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„Osterwaffenruhe“ in der UkraineUnseriöse Diplomatie

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Russland kündigte eine 30-stündige Feuerpause an – und brach sie sogleich. Eine ernstzunehmende Waffenruhe muss bilateral vereinbart und schriftlich fixiert werden.

Ukrainische Soldaten kommen zu einer improvisierten Ostermesse an der Front in der Dnipropetrowsk-Region zusammen Foto: UKRAINIAN ARMED FORCES/via reuters

S ollte in einigen Jahrzehnten noch Diplomatie gelehrt werden, können die aktuellen Vorgänge rund um die Ukraine als Lehrbuchbeispiel dienen, wie man es nicht macht. Da schickt US-Präsident Donald Trump Unterhändler nach Moskau, die von dem Konflikt keine Ahnung haben, die noch nie Frieden verhandelt haben, die durch Naivität und dubiose Russlandverstrickungen auffallen, die keinerlei Konzessionen einfordern und die am Ende allen russischen Forderungen nachgeben.

Als Trump dämmert, dass da nichts herauskommt, und er mit Abbruch droht, schiebt Putin prompt eine überraschende 30-stündige Feuerpause nach, deren Ankündigung er mit neuen heftigen Angriffen auf ukrainische Städte begleitet. Und er verlangt von der Ukraine, es ihm gleichzutun, also auf diese Angriffe nicht zu reagieren. Die Ukraine ist nicht blöd und bringt statt 30 Stunden Feuerpause 30 Tage ins Spiel, so wie schon einmal vor einigen Wochen, als Russland den Ball nicht aufnahm.

Bis das Geplänkel vorbei ist, ist die Feuerpause auch schon wieder vorbei, aber immerhin macht Trump nun weiter. Die Ostermarschierer, die dieses Jahr wieder einmal für mehr Diplomatie im Ukrainekrieg auf die Straße gingen, sollten sich überlegen, was sie eigentlich wollen. Es mangelt nicht an Diplomatie im Ukrainekrieg. Den Krieg beendet sie aber nicht, im Gegenteil. Diplomatie und Kämpfe schließen sich nicht aus: Diplomatischen Forderungen verleiht man am besten auf dem Schlachtfeld Nachdruck.

Wer keinen militärischen Nachdruck leistet, ist auch di­plo­ma­tisch abgemeldet. Eine richtige Feuerpause wird nicht einfach mal spontan vom Präsidenten an der Truppe vorbei öffentlich verkündet. Sie wird zwischen den Kriegsparteien ausgehandelt, ihre Modalitäten werden schriftlich fixiert und verbindlich organisiert. Russland aber ist davon überzeugt, seine Ziele auch so erreichen zu können, mithilfe von Trumps Naivität. Dessen unseriöse Ukraine­diplomatie befeuert die Aggression, statt deren Ende herbeizuführen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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    Die Moderation    

  • Russland zelebriert seine Verbrechen regelrecht. Es genießt den Terror und die Angst der ukrainischen Zivilisten, die seine Propaganda ja seit Jahren entmenschlicht und dämonisiert. Schon die Ankündigung einer "Waffenruhe" erfolgt lediglich mit hämischem Grinsen und Augenzwinkern.

    Dazu passt, dass am Wochenende vermeldet wurde, der Kreml sei unter Umständen dazu bereit, auf Angriffe auf zivile Ziele zu verzichten.

    In anderen Worten: Russland gibt zu, dass es zivile Ziele bewusst und absichtlich angreift. Und es ist nun gnädigerweise dazu "bereit", darauf zu "verzichten".

    Was für ein krankes, brutalisiertes System.

  • "Den Krieg beendet sie aber nicht, im Gegenteil. Diplomatie und Kämpfe schließen sich nicht aus: Diplomatischen Forderungen verleiht man am besten auf dem Schlachtfeld Nachdruck."



    Dachte auch Russland 2022.

  • "Eine ernstzunehmende Waffenruhe muss bilateral vereinbart und schriftlich fixiert werden."



    Nicht unbedingt. Sie könnte auch einseitig ausgerufen werden und durchaus ernsthaft sein. Allerdings unterliegt sie dann logischerweise einem höheren Risko, gebrochen zu werden.

    • @Encantado:

      Russland hat damals, als die Ukraine die Atomwaffen abgab, schriftliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine abgegeben. Wie diese Vereinbarung beachtet wurde, ist bekannt. Ob da etwas schriftlich niedergelegt wird oder nicht ist mit der aktuellen russischen Führung völlig egal.

      • @TheBox:

        "Ob da etwas schriftlich niedergelegt wird oder nicht ist mit der aktuellen russischen Führung völlig egal."



        Ich sprach jetzt ganz allgemein. Die Ernsthaftigkeit russischer Ankündigungen und Vereinbarungen ist ein ganz besonderes Kapitel.

      • @TheBox:

        NATO /EU Schutz oder Atomwaffen die zwei Möglichkeiten gibt es für die Ukraine. Das Wort russischer Politiker ist soviel Wert wie gebrauchtes Toilettenpapier.