PKK-Flagge gepostet: Linken-Fraktionschefin verwarnt
Eine Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft muss 1.000 Euro spenden, weil sie die Flagge der verbotenen Kurdenorganisation PKK getwittert hat.
Eine verständnisvolle Richterin hat die Co-Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Cansu Özdemir, mit ihrem Engagement für die kurdische Sache gefunden. „Ich kann vieles von dem, was Sie gesagt haben, politisch nachvollziehen“, sagte Richterin Katharina Leroye. Sie habe aber das geltende Recht anzuwenden. Leroye verwarnte Özdemir dafür, dass sie auf Twitter die Flagge der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gepostet hatte.
Die Verwarnung ist allerdings mit einer Geldspende an die „Hilfe für das behinderte Kind“ und einem Vorbehalt verbunden: Sollte Özdemir die Flagge mit dem roten Stern auf gelbem Grund innerhalb der nächsten zwei Jahre noch einmal zeigen, würde eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen, in der Summe 4.500 Euro fällig. „Ich glaube, dass Sie intelligent genug sind, andere Wege zu ihrem Ziel zu suchen“, sagte die Richterin.
Özdemir war 2017 angezeigt worden, weil sie einen Tweet abgesetzt hatte: „Weg mit dem Verbot der #PKK! #ForbiddenInGermany“. Diese Botschaft allein, machte die Richterin deutlich, wäre nicht strafbar gewesen. Özdemir hatte es aber dabei nicht belassen und auch die Fahne gezeigt. Da die PKK verboten ist, dürfen laut Vereinsgesetz auch ihre Kennzeichen nicht verbreitet werden.
Zu Beginn der Verhandlung, zu der viele Unterstützer erschienen waren, verlas Özdemir eine Erklärung, in der sie das PKK-Verbot „heuchlerisch und ein Instrument der Repression gegenüber den politisch aktiven Kurd*innen und ihren Genoss*innen in Deutschland“ nannte. Die Bundesregierung habe sich im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien und im Irak auf die kurdischen Einheiten verlassen. Gleichzeitig beliefere sie die Türkei mit Rüstungsgütern.
Verfassungsschutz sieht Gefahr
Dabei würden die Kurd*innen seit der Gründung der türkischen Republik „systematisch verfolgt – immer mit dem Ziel der Assimilierung und Vernichtung“. Den Kurden sei nur der Weg des Widerstands geblieben, um weiter existieren zu können.
Diesen Kampf hat militärisch die PKK geführt. „Zu den zentralen Forderungen der PKK gehören die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden unter Aufrechterhaltung nationaler Grenzen“, konzediert das Bundesamt für Verfassungsschutz auf seiner Website.
Das Amt sieht in der PKK aber eine Gefahr: Als schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation sei sie in der Lage, Personen weit über den Kreis der Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren, urteilen die Verfassungsschützer, „auch hin zu einer möglichen Neubelebung militanter Aktionsformen“. Seit 1993 darf sie sich in Deutschland nicht betätigen.
Im Prozess vor dem Amtsgericht Altona ging es vor allem darum, ob sich Özdemir auf einen Ausnahmeparagrafen im Vereinsrecht berufen konnte, der das Zeigen verbotener Symbole „im Rahmen staatsbürgerlicher Aufklärung“ erlaubt. Als Parlamentarierin sei es ihre Aufgabe, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, sagte Özdemir. Zu diesem Zweck habe sie die wiederholt erhobene Forderung, das PKK-Verbot aufzuheben, mit der Flagge visualisiert.
Staatsanwalt Michael Elsner gewichtete das anders: „Sie haben, um Aufmerksamkeit zu erreichen, lediglich eine Flagge in den Vordergrund gestellt – und das ist strafbar.“ Von einer Parlamentarierin dürfe man erwarten, dass sie sich ans Gesetz halte und entsprechende Wege beschreite.
Die Anklage verkenne, dass das Foto veröffentlicht worden sei, um es zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion zu machen, argumentierte Özdemirs Anwalt Alexander Kienzle. Das müsse möglich sein.
„Dem folgen wir nicht“, sagte Richterin Leroye. Dem Tweet fehle der abwägend aufklärende Inhalt; er vermittle in seiner Zuspitzung kaum Inhalt. „Es geht um politischen Tageskampf“, fand Leroye. Trotzdem folgte sie nicht der Forderung des Staatsanwalts nach einer Verurteilung: Diese sei angesichts der Tat und Persönlichkeit entbehrlich und auch nicht zur Verteidigung des Rechtsstaates nötig. Eine Wiederholung sei nicht zu erwarten.
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