Panikattacken in der Bahn: Die Angst als ständige Begleiterin

Etwa je­de:r Fünfte bekommt mal eine Panikattacke. Auch unsere Autorin hat sie manchmal. Und weiß: Ein offener Umgang damit hilft.

Eine U-Bahn fährt auf den Betrachter zu, Abendstimmung, Verwacklungsunschärfe

Manchmal ist die Angst schneller Foto: Florian Gaertner/photothek.net/imago images

Was haben Miley Cyrus, Prinz Harry und Rezo gemeinsam? Sie haben nach eigenen Aussagen schon mal eine Panikattacke erlebt. Hierzulande machen etwa 20 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben diese Erfahrung – meist folgenlos. Schwierig wird es, wenn sich die Attacken häufen, die Angst zur steten Begleiterin wird.

Mich überkommen Panikattacken in unregelmäßigen Abständen. Ein Muster erkenne ich nicht zwingend, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit einer meiner depressiven Phasen einhergehen, ist hoch. Auch gibt es Faktoren, die sie begünstigen. Bahnfahren gehört dazu.

Gemeint ist nicht das romantische Fahren in einem Zug mit Bordbistro und vorbeiziehender Landschaft. Nein, wo sich meine Angst richtig wohl fühlt, ist der öffentliche Personennahverkehr. Zu eng, zu viele Menschen auf kleinem Raum, zu viel Unvorhersehbares. Hier wächst und gedeiht jedes kleine Fünkchen Angst ganz prächtig.

Mit den Jahren habe ich die Zeichen zu deuten gelernt, kann frühzeitig einschreiten, – quasi die Angst im Keim ersticken. Dann hilft es mir, bewusst tief ein- und auszuatmen, die Hände abwechselnd zu einer Faust zu schließen und wieder zu öffnen oder mir leicht und regelmäßig aufs Brustbein zu klopfen. Auf und ab gehen kann helfen, ebenso wie sich selbst gut zureden. (Das fällt in Berliner Öffis nicht mal besonders auf.) Wenn es nicht anders geht, steige ich zwischendrin aus.

Erst dachte ich, es sei ein Herzinfarkt

Aber manchmal ist die Angst schneller. Dann treibt sie aus, rankt sich um mich wie die Teufelsschlinge im ersten Harry-Potter-Teil, die jeden zerdrückt, der sie berührt. Ihre Triebe quetschen Schweiß aus meinen Poren, meine Haut fühlt sich heiß und kalt zugleich an. Das Licht wirkt greller, die Geräusche um mich herum schwellen zu einem Getöse an. Ich vergesse zu atmen, dann wieder geht der Atem viel zu schnell. Meine Finger kribbeln, meine Nase auch. Manchmal fließen Tränen.

Vor ein paar Jahren rief ich beinah den Krankenwagen, weil mir zudem plötzlich der linke Arm schmerzte und ich sicher war, einen Herzinfarkt zu haben. Mittlerweile weiß ich, dass sich ein Herzinfarkt bei Frauen oft anders äußert. Statt den Krankenwagen rief ich meine Mutter an, die mir gut zuredete und von einer Panikattacke sprach. Sie hatte recht und ich ein weiteres Symptom.

Im Nachhinein bin ich froh, nicht den Krankenwagen gerufen zu haben, da ich befürchtete, als hysterisch abgestempelt zu werden. Auch das ist mir bei Ärz­t*in­nen schon passiert. Zwar ist eine Panikattacke per se nicht gefährlich, dennoch handelt es sich um ein Warnzeichen und sollte bei mehrmaligem Auftreten ernst genommen werden.

Miley Cyrus unterbrach unlängst ein Konzert, um das Gefühl einer aufkeimenden Panikattacke mit dem Publikum zu teilen: „Ich denke, wenn ich ehrlich bin, habe ich weniger Angst.“ Wie recht sie hat – denn nichts ist besserer Nährboden für die Angst als Schweigen.

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Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.

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