Parlamentswahl in Afghanistan: Erst die Wahl, dann das Chaos
Nach der Wahl in Afghanistan im Oktober hängt die Auszählung Wochen zurück. Stimmen aus der Hauptstadt werden jetzt komplett annulliert.
Das sind etwa eine Million Stimmen – ein Viertel der, jedenfalls nach offiziellen Angaben, abgegebenen Stimmen landesweit. Die Oktoberwahl war die bisher folgenreichste an zivilen Opfern seit 2001 und Kabul die am stärksten betroffene Region.
Quelle offizieller Zahlen ist die Unabhängige Wahlkommission des Landes (IEC), die unabhängig von der IECC operiert. Ihr Chef Guladschan Abdul Badi Sajad beschwerte sich gestern, dass die IECC ohne vorherige Konsultation entschieden habe.
Allerdings ist Sajads Kommission Kern der Probleme. Sie operiert nach der ersten, ausschließlich von afghanischen Behörden organisierten Wahl seit dem Ende des Talibanregimes 2001 mit extrem wenig Transparenz. Weder legte sie genaue Zahlen zur Wahlbeteiligung vor noch schaffte sie es, ein verlässliches Wählerregister anzulegen.
Zudem hängt die Auszählung Wochen hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Alle offiziellen Zahlenangaben müssen deshalb mit Vorsicht genossen werden. Der Wahltag selbst geriet zur Farce. Selbst in Kabul standen Wählerinnen und Wähler, die getrennt voneinander abstimmen, stundenlang vor zu spät oder gar nicht öffnenden Wahllokalen.
Der Schritt der Beschwerdekommission kam nicht unerwartet. Anfang des Monats musste Sajad schon den Chef seiner Kabul-Abteilung feuern, das gesamte Zählpersonal auswechseln und eine Neuauszählung beginnen. Auch die scheint nun aus dem Ruder gelaufen zu sein. Die Beschwerdekommission beanstandet unter anderem „Missmanagement und Verletzung der Wahlgesetze“ sowie „Pflichtverletzungen durch die Wahlkommission“. Sie beantragte die Strafverfolgung von fünf namentlich genannten hochrangigen Mitarbeitern.
Vermittlung geplant
Aber auch die Beschwerdestelle IECC agiert nicht überzeugend. Hohe Beteiligungsraten in Taliban-kontrollierten Provinzen deuten darauf hin, dass dort in den wenigen, von Taliban eingekreisten Gebieten mit Regierungskontrolle massiv Stimmen gefälscht wurden. Trotzdem ließ sie zum Beispiel schon verkündete Ergebnisse aus Urusgan und Farah unbeanstandet durchgehen.
Am späten Donnerstagnachmittag wollte Präsident Aschraf Ghani zwischen beiden Kommissionen vermitteln. Doch selbst wenn das gelingt, sind die grundsätzlichen Probleme in Afghanistans Wahlsystem nicht ausgeräumt. Ob das bis zur geplanten Präsidentenwahl am 20. April 2018, bei der Ghani wieder antritt, möglich ist und es dafür überhaupt den politischen Willen gibt, ist fraglich.
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