Panzi-Krankenhaus im Kongo schikaniert: Finanzamt gegen Frauenretter
Das Krankenhaus des Sacharow-Preisträgers Denis Mukwege in Bukavu, das Opfer sexueller Kriegsverbrechen behandelt, wird vom Staat lahmgelegt.
BERLIN taz | Die bekannteste Einrichtung zur Behandlung von Opfern sexueller Kriegsgewalt in der Demokratischen Republik Kongo steht vor dem Ruin. Schuld daran ist Kongos Staat – er hat die Konten des Panzi-Krankenhauses in der ostkongolesischen Stadt Bukavu eingefroren, wegen angeblicher Steuerschulden. Das Krankenhauspersonal protestiert auf der Straße.
Der Osten der Demokratischen Republik Kongo ist Schauplatz einiger der brutalsten sexuellen Kriegsverbrechen der Welt. Der Gynäkologe Denis Mukwege gründete 1999 in Bukavu mit Unterstützung des Dachverbandes der kongolesischen Pfingstkirchen (Cepac) das Panzi-Krankenhaus.
Es ist neben dem Krankenhaus „Heal Africa“ in Goma das Einzige im Ostkongo, das die unzähligen von Soldaten und Milizionären vergewaltigten und gefolterten Frauen der Region umfassend behandelt.
Rund 30.000 Frauen, viele davon mit unvorstellbaren Verletzungen, sind in Panzi in den vergangenen 15 Jahren betreut worden. Mukwege wird regelmäßig als Kandidat für den Friedensnobelpreis gehandelt. Ende November erhielt er in Straßburg den Sacharow-Preis des Europaparlaments.
Knapp 39.000 Euro sind weg
Zu diesem Zeitpunkt war sein Rechtsstreit mit den Steuerbehörden der Provinz Süd-Kivu bereits in vollem Gange. Es geht um die erweiterte Lohnsteuer IPR (Impôt Professionnel sur les Rémunérations), die monatlich vom Arbeitgeber an die Steuerbehörde DGI abzuführen ist.
Die DGI sagt, das Panzi-Krankenhaus habe dies nicht getan, und so habe man am 31. Oktober 2014 Panzis Konten eingefroren und am 29. Dezember daraus genau 33.213.695,32 kongolesische Franc an die Staatskasse überwiesen – davon rund ein Viertel als Säumniszuschlag – sowie weitere 9.865.695 als Strafzahlung an die DGI selbst. Umgerechnet sind das insgesamt 38.767 Euro.
Die Krankenhausleitung hält dies für illegal: Der Zugriff auf die eingefrorenen Konten sei erst im Nachhinein mitgeteilt worden, also ohne Möglichkeit des Widerspruchs. Es müsse sonst kein einziges staatliches Krankenhaus im Kongo die IPR abführen. Die DGI sagt, Panzi sei kein staatliches Krankenhaus. Das Krankenhaus entgegnet, der Träger Cepac sei als wohltätige Einrichtung öffentlichen Rechts anerkannt und alle seine Angestellten seien Staatsangestellte.
In Kongos öffentlichem Dienst sind die Grundgehälter lächerlich gering. Krankenhäuser und Schulen bezahlen ihren Mitarbeitern zusätzlich Prämien, die meist den Großteil des Einkommens ausmachen und durch Gebühren für Patienten und Eltern wieder hereingeholt werden müssen.
Der Lohnsteuervorabzug durch das Finanzamt bezieht sich auf die Grundgehälter. Die IPR ermöglicht den Steuerbehörden den Zugriff auf die gesamten Einkommen – wie eben Honorare für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.
In der Bürgerkriegsprovinz Süd-Kivu macht die IPR inzwischen fast die Hälfte aller Steuereinnahmen aus. Auf einer DGI-Klausur in Bukavu im August 2014 wurde sie als wichtigstes Mittel zum Erreichen der Planziele des Jahres genannt. Damals hieß es, im ersten Halbjahr lägen die Steuereinnahmen der Provinz knapp 72 Millionen kongolesische Franc (9 Prozent) unter Plan.
Die jetzt von Panzi abgegriffenen 43 Millionen sind da höchst willkommen.
Kein Geld mehr für Personal und Patienten
Die Aktivitäten des Krankenhauses sind nun aber vorerst lahmgelegt. Für die rund 370 Angestellten und derzeit rund 300 Patienten sei nun kein Geld mehr da, sagt Mukwege. Oppositionelle im Kongo argwöhnen, mit der Maßnahme solle Mukwege abgestraft werden.
Wie bei allen kongolesischen Gesetzen ist es auch bei Kongos Steuergesetzen keineswegs selbstverständlich, dass staatliche Stellen sie auch anwenden, und wenn doch, wird das als Willkür gedeutet.
„Mukwege wird zur Zielscheibe, weil er weltweit zu hoch gelobt worden ist“, sagte Vital Kamerhe, Oppositionsführer aus Bukavu. „Es ist für uns unverständlich, dass Kongos Regierung – die eigentlich diese Frauen pflegen sollte – dieses Krankenhaus lahmlegt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers