Papst Franziskus im Irak: Papstreise mit großen Zielen
Der Papst ist zu einem historischem Besuch im Irak aufgebrochen. Trotz Corona will er eine Messe mit 10.000 Gläubigen feiern.
Im Irak hat Franziskus zwei große Ziele vor sich: die von Krieg und Verfolgung geschundene christliche Gemeinde zu stärken und die Beziehungen zum Islam zu vertiefen. Doch es ist ein Besuch, der Fragen aufwirft. Vor allem wegen der Pandemie gab es lange Zweifel, ob sich das Oberhaupt der katholischen Kirche tatsächlich auf den Weg macht.
Der Irak gehört zu den arabischen Ländern, die am stärksten von Covid-19 betroffen sind. Erst am Mittwoch stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit mehr als 5.100 auf einen neuen Höchststand – obwohl seit mehreren Wochen eine nächtliche Ausgangssperre gilt. Trotz der Pandemie will der Papst im Fußballstadion von Erbil, Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete, eine Messe mit 10.000 Gläubigen feiern.
Auch die Sicherheitslage hat sich zuletzt wieder verschärft. Im Januar kam es in der Hauptstadt Bagdad zu einem der schwersten Anschläge der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Zudem feuern irantreue Schiitenmilizen immer wieder Raketen auf die dort stationierte US-Armee ab, um deren Abzug aus dem Krisenland zu erreichen.
Christliche Gemeinde schrumpft
Doch viele Christen sehnen den Besuch eines Papstes schon seit langem herbei. Sie stellen im Irak mit schätzungsweise 250.000 bis 400.000 Anhängern eine Minderheit, die immer wieder stark gelitten hat. Über Jahrzehnte schrumpfte die Gemeinde von einst mehr als einer Million Gläubigen durch Abwanderung wegen Krieg und Vertreibung enorm. Unter der IS-Herrschaft verloren auch viele Christen ihr Leben. Dass der Heilige Vater nun kommt, ist für sie ein Jahrhundertereignis.
Große Bedeutung hat für die Christen nicht zuletzt der geplante Besuch in der Bagdader Kathedrale Sajjidat al-Nadscha, vor elf Jahren während der Abendmesse Schauplatz eines blutigen Angriffs des Terrornetzwerks Al-Kaida. Mehr als 50 Menschen wurden damals getötet.
Nauras Sabah William, 28, überlebte das Blutbad. Seitdem hofft er auf einen Besuch des Papstes. „Elf Jahre nach dem Vorfall begrüßen wir ihn“, sagt er. „Aber er kommt etwas zu spät.“ Der 28 Jahre alte christliche Iraker Jahja Wartan Hakin hofft trotzdem, dass der Besuch den Weg für einen friedlicheren Irak ebnet. Er ist überzeugt: „Der Papst ist ein Mann des Friedens. Er reist, um Frieden in dieses Land und in die Region zu bringen. Er wird uns mit seinem Gebet segnen.“
Wegen Corona konnte Franziskus den Vatikan im vergangenen Jahr für seine internationalen Reisen nicht verlassen. Dass sein erstes Ziel der Irak sein würde, sorgte wegen der Coronalage und des Sicherheitsrisikos dort schnell für Kritik. Der 84-Jährige, der wie viele Mitreisende mittlerweile gegen Corona geimpft ist, sucht die Begegnungen mit dem Islam.
Die Botschaft des friedlichen Zusammenlebens der Religionen aus seiner Enzyklika „Fratelli tutti“ (Alle Geschwister) steht über all dem. „Die Reise passt hervorragend zu diesem Papst“, sagt der Vatikan-Experte Bernd Hagenkord. Franziskus wolle mit den wichtigen „Playern“ des Islams sprechen.
Schon das Abkommen („Die Brüderlichkeit aller Menschen – Für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“), das Franziskus und der ägyptische Großimam Ahmed al-Tajjib als hoher Vertreter des sunnitischen Islams 2019 in Abu Dhabi unterzeichnet hatten, sei sehr wichtig gewesen.
Treffen mit al-Sistani
Mit Spannung blicken Beobachter deshalb auf das Treffen von Franziskus mit dem Großajatollah und höchsten schiitischen Geistlichen im Irak, Ali al-Sistani, in Nadschaf südlich von Bagdad. Ob Franziskus und der 90-Jährige dort auch ein Dokument unterzeichnen werden, ist noch unklar. Es wäre jedoch ein enormer Erfolg für Franziskus.
Überhaupt hat der Vatikan ein straffes Reiseprogramm aufgestellt. Franziskus will auch an der biblischen Geburtsstätte Abrahams in der Ebene von Ur ein interreligiöses Treffen mit Christen, Muslimen, Juden und Vertretern der vom IS verfolgten Minderheit der Jesiden abhalten. Der Ort ist für alle Religionen wichtig und birgt deshalb eine gewaltige Symbolkraft auf dieser Reise.
Im Nordirak will der Papst die Städte Mossul und Karakosch besuchen, wo viele Kirchen und christliche Stätten unter der IS-Herrschaft zerstört oder geschändet und zahlreiche Christen getötet worden waren. Ein Höhepunkt für die Gläubigen dürfte die Messe im Fußballstadion Erbils werden. Es ist die einzige Massenveranstaltung. Bei den übrigen Treffen sollen nur wenige Hundert Teilnehmer dabei sein.
Auch für den Irak steht viel auf dem Spiel. Der Papstbesuch holt das Land auf die internationale Bühne. Mit einer gelungenen Organisation könnte es sich in ein besseres Licht rücken und einen Kontrast zu den sonst eher schlechten Nachrichten über Anschläge und Korruption schaffen. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden bereits verschärft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?