Papst Franziskus in Kinshasa: Wer, wenn nicht der Papst?
Papst Franziskus hat gegen die Ausbeutung Afrikas eine klare Ansage gemacht. Er gewinnt damit eine Autorität, die er woanders längst nicht mehr hat.
D ie Welt wird wohl nie erfahren, was in den Köpfen der versammelten Würdenträger und Diplomaten in Kinshasa vorging, als Papst Franziskus am Dienstagabend vor sie trat und in seiner Ankunftsrede in der Demokratischen Republik Kongo Töne anschlug, wie sie das Land in einem solchen weltweit beachteten Ausmaß zuletzt 1960 von seinem berühmtesten Freiheitshelden Patrice Lumumba gehört hatte. „Hände weg von der Demokratischen Republik Kongo! Hände weg von Afrika!“, rief das Oberhaupt der katholischen Kirche den Reichen und Mächtigen zu. „Hört auf, Afrika zu knebeln! Es ist keine Mine, die man ausbeutet, und kein Land, das man raubt. Möge Afrika Gestalter seines Schicksals sein!“
Was erlaubt sich dieser alte weiße Mann, mögen da manche gedacht haben: „Hände weg!“ ausgerechnet vom Führer einer Weltkirche, die wie keine andere Institution die europäische Unterwerfung der Erde geprägt hat, von der imperialen Conquista in Amerika bis zur Kolonisierung Afrikas, mitsamt all der Auslöschung einheimischer Kulturen, Sprach- und Glaubenswelten? Und die bis heute selbst im Herzen Afrikas eine ambivalente Rolle spielt?
Zumindest Teile der katholischen Kirche unterstützten vor einer Generation aktiv den Völkermord an den Tutsi in Ruanda, und auch im Kongo sind nicht alle Katholiken vor dem Gift der Hetze gefeit, das der Papst jetzt ebenfalls zu Recht angeprangert hat.
Katholische Kirche genießt Respekt
Und doch: Wer, wenn nicht der Papst? Kein Politiker im Kongo kann so glaubhaft und unverblümt mutige Worte aussprechen und sich solche Mahnungen an die Machthaber leisten, an der Grenze zu einer Dreistigkeit, für die einfache Kongolesen im Gefängnis landen. Denn keine Institution im Kongo genießt mehr Respekt als die katholische Kirche, deren Priester eine fundamentale Rolle im Zusammenhalt der Gesellschaft in Zeiten von Verelendung und Hass spielen und deren Anführer immer wieder furchtlos das Wort gegen die Staatslenker erheben.
Nur deswegen kann der Papst in Kinshasa jetzt so sprechen und auch Gehör finden. Offiziell ist Franziskus gekommen, um Kongos Kirche Solidarität zu spenden. In Wahrheit spendet Kongos Kirche dem Papst während seines Besuches eine Autorität, die er andernorts auf der Welt längst nicht mehr beanspruchen kann. Und in der Summe gewinnen die Menschen der Demokratischen Republik Kongo dadurch, dass er an ihrer Seite steht und das auch sagt, ein Stück Stolz und Würde zurück.
Der Auftritt in Kinshasa wird das Elend der Kongolesen nicht beenden. Aber sowohl dem Papst als auch den Menschen erleichtert er zumindest für eine kurze Zeit den aufrechten Gang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Titel Thesen Sexismus
Warum Thilo Mischke nicht TTT moderieren sollte