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Paarbeziehungen in der KlimakriseDas Private ist klimapolitisch

Als langjähriger Klimajournalist fühlt sich unser Autor oft wie ein wandelnder Vorwurf an die Mitmenschen. Seltsam, freakig, kauzig. Woher kommt das?

Viele Menschen konsumieren Fleisch, als gäbe es kein Morgen Foto: imago

D as ist mal eine interessante Frage, die der Newsletter „Yale Climate Connection“, kurz YCC, da stellt: Wie beeinflusst der Klimawandel unsere persönlichen Beziehungen? Keine Ahnung, wie das bei Ihnen ist, aber für mich kann ich sagen: Er führt dazu, dass meine Frau mich für einen Freak hält.

Wahrscheinlich hat sie sogar recht damit. Denn wir saßen neulich an einem ruhigen Herbstabend friedlich auf dem Sofa. Meine Frau legte ihr Strickzeug zur Seite, nahm ihren Roman in die Hand und fragte mich: „Und was liest du da?“ Die ehrliche Antwort: Auf meinem iPad hatte ich mich in eine wissenschaftliche Studie vertieft, wie der Klimawandel die Geopolitik verändert. Ich fand die Lektüre um Längen spannender als viele Krimis. Meine Frau aber meinte: „Du bist echt seltsam.“

Vielleicht macht der Klimawandel uns genau so: seltsam. In dem Interview bei YCC jedenfalls sagt die Paartherapeutin Orna Guralnik, die Klimakrise wirke indirekt auch auf unser enges Zusammenleben. Sie sei der wichtigste Faktor in der Geopolitik, bei Paarbeziehungen und Familienplanung: Menschen litten unter Stress, fühlten sich hilflos und vereinzelt, manche junge Menschen wollten deshalb keine Familie mehr gründen. Dazu komme ein schlechtes Gewissen über die Zerstörung der Natur.

Auch den Anstieg von Polyamorie erklärt Guralnik teilweise mit der Klimakrise: Die Menschen sähen keinen Sinn mehr darin, sich auf die kleinstmögliche Beziehungseinheit eines Paares zu konzentrieren. Und klar ist: Die Klimakrise erhöht den Stress. Je wärmer es wird, desto höher die Konfliktbereitschaft. „Climate Anxiety“ ist ein großes Thema, Menschen, vor allem junge, fürchten sich vor der Zukunft, und das mit gutem Grund.

Seelische Hornhaut

Und ich so? Nach 20 Jahren Berichterstattung zum Thema habe ich mir eine gewisse seelische Hornhaut zugelegt. Vieles Furchtbare ist Routine geworden: Jedes Jahr sterben Hunderttausende Menschen in der Klimakrise, die meisten Gletscher sind verloren, die Arktis schwindet, wer noch Korallen sehen will, muss sich beeilen. Aber trotzdem bin ich erstaunlich selten so richtig verzweifelt. Keine Ahnung, woran das liegt. Ich denke jedenfalls nie: „Gut, dass ich 2100 nicht mehr erleben muss!“ Aber in der unerklärlichen Weigerung zu verzweifeln und der professionellen Abstumpfung gibt es natürlich auch immer wieder diese Momente, wo mir der Arsch auf Grundeis geht. Noch so ein Begriff, den wir in der Erdüberhitzung verlieren werden.

Haben sich meine persönlichen Beziehungen verändert? Sicher: Als Klimajournalist bin ich ein wandelnder Vorwurf an meine Mitmenschen, das hat mich seltsamer, freakiger, kauziger gemacht, glaube ich. Oder vielleicht ist auch die Welt um mich herum, die auf eine massive Bedrohung mit Ignoranz reagiert, seltsam, freakig und kauzig.

Andere finden es seltsam, wie ich trotz aller Kritik Deutschland lobe für seine Energiewende, seinen Klimaschutz, seine politische Konsenskultur und sein sauberes Trinkwasser. Ich habe Freunde verloren, weil ich es nicht ertrage, wenn ideologische Dummschwätzer die Klimakrise herunterreden. Und ich halte nicht mehr den Mund, wenn Bekannte beim Thema Fliegen, Autofahren, Wählen und Fleischessen weiter so leben, als gäbe es kein Morgen. Denn genau das passiert dann nämlich.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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14 Kommentare

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  • Na, ob da wirklich die Klimakrise „so seltsam“ auf die Paarbeziehungen wirkt, oder nicht vielleicht doch eher eine der vielen anderen permanenten existenziellen Krisen des normalen Wohlstandsdurchschnittsbürgers? Wer mag das in unserer postmodernen Unzufriedenheitsblase noch wirklich auseinanderhalten können? Da ist soviel Anspruch auf alles individuell Mögliche einfach so gesetzt, dass jede Überprüfungsanfrage Empörung oder Bedauern für den „Neidnerd“ auslöst..

  • Ach, mir geht's ähnlich, wenn ich E-Autofans die Sache mit dem Marginalstrom erkläre, und dass sie ihr Geld besser in ein Windparkprojekt gesteckt hätten. Dass das Deutschlandticket ungefähr die teuerste Methode ist, CO2 einzusparen. Dass E- oder Biomethan als Energiespeicher wesentlich besser geeignet sind als Wasserstoff, wegen der Energiedichte. Dass Akkus als Saisonspeicher ungeeignet sind, da nicht bezahlbar. Dass Wärmepumpen einen beträchtlichen Bedarf an Saisonspeichern verursachen. Dass junge Wälder wesentlich mehr CO2 absorbieren als Urwälder. Dass ein Hektar Palmölplantage die ca. zehnfache Menge CO2 absorbiert wie die gleiche Fläche Regenwald. Dass CCU ein Einstieg in eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft ermöglicht.



    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.



    Aber ich galt ja schon in den 1980-ern als Freak, als ich mich nach Tschernobyl mit PV netzstromunabhängig machte, als ich Anfang der 1990-er ein solarautares Haus plante und baute. Ist eben der Preis dafür, wenn man sich nicht auf Fertiggerüchte verlässt, sondern lieber selbst nachrechnet.

    • @sollndas:

      Sorry Sollndas,



      aber da muß man (ich) reagieren.



      Solche selbsternannten Zeitgenossen, die der Auffassung sind mit erhobenem Zeigefinger mir/uns die Welt zu erläutern WAS und WIE wir uns zu verhalten haben, gehen mir am meisten auf die Nerven.



      Es ist ja nicht nur die ständige Art und Weise alles besser wissen zu wollen, sonder vielmehr das zwanhafte, ja oftmals fast schon sektenhafte Erklären WAS zu tun ist. Diese pseudowissenschaftlichen Weisheiten werden dann mit wikipediaähnlichen Wissenslücken erklärt.



      Alles mit dem Ziel sein gegenüber Mundtot zu machen.



      Meine Antwort darauf ist dann fast immer die gleiche, weil es am Besten klappt.



      Ich erzähle von unseren tollen USA Reisen und wie wir die Tickets extrem günstig geschossen haben durch europäisches Flugplatzhopping.



      Weiterhin sehr effektiv sind ausgedehnte Berichte von unseren Motoradwochendenden durch ganz Deutschland als RoadMovie, quasi ohne Ziel einfach nur cruisen.

      Falls das noch nicht geholfen habe gibts noch die alle 2 Monate stattfinden Besuche am Hockenheimring wo wir einfach mal ein paar Euros durch den Ami V8 jagen und im Abschluß ein schönes großes argentinisches Steak essen.

      Das hat bisher immer geholfen!

    • @sollndas:

      Könnten Sie das z.B. bezogen auf die Wälder noch einmal ausführen? Ich interpretiere Ihren Kommentar so: wenn man den Regenwald abholzt, dann nimmt der nachwachsende Wald/Plantage hinterher wieder CO2 auf. Aber vorher war das ja im Wald gespeichert. Jetzt ist es in der Luft. Ich verstehe Ihren Punkt da vermutlich nicht.

    • @sollndas:

      Ein paar Fragezeichen möchte ich setzen, gerade weil ich faktenbasiertes Vorgehen mehr schätze als nur 'gut gemeint'.



      Marginalstrom nur dem E-Auto anzulasten ist grenzwertig. Damit kann ich genauso auch Ihren Fön attackieren. Und auch so ist E wohl das kleinere Übel. Setzt teils noch Leitungsausbau voraus.



      CO2 einsparen ginge z.B. mit Vollkosten bei Autos besser als mit ÖPNV-Pendler-Geldgrenzen oder E-Auto-Zuschüssen.



      Methan ist besser speicherbar, aber unterschätzen Sie Akkus und Energiesparen nicht etwas, gerade beim rasanten Fortschritt, Fraunhofer sei dank?



      Bei Wäldern steckt hier das CO2 in den Böden, im Regenwald im System, nicht aber, wenn es brandgerodet wird wie am Amazonas oder als Kitkat gegessen und verdaut wird. CCU und Kreislaufwirtschaft wäre ein Traum. Heute ist es absehbar eine teure und energiefressende Ausrede, um weiterzumachen, wie es weiter nicht geht.







      Mir genauso wichtig ist es, Ihre Leistung als PV-Pionier zu sehen. Anpacken braucht das Land.

  • In meiner privaten Blase geht es mir nicht so, aber im beruflichen Umfeld kann ich die Erzählungen von geplanten Flugreisen und Kreuzfahrten oder Dienstfahrten mit dem Auto auch nicht mehr stehenlassen und komme mir wie eine Spielverderberin vor. Es ist krass, wie sehr die Leute die eigenen beruflichen Erfahrungen mit dem Klimawandel (Thema Wasser) im privaten ausblenden können. Eigentlich müssten alle ihr Auto abschaffen, nicht mehr fliegen und Wärmepumpen kaufen…

    • @JKPotsdam:

      Wir haben in der Firma auch ein paar Oberlehrer.



      Die sitzen dann halt in der Kantine alleine.

      • @Dromedar:In:

        In einer Firma manchmal auch die höhere Lebensqualität, nicht mit den letzten Fossil-Raushauern zu viel Zeit zu verbringen.



        Lasst uns aber dennoch im Gespräch bleiben, ab und an.



        : )

  • Kurz die Gattin verteidigend: Wenn der Gatte quasi noch in der Freizeit sich für die Arbeit weiterbildet, kann das schon ein Fragezeichen ergeben.



    Aber dass das Thema eins der entscheidenden ist für die Menschheit, das ja auch. Und dass sowohl Politik mit Anreizen als auch wir mit Vorangehen schon mal ansetzen können, ja müssen, wenn wir nicht Hitze und Schäden davontragen wollen, ist eigentlich selbstevident. Und es gibt zugleich schon die ersten guten Schritte.



    Daher danke für einen differenziert trockenen kurzen Impuls!

  • Wenn jetzt Sachlektüre lesen, während andere in Entertainment versinken schon freakig ist, kann der Autor beruhigt sein: Er ist alles andere als allein. Seltsam scheint mir eher die Antwort der Frau, oder kennt man sich noch nicht lang?

  • "Ich habe Freunde verloren, weil ich es nicht ertrage, wenn ideologische Dummschwätzer die Klimakrise herunterreden."

    Vorträge die nur so vor Moral triefen, und zudem noch mit Fachbegriffen und Wissenschaft imprägniert sind, fördern selten Freundschaften. Ob sie das Klima retten? Ich weiß es nicht.

    • @Verboten:

      Echten Freunden kann mensch auch mit Klartext kommen, und die schenken mir entsprechend auch ein. Respektvoll beiderseits vor der Verschiedenheit, so schwer es fallen mag.

      Ohne Moral, abstrakt gesehen, keine Freundschaft. Pötter scheint auch auf stimmende Fakten statt großer leerer Klappe Wert zu legen. Ein wenig können wir ihn da doch auch verstehen, oder?

  • Dem Klima sind unsere Gefühle letztlich egal. Aber wenn wieder ganze Lebensräume zerstört werden, fällt es schwer, die Gleichgültigkeit zu ertragen.

    • @derzwerg:

      Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine zum anderen: " Hi lange nicht gesehen, wie geht's? Du siehst ja schlecht aus." Antwortet der andere Planet:" Hör bloß auf, ich habe Homo Sapiens." Daraufhin der erste Planet:" Au ja, das ist Kacke, hatte ich auch mal. Das geht aber vorbei."