. Der Linken wird es nur gelingen, wieder hegemoniefähig zu werden, wenn sie untereinander bündnisfähig wird. Doch das ist ein weiter Weg. Denn es setzt eine Einsichtsfähigkeit voraus, die bislang nicht vorhanden ist.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Erstarkung des rechten Randes, aber vor allem auch: Fragmentierung der Linken.

    Nur für die Nappel, die immer noch nicht kapieren, was eine "Wagenknecht-Partei" für die Linke in Deutschland insgesamt (parteiübergreifend) bedeuten würde.

  • In Griechenland gibt es keine Zweidrittelmehrheit für rechts, sondern vielmehr mangelt es an einer ernstzunehmenden moderaten Alternativen links von der Mitte analog zu SPD und Grünen. Die jahrelang regierende PASOK-Partei war hier traditionell das Pedant zur SPD. Weil sie jedoch maßgeblich für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht wurde, ist ihr die Anhängerschaft abhandengekommen – nach links wie rechts. Davon hat sich PASOK nie erholt, auch weil sie an Personal und Rhetorik festgehalten hat, die altbacken wirken. Viele, die politisch mittelinks stehen, haben daher in den sauren Apfel gebissen und die konservative Nea Demokratie als geringeres Übel gewählt, um eine Machtübernahme durch Syriza zu verhindern. Nur deswegen konnte Nea Dimokratia auf einen sehr hohen Stimmenanteil von 41% kommen, obwohl sie am rechten Rand von gleich drei Parteien kannibalisiert wurde.



    Funktionieren konnte dies nur, weil die Syriza-Partei mit ihrem Anführer Tsipras die „Vernunftwähler“ mit trumpistisch eingefärbten Populismus und unablässiger toxischer Polarisierung nachhaltig verprellt hat. So ist etwa Premierminister Mitsotakis ein liberal-konservativer Politiker alter Schule, eher vergleichbar mit Merkel. Dennoch hat sich Syriza darauf kapriziert ihn als eine Art Trump oder Orban darzustellen, was offenkundig absurd ist. Auch zeugte die laufende Dämonisierung der konservativen Regierung von einem fragwürdigen Demokratieverständnis. Die Abhöraffäre war zweifellos ein großer Skandal, der einen sehr dunklen Schatten auf die Regierungszeit von Mitsotakis geworfen hat. Dennoch konnte Syriza dies nicht für sich nutzen, was wahrscheinlich auch daran lag, dass der Partei schlicht nicht abgenommen wurde, ernsthaft für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stehen. Eher wirkte es so, dass sie den gleichen oder sogar noch schlimmeren Machtmissbrauch betreiben würde, wenn sich ihr die Gelegenheit dazu böte.

  • "das heißt auch, dass die Kleptokratie auf Kosten der Bevölkerung gedeihen wird"

    Das ist doch auch nur so eine Unterstellung. Bisher hat Mitsotakis das Land deutlich nachhaltiger modernisiert als sein "linker " Vorgänger (der übrigens mit Recht fragwürdigen Methoden z.B. in die Justiz und Medienlandschaft eingegriffen hat). Z.B. hat die Digitalisierung der Verwaltung die Korruption erheblich erschwert.

    Das sage ich Ihnen als Mensch, dessen Herz links schlägt, der aber durch diese "Linke" ein für allemal von Illusionen befreit wurde (Griechenland hatte 2015 unglaubliches Glück...).

  • "demokratietheoretisch höchst fragwürdig" hat auch Tsipras zwei Wahlen gewonnen - und dann mit der extremen Rechten paktiert. Außerdem stand im Mai überhaupt kein Koalitionspartner für Mitsotakis zur Verfügung.

    Das eigentliche Ereignis dieser Wahl ist der faktische Untergang von SYRIZA und das Fehlen einer starken Opposition (die gab es freilich auch nach 2019 nicht wirklich - das war ein Trauerspiel). Es wird Jahre dauern, bis sich das wieder einrenkt (meine Einschätzung: die PASOK macht das Rennen, nicht SYRIZA).

    Mitsotakis war klug genug, die gesamte Mitte zu vereinnahmen (viele seiner Kabinettsmitglieder sind aus der PASOK). Das hat im Gegenzug den rechten Rand ausfransen lassen.

  • Es ist schon ein Armutszeugnis für die griechische Linke, wenn ein Land, das unter den Faschisten sehr gelitten hat und eine antifaschistische Tradition pflegt, zusammen fast gleich viele rechtsaußen-Stimmen bekommt wie die Sozialdemokraten und mehr als die Kommunisten.

  • Eine Entwicklung, wie wir sie auch in Deutschland und anderen EU-Staaten beobachten.

    Auch bei uns in Deutschland steht DIE LINKE womöglich kurz vor ihrer Teilung (die derzeitige LINKEN-Abgeordnete Sarah Wagenknecht wird womöglich Anfang des kommenden Jahres eine eigene Konkurrenzpartei gründen). Die SPD ist sei der "Agenda 2010" alles andere als politisch links. Und die rechtskonservative AfD befindet sich nicht mehr einfach nur im Umfragehoch oder als gemiedene Oppositionspartei in Parlamenten, sondern stellt nun immerhin bereits ihren ersten Landrat in Deutschland - im thüring'schen Landkreis Sonneberg. Dieser Wahlsieg wird der AfD den Weg für ihre zukünftige Etablierung in weitere politische Ämter bereiten.

    In anderen EU-Staaten (Italien, Schweden, Spanien, Polen, Ungarn etc.) sind Regierungsmehrheiten rechts der Mitte bereits etabliert. Bei uns kommt diese Entwicklung nun allmählich zeitverzögert an - und lässt sich womöglich nicht mehr aufhalten, auch wenn ich persönlich politisch gänzlich anders denke.

  • Das ist kein Rand, das ist die Mitte!



    Solange es am Rande wahrgenommen wird, kann es unbesorgt wachsen.

    • @R.A.:

      Das glaube ich nicht. Mitte sieht anders aus (abgesehen von den "Spartanern" ist das übrigens vor allem ein nordgriechischen Phänomen - u.a. wegen des Prespa-Abkommens mit Nordmazedonien, das auch von Mitsotakis stillschweigend mitgetragen wird).

      Im Übrigen sind deutsche politische Maßstäbe nur bedingt auf Griechenland anwendbar.