Parlamentsjuristen melden sich zu Wort: Polizeigesetz geht so nicht
Die Juristen des Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtags halten das geplante niedersächsische Polizeigesetz für teilweise verfassungswidrig.
Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags hatte sich zunächst die ersten 29 der insgesamt 109 Paragrafen vorgenommen. Für „verfassungswidrig“ hält er darin unter anderem die Erweiterung dessen, was als terroristische Straftat eingestuft wird, aber auch Aufenthalts- und Meldeauflagen. Dass es etwa möglich sein soll, Deutschen zum Vorbeugen von strafbaren Handlungen „für bis zu sechs Monate das Verlassen ihres Stadtbezirks zu verbieten, halten wir für ausgeschlossen“.
Die Möglichkeit, sogenannte „Gefährder“ für bis zu 74 Tage in Unterbindungsgewahrsam zu nehmen, ist für die Parlamentsjuristen „verfassungsrechtlich bedenklich“. Die Freiheitsentziehung sei „eine der am stärksten in die Rechte der betroffenen Personen eingreifenden Maßnahmen und unterliegt der strikten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“. Eine Dauer von mehr als 14 Tagen, halten sie für „ schwer begründbar“. Sie setzen die harten Maßnahmen auch in Beziehung zur Bekämpfung anderer Verbrechen und fragen: „Warum ist zum Beispiel eine geplante Ausreise nach Syrien mit terroristischer Motivation schwerwiegender als ein geplanter Mord (ohne Terrorhintergrund)?“
Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat signalisiert, das Gesetz in einigen Punkten anzupassen, wie der Weser Kurier berichtet. Auch die CDU sei verhandlungsbereit – allerdings nicht bei der Präventivhaft.
Die FDP fordert die Streichung der von den Juristen beanstandeten Stellen. Die Grünen hingegen sehen sich in ihrer Kritik am Polizeigesetz voll bestätigt und fordern, das Gesetz komplett zu stoppen. Der grüne Abgeordnete Belit Onay sagte der taz: „Die Kritik der Juristen ist vernichtend.“ Er verweist darauf, dass auch in den von den Parlamentsjuristen noch zu prüfenden Paragrafen „große Brocken“ wie der Staatstrojaner stünden. „Die Große Koalition wird das Gesetz mit Nachbesserungen nicht retten.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen