Paragraf 218 im Parlament: Bundestag debattiert Legalisierung von Abtreibung
Ein parteiübergreifender Gesetzentwurf will legale Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten. Am Donnerstag ist der Entwurf im Plenum. Findet er eine Mehrheit?
Schwangerschaftsabbrüche sind derzeit in Deutschland rechtswidrig. In den ersten zwölf Wochen bleiben sie unter bestimmten Voraussetzungen straffrei: Die Schwangere muss sich zuvor beraten lassen, zudem muss sie eine Wartefrist von mindestens drei Tagen verstreichen lassen. Laut Gesetzentwurf sollen Abbrüche in den ersten drei Monaten grundsätzlich rechtmäßig sein. Die Beratungspflicht bliebe bestehen, die Wartezeit jedoch nicht. Zudem sollen Regelungen für Abbrüche nach den ersten drei Monaten im Schwangerschaftskonfliktgesetz, aber nicht mehr im Strafgesetzbuch stehen. Der Paragraf 218 selbst soll neu gefasst werden und nur noch den Schutz Schwangerer vor nicht selbstbestimmten Abbrüchen enthalten.
Unterzeichnet hatten den Gruppenantrag nach Angaben der Grünen-Abgeordneten Ulle Schauws, die neben Parlamentarierinnen von SPD und Linken den Antrag initiiert hat, zuletzt 327 Abgeordnete, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne). Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, sie gehöre „zu einer ganz großen Gruppe von Abgeordneten, die mehr Sicherheit und mehr Selbstbestimmung für Frauen“ ermöglichen wolle. Ihr Eindruck sei, dass es eine Mehrheit dafür geben könne, das Gesetz noch in dieser Legislatur zu beschließen.
„Zustimmungsfähig“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, er sei froh, dass es gelungen sei, sich über den Antrag zu verständigen. Zwar handle es sich um „hochemotionale Fragen“. Die Gesetzesvorlage halte er aber für „zustimmungsfähig“. Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, sagte, das Thema müsse und könne „noch vor dem 23. Februar entschieden werden“, also dem Termin für die Neuwahl des Bundestags.
Nach der ersten Lesung am Donnerstag geht der Gesetzentwurf zurück in die Ausschüsse, federführend ist der Rechtsausschuss. An den dortigen Mehrheiten liegt es, ob und wann er zur Schlussberatung und Abstimmung wieder ins Plenum verwiesen wird. Mast sagte, dazu sei eine Mehrheit im Rechtsausschuss unabdingbar, „die über die derzeitigen Unterzeichnenden hinausgeht.“ Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte: Er halte es für unsicher, ob der Antrag „jemals wieder aus dem Ausschuss rauskommt.“
Sollte dies der Fall sein, wäre danach eine Mehrheit von 367 Abgeordneten im Plenum nötig. Selbst wenn SPD, Grüne und Linke geschlossen für den Entwurf stimmen würden, wären die Abgeordneten auf Stimmen etwa von FDP, Union oder BSW angewiesen.
In der FDP hatte es zwar bereits Beschlüsse von Jungen Liberalen und Liberalen Frauen gegeben, die teilweise sogar über den derzeitigen Vorschlag hinausgehen. Eine Chance auf eine Mehrheit innerhalb der Partei hatten diese aber nie. Kürzlich jedoch hatten einige Parteimitglieder per offenem Brief eine Debatte über den Gesetzentwurf angestoßen. FDP-Parteichef Christian Lindner sagte infolgedessen, er werde den Antrag „nicht unterstützen“. Dennoch machten sowohl Lindner als auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr deutlich, Abgeordneten der Fraktion bei einer Abstimmung freie Hand zu lassen.
Merz empört
CDU-Chef Friedrich Merz hatte zunächst empört auf den Gesetzesvorstoß reagiert. Zuletzt warnte er vor einer übereilten Entscheidung: „Bitte nicht auf den letzten Metern vor der Wahl.“ Stattdessen sei eine breite parlamentarisch und gesellschaftlich geführte Debatte erforderlich, die dem Thema gerecht werde.
Vergangene Woche forderten zudem 73 Verbände die Bundestagsabgeordneten auf, den nun vorliegenden Gesetzentwurf zu unterstützen. „Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Argumente sind ausgetauscht“, schreiben unter anderem AWO, Paritätischer Gesamtverband und DGB. „Es liegt an Ihnen. Unterstützen Sie ungewollt Schwangere und ihre Ärztinnen. Schreiben Sie Geschichte!“
Vorangegangen war dem derzeitigen Vorstoß eine eigens von der Ampelregierung eingesetzte Kommission, die Möglichkeiten zur Regelung von Abbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuchs geprüft hatte. Für die Frühphase einer Schwangerschaft sind deren Empfehlungen eindeutig: Die grundsätzliche Strafbarkeit von Abbrüchen sei aus „völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive“ nicht haltbar. Doch die Ampel hatte schnell klargemacht, dass von ihrer Seite nichts kommen würde. Vor allem die FDP blockierte. Mitte November hatten die Parlamentarier*innen deshalb den eigenen Antrag in den Bundestag eingebracht.
Wenig umstritten
In der Bevölkerung ist das Thema Schwangerschaftsabbruch wenig umstritten: Mehr als 80 Prozent der Deutschen halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Das hatte im April eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundesfrauenministeriums gezeigt. Selbst unter WählerInnen der Union lehnen demzufolge 77,5 Prozent die Rechtswidrigkeit von Abbrüchen deutlich ab. Unter WählerInnen von SPD und Grünen sind es 88 beziehungsweise 92 Prozent.
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