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PR-Wahlvideo über 97-jährigen WählerIndiens ältester Patriot




Seit 1951 geht Shyam Negi in einem Dorf im Himalaja wählen. Kurz vor den Parlamentswahlen stellt Google Indien ein PR-Video mit ihm ins Netz.

Shyam Negi spielt die Hauptrolle des indischen PR-Wahlspots. Bild: Screenshot: Youtube/Google India



DELHI taz | Er hat an allen 15 Wahlen des unabhängigen Indiens teilgenommen, Regen und Schnee getrotzt um zum Wahllokal zu kommen: Shyam Negi, so heißt es in indischen Medien, ist Indiens „erster und ältester“ Wähler. In einem schmalzigen Wahlvideo von Google Indien wird er in seinem Bergdorf Kalpa vorgestellt, auf verschneiten Dorfwegen und vor erhabener Himalaja-Kulisse.



Im Vorfeld der Wahlen sind solche Schmalzvideos in Indien keine Überraschung, immer wieder betonen Politiker, das Wählen sei eine patriotische Pflicht. In einem anderen Video, ebenfalls von Google produziert, geloben ein Dutzend Bollywood-Stars, dass auch sie wählen werden. Doch während Shyam Negis Geschichte in den vergangenen vier Tagen schon mehr als 400.000 Mal abgespielt wurde, sind es bei den Bollywood-Stars nur 10.000 gewesen.



Ob Negi tatsächlich Indiens erster Wähler ist, ist nicht wirklich bekannt. Auch wird er nicht wirklich der älteste Wahlberechtigte des Landes sein, wo es mehrere Menschen gibt, die behaupten mehr als 100 Jahre alt zu sein. Doch er ist der perfekte PR-Fund: Zum 60. Jahrestag des Bestehens der indischen Wahlkommission 2010 wurde er entdeckt und wird immer wieder als Held der Demokratie gefeiert. So auch nun von Google.



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Shyam Negis Geschichte zeigt aber auch die Schwierigkeiten auf, die Wahlen in einem riesigen Land wie Indien mit sich bringen. Dieses Jahr gibt es 800 Millionen Wähler, die in so unterschiedlichen Gegenden wie entlegenen Bergdörfern wie Kalpa, aber auch in Wüsten wie in Rajasthan oder Megastädten wie Bombay wählen sollen. In manchen Gegenden beginnt der Monsun, in anderen wird geerntet. All das sei berücksichtigt worden, hieß es aus der Wahlkommission, als die neun Wahltage für die kommende Parlamentswahl festgelegt wurden.



In diesem Jahr dauern die Wahlen sechs Wochen. Bei der ersten Wahl Indiens, an der Shyam Negi noch als junger Schullehrer teilnahm, waren es vier Monate. Die neue Wahlkommission reiste mit Zug, Karren oder Maultieren durch das ganze Land und hielt vor Ort die Wahlen ab. Kalpa war 1951 der erste Wahlkreis, der wählen durfte: Im Winter wäre das Dorf hoch im Himalaja nicht mehr erreichbar gewesen. Als die Wahl im Februar 1952 endete.

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1 Kommentar

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  • Bewundernswert. In anderen Ländern gehen die Bürger nicht mehr zur Wahl, weil das Fernsehprogramm nicht unterbrochen werden will.

    Vielleicht tät der Bundesrepublik ein Wahlzwang verbunden mit der expliziten Option "Enthaltung" als eigenem Feld auf dem Wahlzellel ganz gut.