Palästina-Proteste in Berlin: Palästina-Demo für grenzenlosen Humanismus
Zahlreiche NGOs rufen am Freitag zum Protest gegen den Krieg in Gaza und deutsche Waffenlieferungen auf – ohne in die üblichen Fettnäpfchen zu treten.
Es ist einer der ersten Demoaufrufe zum Nahostkonflikt, der in keinen der Fettnäpfe tappt, für die andere Palästina-Proteste nun seit über einem Jahr gegeißelt werden. Bedingungslos werden die zivilen Opfer auf allen Seiten betrauert. Eindeutig alle Kriegsverbrechen verurteilt, egal ob sie von Hamas, Hisbollah oder Israel begangen werden. Im Mittelpunkt steht dennoch Deutschlands Mitschuld am Leid der Palästinenser:innen. Die Bundesregierung schweige zu den Kriegsverbrechen Israels, heißt es im Aufruf – und kriminalisiere im Inneren die Palästina-Proteste.
„Wir wollen ein Demoangebot machen, das einen bedingungslosen Humanismus in den Mittelpunkt stellt, der um alle zivilen Opfer trauert und sich trotzdem klar gegen die Bundesregierung richtet“, sagt Laura Beckmann von der iL Berlin zur taz. In der deutschen Staatsräson-Debatte fehle es oft an Empathie für palästinensische und auch libanesische Menschen. Doch Menschenrechte seien universell. „Es liegt deshalb an uns, der Regierung ein Zeichen zu setzen: Dieser Krieg und deutsche Waffenexporte müssen enden. Sofort“, sagt Beckmann.
Organisator:innen sehen „Klima der Angst“
Der Protest spricht ein politisches Spektrum an, das auf Palästina-Demos bisher oft nicht repräsentiert wurde: diejenigen, die sich solidarisch mit Palästinenser:innen fühlen, gegen Staatsräson und deutsche Waffenlieferungen sind – ohne aber Israel als gänzlich koloniales Konstrukt zu sehen oder sich gar antizionistisch positionieren zu wollen. Zahlenmäßig gibt es hier durchaus Potenzial. Umfragen zufolge ist knapp die Hälfte der Deutschen für ein Verbot von Waffenlieferungen nach Israel, über 60 Prozent lehnen Israels Kriegsführung ab.
Das Demobild ist dagegen häufig eher von Extremen dominiert, wie zuletzt die Proteste rund um den 7. Oktober, den Jahrestag des Hamas-Massakers, gezeigt hatten. Antiimperialistische Gruppen hatten ausgerechnet am Jahrestag unter dem dem Motto „Glory to the resistance“ auf die Straße mobilisiert. Und auf der anderen Seite hielten es einige Demonstrant:innen für linken Aktivismus, hinter einer großen Fahne der israelischen Streitkräfte aufzulaufen.
Dass das moderate Spektrum bisher kaum präsent ist, dürfte also auch daran liegen, dass diese Positionen auf Palästina-Protesten bisher wenig bis keinen Raum bekommen. Dazu kommt die Repression. Palästinasolidarität zu zeigen, sei oft mit enormen Anfeindungen im öffentlichen Raum verbunden, sagt Beckmann. „Die Leute haben Angst, dass ein Foto von ihnen auf einer Demo sie den Job kosten kann.“ Ihre Hoffnung sei, dass die Namen der großen NGOs nun mehr Menschen die nötige Sicherheit geben, sich auf die Straße zu wagen.
Auch in vielen NGOs habe lange ein „Klima der Angst“ geherrscht, erzählt Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International der taz. Schon länger wollten viele aus der NGO-Szene in der Sache lauter werden. Doch viele Organisationen befürchteten, öffentlich delegitimiert zu werden und informelle Zugänge zu politischen Entscheidungsträgern zu verlieren. Als Schritt, aktiv zu werden, sei im August bereits eine Petition gegen deutsche Waffenexporte entstanden. Nun, zum Protestaufruf, habe sich bei vielen NGOs die Stimmung durchgesetzt: „Wenn alle dabei sind, sind wir es auch“, sagt Beckmann.
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